Filmkritik: "Alita: Battle Angel"

Die Kampfmaschine

Wie sieht die Zukunft der Menschheit aus? Die Comic-Verfilmung "Alita" zeichnet ein düsteres Bild. 300 Jahre nach dem "Großen Krieg" zwischen Erde und Mars, im Jahr 2563, ist nur noch eine Stadt übriggeblieben. Iron City ist ein überfüllter Schmelztiegel der Kulturen und Sprachen, alle Überlebenden des Krieges haben sich hierher geflüchtet. Über der Stadt schwebt die letzte der vormals zwölf reichen Himmelsstädte, Zalem, eine große, am Boden verankerte Scheibe, auf der angeblich paradiesische Zustände herrschen. Wer jetzt sagt, das habe ich schon mal gesehen, hat völlig recht: Die Ausgangskonstellation erinnert stark an Filme wie etwa "Elysium".

In Iron City lebt der Wissenschaftler Dr. Dyson Ido (Christoph Waltz), der sein Geld mit der Reparatur defekter Cyborgs verdient. Er findet eines Tages auf dem Schrottplatz die Überreste eines älteren Modells, das Gehirn ist noch intakt. Ido nimmt den Körper mit nach Hause, vervollständigt ihn, weckt ihn wieder auf, und voilà, da ist Alita (Rosa Salazar) ein Teenager mit einer, wie sich herausstellt, etwas überdimensionierten Energiequelle als Herz (es würde ausreichen, um Iron City mehrere Jahre lang mit Strom zu versorgen, erklärt Dr. Ido), aber leider ohne Erinnerung daran, wer oder was sie zuvor war. Wie nicht anders zu erwarten, kommt die Erinnerung jedoch in kleinen Portionen wieder zurück (auch dieses Motiv kennen wir bereits, siehe etwa "Tödliche Weihnachten" mit Geena Davis) und es stellt sich heraus, dass es sich bei Alita um eine Kampfmaschine handelt, geschaffen, um keinem Konflikt aus dem Weg zu gehen.

Es folgen einer Reihe weiterer Elemente, die allesamt schon mal auf der Leinwand zu sehen waren: Ein rasantes Ballspiel namens Motorball, das verflucht an den SF-Klassiker "Rollerball" erinnert, Kopfgeldjäger, die die Rolle der Polizei übernommen haben, und ein Gangster, der in einer chaotischen Welt die Fäden in der Hand hält. Nichts davon ist neu. Das ist auch legitim, ein Regisseur muss nicht immer alles wieder neu erfinden. Doch wenn ein Film auf bekannte Versatzstücke zurückgreift, interessiert man sich vor allem dafür, was er daraus macht und wie er sie zusammenfügt. Und an dieser Stelle zeigt "Alita" beachtliche Qualitäten.

Das Drehbuch stammt von James Cameron und Laeta Kalogridis ("Shutter Island"), Cameron wollte ursprünglich auch die Regie übernehmen, sagte dann jedoch zugunsten seiner diversen Avatar-Projekte ab, und Robert Rodriguez ("Desperado") übernahm. "Alita" ist dennoch kein typischer Rodriguez-Film geworden, lediglich bei den Kämpfen der Cyborgs fühlt man sich teilweise an die Gewaltdarstellung seiner sonstigen Arbeiten erinnert.

Technisch ist der Film absolut perfekt. Er basiert auf dem Manga-Comic "Battle Angel Alita" von Yukito Kishiro. Um die Atmosphäre der Comics einzufangen, hat man der Hauptdarstellerin die typischen übergroßen Augen und die immer leicht unnatürlich wirkenden, tiefschwarzen Haare verliehen. Beeindruckend ist die Darstellung der Cyborgs, Roboter ohne Außenhaut, auf deren Stahlskulpturen menschliche Gesichter sitzen. Hinzu kommt das aufwendig inszenierte Gewusel auf den Straßen von Iron City. Bei der Produktion von "Alita" wurde nicht gespart, was sich James "Mir egal, was das kostet" Cameron wohl auch verbeten hätte. Davon zeugt auch die hochkarätige Besetzung, neben Christoph Waltz spielen auch die Oscar-Gewinner Mahershala Ali als Gangster und Jennifer Connelly als Idos Ex-Frau mit.

Wichtiger ist jedoch die Hauptdarstellerin. Rosa Salazar, bekannt geworden durch die Maze-Filme, gelingt es, ihrem Cyborg mit dem stählernen Herzen so viele menschliche Züge zu verleihen, dass man bereits wenige Minuten nach ihrer Auferstehung mit ihr mitfiebert und mitleidet. Eine bemerkenswerte Leistung wenn man bedenkt, dass große Teile ihres Körpers und vor allem des Gesichts per Computer verändert und animiert wurden.

"Alita" ist klassische, gut gemachte Mainstream-Science-Fiction. Sucht man nach einer tiefergehenden Bedeutung, so sind vor allem die Cyborgs interessant. Es wird nie geklärt, wo der Mensch aufhört und der Cyborg beginnt beziehungsweise, ob diese Wesen mit den Metallkörpern und den austauschbaren Gliedern ein menschliches oder ein Computer-Hirn besitzen. Die Grenzen zwischen Mensch und Maschine sind fließend, eine eindeutige Unterscheidung gibt es nicht mehr. Alita verliebt sich in den Schrottsammler Hugo (Keean Johnson) und zeigt dabei sehr menschliche Gefühle. Dennoch fragt sie zur Sicherheit noch einmal bei Christoph Waltz nach: Können Cyborgs und Menschen überhaupt eine Beziehung führen?

"Alita" wurde von den meisten Kritikern als eher mittelmäßig eingestuft, viele vermissten den Charme der Comic-Vorlage oder bemängelten das unbefriedigende Ende. Doch es ist ein guter Film, hochprofessionell gemacht und vielleicht einer der am meisten unterschätzten SF-Streifen der letzten Jahre.

"Alita: Battle Angel" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Dienstag 26 Februar 2019 um 23:19 von Roland Freist

Bearbeitet: Freitag 01 März 2019 10:53

Filmkritik: "Green Book – Eine besondere Freundschaft"

Miss Daisy fährt ihren Chauffeur

Das hätte ein richtig guter Film werden können. "Green Book" hat vieles, was großes Hollywood-Kino ausmacht: ein gutes Thema (der Rassismus in den 60er Jahren), hervorragende Darsteller und ein stimmiges Design. Doch leider zeigen sich vor allem zum Ende hin einige Schwächen, die den gesamten Eindruck nachträglich beschädigen.

Die Geschichte wird erzählt aus der Perspektive von Tony Vallelonga (Viggo Mortensen), seinen Freunden besser bekannt als Tony Lip. Er arbeitet in New York als Türsteher und Rausschmeißer. Als sein Club wegen Renovierungsarbeiten für zwei Monate schließen muss, heuert er, ohne ihn zuvor zu kennen, bei dem klassischen Pianisten Dr. Don Shirley (Mahershala Ali) an, der gerade eine Tournee durch die amerikanischen Südstaaten beginnen will. Tony soll ihn im Auftrag der Plattenfirma von einem Tourneeort zum nächsten bringen und vor allem darauf achten, dass er immer pünktlich ankommt, egal mit welchen Mitteln. Dabei gibt es nur ein Problem: Shirley ist schwarz, Schwierigkeiten mit der Bevölkerung und der Polizei in den vom Rassismus geprägten Südstaaten der 60er Jahre sind damit nahezu unvermeidlich. Und auch in der italienischen Community in New York, aus der Tony kommt, werden Schwarze gewohnheitsmäßig diskriminiert und beleidigt.

Über weite Strecken des Films freut sich Regisseur Peter Farrelly ("Verrückt nach Mary") einfach nur über das Bild, das er hier zeigen kann: Ein weißer Chauffeur fährt einen schwarzen und offensichtlich wohlhabenden Fahrgast durch die Lande. Gleichzeitig lässt Farrelly genüsslich die beiden unterschiedlichen Welten der beiden aufeinanderprallen. Tony Vallelonga ist ungebildet, hat einen derben Humor und ist es gewohnt, Konflikte auch mal mit ein paar Faustschlägen zu lösen. Shirley hingegen versteht es sich auszudrücken (er formuliert später sogar die Briefe von Tony an seine daheim gebliebene Frau), er hat studiert und achtet auf korrektes Benehmen. "Green Book" folgt über weite Strecken einem sehr bekannten Muster: Zwei unterschiedliche Charaktere, die anfangs nur Verachtung füreinander empfinden, beginnen sich mit der Zeit immer besser zu verstehen, bis sie schließlich zu Freunden werden. Und je mehr sie zu Freunden werden, desto mehr erkennt Tony – dem abwertende Bemerkungen über Schwarze absolut nicht fremd sind – die brutale Ungerechtigkeit gegenüber der dunkelhäutigen Bevölkerung. Shelby hingegen erstickt beinahe an seinen eigenen Widersprüchen: Obwohl er selbst schwarz ist, hat er keine Ahnung vom wahren Leben der meisten Schwarzen in den USA. Das sind die interessanten Aspekte dieser Geschichte.

Doch leider ergeht sich der Film auch in zahlreichen Klischees: Alle weißen Südstaatler sind nach außen hin freundlich und liberal, tatsächlich jedoch ängstlich bemüht, die rassistischen Erwartungen ihrer Heimat zu erfüllen. So darf Shirley zwar in einem noblen Restaurant auftreten und spielen, dort als Schwarzer jedoch nicht essen. Er darf nicht die normale Toilette benutzen, sondern muss auf ein baufälliges Plumpsklo hinter dem Haus ausweichen. Die üblichen Hotels sind ihm verwehrt, er muss stattdessen in heruntergekommenen Bruchbuden übernachten. Bei der Suche nach diesen Unterkünften hilft Shirley und Tony das Green Book, ein Verzeichnis mit Adressen von zumeist heruntergekommenen Hotels und Restaurants, die sich auf schwarze Gäste konzentrieren.

Und es hört nicht auf mit den Klischees: Die Italiener aus Tonys umfangreicher Familie essen gern und viel, und natürlich haben sie Kontakte zu den örtlichen Mafiosi. Die Schwarzen im Süden treffen sich in schummrigen Musikkneipen und tanzen zu Musik von herausragend guten Musikern, wie man sie offenbar in jedem schwarzen Musikclub antrifft. Und als wäre das alles noch nicht genug, kommen die beiden ausgerechnet an Heiligabend wieder nach New York zurück, wo es so stark schneit, dass sie beinahe steckenbleiben und es gerade noch so zum Weihnachtsessen schaffen. Das ist dann nur noch Kitsch. Es gibt einige wenige Momente, in denen Regisseur Farrelly die Vorurteile und Klischees selbst ein wenig aufs Korn nimmt, etwa wenn Tony seinem Fahrgast Hähnchenstücke von Kentucky Fried Chicken anbietet ("Euereins liebt doch Fried Chicken."). Doch selbst diese Szenen wirken allesamt wie schon tausendmal gesehen.

Was den Film über weite Strecken rettet, sind die beiden Hauptdarsteller. Viggo Mortensen ist hier nicht mehr der schöne, schlanke Aragorn, Arathons Sohn, mit den romantischen langen Haaren. Er hat sich für diese Rolle mehrere Kilo angefressen und in erster Linie in einen kräftigen Wanst gesteckt, der zu einem bulligen Schläger wie Tony ausgezeichnet passt. Mahershala Ali hingegen bekam sogar eine Oscar-Nominierung für seine Darstellung des distinguierten Klavierspielers, in dessen Innerem heftige Gefühle von Wut, Angst und Einsamkeit um die Vorherrschaft kämpfen. Mir hat der Tony von Viggo Mortensen besser gefallen, aber ich kann die Entscheidung der Academy nachvollziehen.

Peter Farrelly hat früher zusammen mit seinem Bruder Komödien gedreht, die mal mehr und mal weniger lustig waren. Man spürt diese Vergangenheit noch bei einigen gelungen eingesetzten Gags. Doch das verstärkt nur noch das Gefühl der Irritation, das bei "Green Book" vor allem zum Ende hin immer stärker aufkommt. Sollte das jetzt ein Wohlfühlfilm für die ganze Familie sein oder doch eher eine Anklage gegen Rassismus?

"Green Book" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Sonntag 03 Februar 2019 um 18:28 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 03 Februar 2019 18:54

Filmkritik: "Sicario 2"

Menschen statt Kokain

Der erste "Sicario"-Film des kanadischen Regisseurs Denis Villeneuve war brillant, wie übrigens alle seine Filme aus den letzten Jahren. Eine junge FBI-Agentin, gespielt von Emily Blunt, kommt zu einer geheimen Kommandoeinheit, die an der mexikanischen Grenze Jagd auf Drogenbarone machen soll. Staunend und mit immer größerem Entsetzen erkennt sie, dass sie bei einem Killerkommando gelandet ist, das sich um Gesetze und Moral schon lange nicht mehr schert.

"Sicario 2" konnte nach diesem furiosen Auftakt fast nur schlechter werden, zumal Villeneuve den Regiestuhl aus Zeitgründen an den Italiener Stefano Sollima abgeben musste. Doch die Fallhöhe ist nur sehr gering, man kann sich den Film durchaus ansehen.

Eins fällt jedoch sofort auf, und das ist dann auch gleich der größte Mangel des Streifens: Anstatt die Geschichte aus dem Blickwinkel einer Außenstehenden zu erzählen, so dass der wahre Charakter der Einsätze erst nach und nach offenbart wird, macht "Sicario 2" von vornherein kein Geheimnis daraus, um was er hier geht, nämlich um einen brutalen Krieg gegen die Drogenkartelle. Sie haben allerdings mittlerweile auf Menschenschmuggel umgesattelt, was angeblich lukrativer ist. Matt Graver (Josh Brolin) wird vom Verteidigungsminister (Matthew Modine) beauftragt, die Tochter eines Drogenbarons zu entführen und es wie die Tat eines Konkurrenten aussehen zu lassen. Auf diese Weise soll ein Krieg zwischen den Kartellen provoziert werden, was, so hoffen es zumindest das Verteidigungsministerium und die Terrorabwehr, die Kräfte der Kriminellen schwächt und die USA im Grenzgebiet wieder die Überhand gewinnen lässt.

Graver holt wieder seinen alten Kumpel Alejandro (Benicio del Toro) mit an Bord, und zusammen bekommen sie auch die Tochter des Drogenkartellbosses Carlos Reyes zu fassen. Wie nicht anders zu erwarten, geht danach jedoch etwas schief, und die Dinge nehmen eine düstere und äußerst blutige Wendung.

"Sicario 2" ist wesentlich zynischer und illusionsloser als der erste Teil, was in erster Linie daran liegt, dass die Hauptperson nicht mehr eine junge, idealistische Agentin ist. Stattdessen sind die Protagonisten Graver und Alejandro nur noch zwei alte Soldaten, wobei nur noch bei Alejandro ansatzweise erkennbar ist, warum er sich diesem Krieg angeschlossen hat – schon aus dem ersten Film wissen wir, dass die Kartelle seine Familie ermordet haben. Auch die Gewaltdarstellungen haben die artifizielle Spannung des ersten Teils verloren, stattdessen zeigt Regisseur Sollima harte, brutale Feuergefechte und Hinrichtungen. Am Schluss bleiben etliche Fragen offen, Handlungsfäden flattern lose herum. Es soll wohl einen dritten Teil geben, dem ich zwar nicht gerade freudig entgegensehe, den ich mir aber dennoch ansehen werde.

"Sicario 2" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Dienstag 24 Juli 2018 um 22:13 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 03 Februar 2019 18:29

Filmkritik: "Solo: A Star Wars Story"

Missglücktes Solo

Mit "Solo" startet Disney eine neue Storyline innerhalb des "Star Wars"-Universums. Unschwer zu erraten, dass es um Han Solo geht, den von Harrison Ford einst so wunderbar verkörperten Schmuggler, und seine Vorgeschichte, bevor er, wir erinnern uns, von Obi-Wan Kenobi auf Tatooine engagiert wurde. Diese Geschichte könnte man durchaus interessant machen, mit Schmuggler-Abenteuern, wilden Ritten durch die Galaxis und der Allgegenwart des bösen Imperiums. Doch leider trifft der Film praktisch von Anfang bis Ende zahlreiche falsche Entscheidungen, die ihn, alles zusammengenommen, zum bislang schlechtesten "Star Wars"-Streifen aller Zeiten machen.

Es beginnt bereits mit dem Hauptdarsteller, dem 1989 geborenen Alden Ehrenreich. Auch Harrison Ford war nie ein großer Schauspieler, hatte aber Ausstrahlung. Ehrenreich hat nicht einmal das. Er beherrscht etwa zweieinhalb verschiedene Gesichtsausdrücke und sieht über weite Strecken des Films so aus, als verstünde er nur ansatzweise, was um ihn herum gerade vorgeht. Gerade zum Ende hin wirkt er mehr wie Indiana Jones als wie Han Solo, was seine hölzerne Performance aber auch nicht besser macht.

Für eine weitere schlechte Entscheidung im Zusammenhang mit Ehrenreich trägt das Synchronstudio die Verantwortung. Die Firma hat dem jungen Han Solo die Stimme von Harrison Ford gegeben, der in Deutschland von dem heute 73-jährigen Wolfgang Pampel gesprochen wird. Auch wenn Herr Pampel ein ausgezeichneter Sprecher ist, hört man seiner Stimme das Alter doch deutlich an. In Zusammenhang mit einer Figur, die im Film vielleicht Anfang/Mitte 20 ist, wirkt das äußerst befremdlich.

Die dritte falsche Entscheidung war, die romantische Konstellation von Schmuggler, Wookie und Schiff (natürlich ist der Millennium Falke Teil der Story), die sich mit kleinen Gaunereien ihren Lebensunterhalt verdienen, aufzugeben und stattdessen eine Art Überfall auf einen Geldtransporter mit verwirrend vielen Beteiligten zu inszenieren.

Unverständlich ist auch, wieso man den Höhepunkt des Films, eine Verfolgungsjagd durch einen Mahlstrom, nicht ganz an den Schluss setzte, sondern die Handlung danach noch einmal etwa 20 Minuten lang vor sich hin plätschern lässt. Die Spannung ist raus, man hätte sich noch eine schöne Abschlussszene gewünscht, stattdessen quält sich das Drehbuch noch bis zu einem Ende, das die Möglichkeit für ein Sequel offenlässt.

Aber die vielleicht schlimmste Entscheidung der Macher von "Solo" war, das vertraute und geliebte "Star Wars"-Universum nahezu komplett aufzugeben. Der Film spielt zu etwa 80 bis 90 Prozent der Zeit am Boden, das Weltall ist nur selten zu sehen, und wenn, dann hat man nicht das Gefühl, dass man sich in einem Raumschiff befindet. Überhaupt dauert es mehr als eine Stunde, bis die Kamera zum ersten Mal an Bord eines Schiffes abhebt. Wenn ein Film eine "Star Wars Story" verspricht, dann will ich auch Star Wars haben und nicht den großen Eisenbahnraub.

Und damit nicht genug: Drehbuch und Regie verzichten auch weitgehend auf die von den Fans so heiß geliebten Details. Von den Jedi ist in keiner einzigen Szene die Rede, ebenso wenig von der Macht. Nur kurz vor Schluss ist einen Moment lang ein einzelnes Lichtschwert zu sehen. Ein paar Vertreter der imperialen Sturmtruppen stehen verloren in der Gegend herum, spielen jedoch für die Handlung keine Rolle. Auch auf die politischen Verhältnisse selbst, die immer ein wichtiger Teil der "Star Wars"-Filme bildeten, geht der Film nicht weiter ein. Irgendwann bildet sich eine Rebellentruppe, gegen was sie sich jedoch auflehnt, bleibt unklar.

Immerhin ist nicht alles schlecht an diesem Film. Die Special Effects sind sorgfältig ausgeführt, wenn auch nicht spektakulär. Der Kameramann, Bradford Yound ("Arrival"), hat einen guten Job gemacht. Donald Glover lässt sehr überzeugend den öligen Charme von Lando Calrissian wiederauferstehen. Und Emilia Clarke ("Game of Thrones"), die die undankbare Aufgabe hat, die Freundin des jungen Han Solo zu spielen, gelingt eine der eindrucksvolle Frauengestalt.

Disney, das für die Rechte an "Star Wars" mehrere Milliarden Dollar hingegelegt hat, betrachtet die Reihe offensichtlich als Cash Cow, die bis zum letzten Tropfen gemolken werden soll. Aus "Solo" soll eine eigene Filmreihe werden, die in den kommenden Jahren parallel zum Stammprojekt "Star Wars" Geld einspielt. Ob das nach diesem Beginn noch gelingen kann, erscheint fraglich. Aber vielleicht ist diese Erfahrung ganz heilsam und zeigt dem Studio, dass die Serie trotz ihrer weltweiten Beliebtheit und der gigantischen Fanbasis kein Selbstläufer ist.

"Solo: A Star Wars Story" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Montag 28 Mai 2018 um 17:04 von Roland Freist

Filmkritik: "I, Tonya"

Tonya Harding schlägt zurück

Als 1994 am Vorabend der amerikanischen Meisterschaften ein bezahlter Schläger der Eiskunstläuferin Nancy Kerrigan mit einer Eisenstange die Kniescheibe zu zertrümmern versuchte, erregte das weltweit Aufsehen. Schnell fiel der Verdacht auf ihre Konkurrentin Tonya Harding, die von den Medien schnell als "Hexe" bezeichnet wurde. Zum Glück verfehlte der Attentäter die Kniescheibe, so dass Kerrigan lediglich eine Prellung davontrug. Sechs Wochen später konnte sie sogar an den Olympischen Spielen in Lillehammer teilnehmen, wo sie nach einer triumphalen Kür den zweiten Platz hinter der Russin Oksana Bajul erreichte. Harding hingegen wurde Achte und landete damit sogar noch einen Platz hinter Katarina Witt, die im Alter von 28 Jahren noch einmal angetreten war. Kurz darauf wurde sie als eine der Verantwortlichen für den Angriff auf Kerrigan zu einer hohen Geldstrafe, Sozialstunden und lebenslangem Startverbot verurteilt und schlug sich anschließend als Boxkämpferin durch. "I, Tonya" erzählt diese Geschichte aus Sicht von Tonya Harding.

Harding (Margot Robbie, "The Wolf of Wall Street") wächst in Verhältnissen auf, die man in Deutschland als "bildungsfern" bezeichnen würde. Ihre Mutter LaVona, großartig gespielt von Allison Janney, schickt sie bereits als Kind im Alter von drei Jahren aufs Eis. Sie selbst ist starke Raucherin, zynisch und hart gegenüber ihrer Tochter. Tonyas Vater (Jason Davis) jagt sie nach einigen Jahren davon, Mutter und Tochter leben anschließend zusammen in einem heruntergekommenen Haus in der Provinz. Die Umgebung färbt ab auf Tonya, kaum einer ihrer Sätze kommt ohne das Wort "Scheiße" aus, auch sie ist starke Raucherin. Doch sie ist gut, eine kräftige Sportlerin, und als sie älter wird, ist sie die erste Amerikanerin, die den dreifachen Axel springt. Zuvor hat sie ihren ersten Freund kennengelernt, Jeff (Sebastian Stan), der genau wie sie aus prekären Verhältnissen stammt, und sie heiratet ihn. Kurz darauf beginnt er sie zu schlagen. Jeff hat einen Freund, einen kleinen, untersetzten Typen namens Shawn (Paul Walter Hauser), ein Mann von zweifelhafter Intelligenz, der fortan Tonyas Bodyguard wird.

"I, Tonya" zeigt ein Milieu, welches das Zielpublikum dieses Films vermutlich nie kennengelernt hat. Es ist eine Welt voller Dummheit, Grausamkeit und Armut, in der Fluchen die normale Ausdrucksweise ist, in der die meisten Menschen eine Waffe besitzen und nicht nur Kinder regelmäßig geschlagen werden. Tonya sagt an einer Stelle des Films sinngemäß, alle Welt rege sich über den einen Schlag auf, den Nancy Kerrigan abbekommen habe, dabei sei sie selbst jeden einzelnen Tag ihres Lebens verprügelt worden. Überhaupt wendet sie sich des Öfteren an das Publikum, was Regisseur Craig Gillespie lustige Effekte erlaubt: Einmal artet ein Streit zwischen Tonya und ihrem Ehemann so aus, dass sie eine Schrotflinte herauszieht und auf ihn schießt. "Das hab ich nie gemacht", erklärt sie dann mit Blick in den Zuschauerraum und spielt damit offensichtlich auf die Berichterstattung der Medien an. Der Film ist über weite Strecken eine schwarze Komödie. Man amüsiert sich über das bizarre Verhalten seiner Hauptpersonen, wobei allerdings Harding immer außen vor bleibt. Für sie wird eher um Verständnis geworben, was dem Film in den USA den Vorwurf des Whitewashing einbrachte.

Zeitweise war sie tatsächlich die beste Eiskunstläuferin der USA, und Margot Robbie zeigt, wie wichtig diese Bestätigung ihrer Leistung und ihrer Person für Harding ist. Sie hat sich aus der Gosse nach oben gekämpft und ist stolz darauf. Doch ihren Bewegungen fehlt das Anmutige, das die Kunst ihrer behütet aufgewachsenen Konkurrentinnen auszeichnet. Sie ist kräftiger und auch technisch besser, dennoch landet sie in der Platzierung oft hinter ihnen. Einer der Preisrichter spricht es schließlich ganz direkt aus und erklärt Tonya, er wolle nicht, dass Personen wie sie die USA repräsentieren.

Es gibt in "I, Tonya" einige sehr schöne CGI-Aufnahmen von einzelnen Sprüngen, die meisten natürlich von ihrem dreifachen Axel. Es gibt tolle Darstellerleistungen von Margot Robbie und Allison Janney ("Juno", "Mom"), die letztere hat völlig zurecht einen Oscar als beste Nebendarstellerin erhalten. Es gibt einige wirklich lustige Szenen und viel schwarzen Humor. Doch das Beste an diesem Film ist die Geschichte, die er erzählt, von einem Mädchen, das sich nach oben kämpft und letztlich daran scheitert, dass sie die Verhältnisse, aus denen sie kommt, nicht hinter sich lassen kann.

"I, Tonya" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Dienstag 03 April 2018 um 20:24 von Roland Freist

Filmkritik: "Molly's Game – Alles auf eine Karte"

Poker für Fortgeschrittene

Poker ist ein Spiel, bei dem es gleichermaßen um das Kalkulieren von Risiken und Gewinnchancen geht wie um Psychologie. Es ähnelt damit diesem Film, der einerseits recht nüchtern vom Kriminalfall der "Pokerprinzessin" Molly Bloom erzählt, mindestens genauso sehr aber auch in einer psychologischen Studie ihre Persönlichkeit erforscht.

Der Film basiert auf einer wahren Geschichte. Molly Bloom, gespielt von Jessica Chastain, wuchs als Kind eines gut verdienenden Psychologen (Kevin Costner) auf. In jungen Jahren war sie eine begabte Skiläuferin und stand kurz vor der Teilnahme an den Olympischen Spielen. Doch dann verunglückte sie und konnte ihren Sport nicht mehr ausüben.

Molly wollte eigentlich ein Jura-Studium beginnen. Jetzt jedoch nimmt sie eine Auszeit, zieht nach Los Angeles und jobbt als Kellnerin. In ihrer Bar bekommt sie Kontakt zu einem professionellen Organisator (Jeremy Strong) von Pokerrunden für Hollywood-Schauspieler und andere Leute mit viel Geld – angeblich gehörten damals unter anderem Leonardo DiCaprio, Ben Affleck und Tobey Maguire zu den Spielern. Sie ist schlau und lernt schnell, schon bald macht sie ihre eigene Pokerrunde auf. Der Buy-in beträgt 10.000 Dollar, was für die Teilnehmer jedoch kein Problem ist. Sie selbst lebt allein von den Trinkgeldern, die ihr Woche für Woche einen fünfstelligen Betrag einbringen. Doch nach einigen Jahren gibt es zunehmend Ärger mit einem der Spieler (Michael Cera), der schließlich sie ausbootet. Molly Bloom zieht nach New York und baut ihr Geschäft neu auf, dieses Mal liegt der Buy-in sogar bei 250.000 Dollar. Doch sie wird unvorsichtig, schon bald werden die Pokerrunden von Mitgliedern der italienischen und russischen Mafia besucht, und das FBI beginnt sich für die Treffen zu interessieren. Außerdem nimmt Molly mittlerweile Drogen und zweigt einen kleinen Teil der Einsätze für sich ab. Die Spieler stört das nicht, doch sie macht sich damit strafbar. Als sie schließlich verhaftet wird, nimmt sich nach einigem Zögern der Staranwalt Charlie Jaffey (Idris Elba) ihrer an.

Die Story von "Molly’s Game" ist sehr einfach und nicht sonderlich spannend. Dass trotzdem ein guter, unterhaltsamer Film daraus geworden ist, ist zum einen dem Drehbuch und den Dialogen von Aaron Sorkin zu verdanken, der hier zum ersten Mal auch Regie geführt hat, und zum anderen den tollen schauspielerischen Leistungen von Jessica Chastain und Idris Elba.

Sorkin wurde bekannt durch seine Drehbücher etwa für "Eine Frage der Ehre", "The Social Network" oder "Steve Jobs". Sein Markenzeichen waren schon immer die ausgefeilten Dialoge, und man erkennt seine Handschrift auch dieses Mal wieder. Molly Bloom ist jung, hochintelligent und selbstbewusst, und wenn sie mit ihrem Anwalt diskutiert, geht es in einem Tempo hin und her wie in einer Screwball Comedy aus den 40ern. Aber auch wenn sie mit einzelnen Spielern redet, sie aufmuntert oder ihnen rät, aufzuhören und nach Hause zu gehen, sind das wunderbare, stimmungsvolle Szenen. Jessica Chastain zeigt ihre ganze Schauspielkunst und schafft allein durch die Art, wie sie auf die Männer zugeht, atmosphärisch unglaublich dichte Szenen. Idris Elba kann sich mittlerweile ganz auf seine Ausstrahlung und seinen Charme verlassen. Kevin Costner schließlich hat bereits vor einigen Jahren zu seiner Seniorenrolle gefunden, die ihm hervorragend passt, den stets etwas müden, älteren, weisen Mann.

Der Film psychologisiert sehr stark, vielleicht sogar zu stark. In Rückblenden sieht man die junge Molly, wie sie von ihrem Vater gezwungen wird, nach einem ersten schweren Sturz wieder in den Wettkampfsport einzusteigen und man fragt sich, was das mit der Poker-Geschichte zu tun haben soll. Zum Schluss kommt es völlig überraschend zu einem Gespräch zwischen Vater und Tochter, das beinahe schon bizarre Züge trägt.

Da es nun mal um Poker geht, verzichtet Sorkin auch nicht auf die Diskussion einiger Kartenkonstellationen, die von Molly Bloom aus dem Off kommentiert werden. Doch so hastig, wie diese Szenen wieder beendet werden, wirken sie wie Zutaten, die der Regisseur eher widerwillig und zwangsweise in den Film aufgenommen hat. Besser wäre es gewesen, sie entweder ganz wegzulassen oder ausführlicher zu erklären, um die Spannung des Augenblicks zu vermitteln. In dieser Form jedoch bringen sie niemanden etwas.

"Molly’s Game" kann man sich anschauen, um etwas über zwei Stunden gut unterhalten zu werden und tollen Schauspielern zuzusehen. Wer jedoch mehr erwartet, wird enttäuscht.

"Molly's Game" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Mittwoch 14 März 2018 um 22:42 von Roland Freist

Bearbeitet: Mittwoch 14 März 2018 22:48

Filmkritik: "Die Verlegerin"

Gegen alle Widerstände

Die späten 60er und frühen 70er Jahre sind eine der wichtigsten Perioden der amerikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Mit Nixon hatte ein machtbesessener Paranoiker das Weiße Haus erobert, in einem Tausende von Kilometern entfernten Land lernten die USA, dass ihr moralischer Anspruch und die eigene militärische Überlegenheit mehr als zweifelhaft waren, und in der Heimat kämpfte eine starke Bürgerrechtsbewegung gegen Rassendiskriminierung und den Versuch, die Meinungs- und Pressefreiheit einzuschränken. Dutzende, vielleicht sogar Hunderte von Filmen sind über diese Zeit entstanden. Einer der besten ist der neue Film von Steven Spielberg, "Die Verlegerin".

Allerdings ist der deutsche Titel unglücklich gewählt. Im Original heißt der Film "The Post", weil er Geschehnisse rund um die Washington Post im Jahr 1971 erzählt. Vermutlich hatte der deutsche Verleih Angst, dass hierzulande zu wenig Menschen mit dem Namen der Zeitung etwas anfangen könnten. Und "Die Post" wäre ja nun wirklich keine passende Übersetzung gewesen. "Die Verlegerin" reduziert die Story jedoch auf Kay Graham, gespielt von Meryl Streep, die damalige, noch recht unerfahrene Verlegerin der Zeitung. Und das wird dem Film nicht gerecht, denn es geht nicht um eine einzelne Person, sondern um Journalismus und die politischen, wirtschaftlichen und persönlichen Abhängigkeiten, in denen er sich befindet und gegen die er ständig ankämpfen muss.

Der Film erzählt von der Veröffentlichung der Pentagon Papers. Der ehemalige Verteidigungsminister Robert McNamara (Bruce Greenwood) hatte diese Studie einige Jahre zuvor in Auftrag gegeben, um mit internen Regierungsinformationen die Vorgeschichte und den Verlauf der amerikanischen Beteiligung am Vietnamkrieg für spätere Generationen zu dokumentieren. Viele der Ergebnisse der Studie standen im Widerspruch zu offiziellen Aussagen der amerikanischen Regierungen unter Truman, Eisenhower, Kennedy, Johnson und Nixon. Unter anderem zeigten die Pentagon Papers, dass McNamara den Krieg bereits Mitte der 60er Jahre verlorengegeben hatte. Die Studie wurde daher unter Verschluss gehalten.

1971 wurden die Dokumente jedoch der New York Times zugespielt, die in der Folge in mehreren Ausgaben Teile davon veröffentlichten und kommentierten. Die Washington Post war zu dieser Zeit ein Regionalblatt, außerhalb der Hauptstadt wurde sie kaum gelesen. Doch sie hatte mit Ben Bradlee (Tom Hanks) einen begeisterten Journalisten als Chefredakteur. Als es einem seiner Redakteure gelingt, eine Kopie der Pentagon Papers zu beschaffen, zögert er keine Sekunde, das Thema auf die Titelseite zu heben. Doch dem stehen die enge Freundschaft der Verlegerin Kay Graham mit Robert McNamara, der geplante Börsengang der Post und auch die Freundschaft von Bradlee mit dem ermordeten Kennedy entgegen.

Steven Spielberg spielt bei "Die Verlegerin" seine ganze Routine aus. Vielleicht sogar etwa zu viel: Der Film beginnt, natürlich, könnte man schon fast sagen, mit Szenen aus dem Vietnamkrieg, untermalt mit "Run through the jungle" von Creedence Clearwater Revival. "Nicht schon wieder", denkt man sich, doch dann wird’s schnell besser. Wie der Film anschließend die Vorgeschichte und die aktuelle Situation der Zeitung skizziert, die Figuren vorstellt und die Story an Fahrt aufnehmen lässt – das ist wirklich meisterhaft. Dazu kommen die Perfektion von Kamera (Janusz Kaminski) und Schnitt (Sarah Broshar, Michael Kahn) und die hohe Qualität der beiden Hauptdarsteller, von denen sich Tom Hanks in seiner Rolle ein klein wenig wohler zu fühlen scheint als Meryl Streep. Alles zusammen ergibt einen der besten Filme des Jahres.

"Die Verlegerin" ist ein altmodischer Film. Er arbeitet mit den jahrzehntelang erprobten Stilmitteln von Hollywood, baut Spannung und Emotion unglaublich präzise und gekonnt auf. Spielberg demonstriert, welche Kraft das Hollywood-Konzept immer noch entfalten kann, vor allem, wenn es um die Verteidigung der bürgerlichen Freiheiten geht. Der Film wurde in gerade einmal anderthalb Monaten im Sommer 2017 abgedreht, in einer Zeit also, in welcher der amtierende amerikanische Präsident die Presse der Verbreitung von Fake News beschuldigte und die freie Berichterstattung in Frage stellte. Spielberg hat darauf eine wunderbar souveräne Antwort gegeben.

"Die Verlegerin" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Sonntag 25 Februar 2018 um 22:29 von Roland Freist

Filmkritik: "Black Panther"

Afrikanische Utopie

Superhelden-Filme sind nicht per se schlecht. Es gibt bessere ("Spider-Man I" und II, die beiden "Batman"-Filme von Tim Burton und "The Dark Knight", der erste "Superman") und es gibt schlechtere ("Avengers", "Elektra") unter ihnen. Doch nur selten gingen die Regisseure und Drehbuchautoren beim Konzipieren der Handlung über das alte Gute-gegen-Böse-Schema hinaus, ein Film wie der zweite Spider-Man, der den inneren, moralischen Konflikt seines Protagonisten abwog, war die ganz große Ausnahme. Doch jetzt scheint sich Hollywood ganz vorsichtig daran zu machen, aus den Superhelden-Geschichten mehr herauszuholen. "Wonder Woman", gedreht von einer Frau, war im letzten Jahr ein vorsichtiger Ansatz, eine starke, unabhängige Frau als Heldin zu etablieren. "Black Panther" geht noch einen Schritt weiter und setzt auf einen nahezu komplett schwarzen Cast mit einem schwarzen Superhelden als Mittelpunkt. Und mehr noch: Der Film hat sogar eine politische Botschaft, die der aktuellen Linie des Weißen Hauses diametral entgegensteht.

Der Black Panther heißt mit bürgerlichem Namen T’Challa (Chadwick Boseman) und kommt aus Wakanda, einem kleinen, von der Außenwelt weitgehend abgeschnittenen Land im Herzen von Afrika. Vor einigen Jahrhunderten ging dort ein Meteor nieder, der eine große Menge des Metalls Vibranium enthielt, das ansonsten nirgendwo auf der Erde existiert. Damit konnten die Bewohner nicht nur Energie erzeugen und eine blühende High-tech-Kultur aufbauen, Vibranium ermöglichte ihnen auch das Aufspannen eines Tarnschirms, der die Hochhäuser und futuristischen Fahrzeuge des Landes vor fremden Augen verbarg und es wie einen armen, von Ackerbau und Viehzucht geprägten Staat aussehen ließ.

Zu Beginn soll T’Challa als Nachfolger seines Vaters zum neuen König ernannt werden. Doch es gibt Herausforderer, allen voran sein verschollen geglaubter Cousin Killmonger (Michael B. Jordan), der ihn dann auch im Kampf besiegt. Nachdem er den Königsthron bestiegen hat, beginnt Killmonger, mit den Ressourcen und hochentwickelten Waffen von Wakanda unterdrückte Gruppen im Ausland zu unterstützen und Kriege anzuzetteln.

Tatsächlich passiert noch wesentlich mehr, die Handlung von "Black Panther" ist teilweise recht verworren. Es treten unter anderem noch ein weißer Waffenschmuggler (Andy Serkis), ein CIA-Agent (Martin Freeman), Verräter, Ex-Geliebte, ein weiser Berater (Forest Whitaker), eine superkluge Wissenschaftlerin (Letitia Wright) sowie die Mitglieder einer weiblichen Elitetruppe auf. Am Anfang tut sich der Film schwer, die Ausgangssituation und die Besonderheiten von Wakanda zu erklären. Der Erzählfluss ist stockend, dazu steht gleich zu Beginn eines dieser öden Mann-gegen-Mann-Duelle, auf welche die Marvel-Streifen offenbar nicht verzichten können. Später jedoch nimmt die Handlung Fahrt auf, findet ihren Rhythmus, und der Film wird tatsächlich recht unterhaltsam, selbst als es gegen Ende noch zu einem zweiten, episch ausgebreiteten Duell kommt.

Die Atmosphäre von "Black Panther" ist von Anfang bis Ende durchgehend afrikanisch, dazu tragen die bunten Gewänder und archaischen Riten genauso bei wie die wüste Trommelorgie, die der aktuell angesagteste Rapper der Welt, Kendrick Lamar, für den Score komponiert hat. Zusammen mit der technisch fortgeschrittenen Zivilisation von Wakanda ergibt das eine seltsame Mischung, die aber in sich stimmig ist – eine der größten Leistungen des Films. Wakanda ist erkennbar nicht aus den christlich-jüdischen Traditionen der westlichen Welt entstanden, sondern hat eine eigene Entwicklung durchgemacht. Das Land und seine Gesellschaft ist eine afrikanische Utopie.

Die einzelnen Figuren hingegen, allen voran T’Challa und Killmonger, entsprechen leider den üblichen Stereotypen von Hollywood und der amerikanischen Unterhaltungsindustrie. Hinzu kommen die zahlreichen Anleihen, die "Black Panther" bei großen, erfolgreichen Filmen der Vergangenheit nimmt, angefangen bei "James Bond" über "Katzenmenschen" bis hin zu "Star Wars", was die Faszination der Kultur, die hier entworfen wird, deutlich abschwächt.

"Black Panther" hat einige großartige Ideen und Ansätze, setzt sie allerdings nicht konsequent genug um. Trotzdem gehört der Film trotz all seiner hektischen Handlungsentwicklung zu den besseren Superhelden-Streifen und funktioniert auf Wunsch sogar als reines Action-Spektakel noch recht gut.

"Black Panther" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Mittwoch 21 Februar 2018 um 22:09 von Roland Freist

Filmkritik: "Shape of Water – das Flüstern des Wassers"

Ich liebe einen Wassermann

Schau an, dieser Guillermo del Toro ist ja ein echter Romantiker. Man hätte es sich zwar denken können, nachdem er uns bereits in "Hellboy" eine Ausgeburt der Hölle vorgestellt hatte, die an fortgeschrittenem Liebeskummer litt. Dennoch kommt "Shape of Water" einigermaßen überraschend. Der mexikanische Regisseur, bekannt für seine Horror- und Superhelden-Filme, legt hier ein Märchen im Stil von "Die Schöne und das Biest" vor.

Allerdings ohne Schöne beziehungsweise ohne eine Frau von großer äußerer Schönheit. Elisa Esposito (Sally Hawkins) ist der Typ der unauffälligen Nachbarin, schüchtern und notgedrungen stumm – in ihrer Kindheit wurde ihr Kehlkopf beschädigt, seither kann sie nicht mehr sprechen. Sie arbeitet als Putzfrau in einem Gebäude des US-Militärs. Es sind die frühen 60er Jahre, jeder hat Angst vor einem Atomkrieg, gleichzeitig versuchen Amerikaner und Russen sich beim Wettlauf ins All zu übertrumpfen.

Da kommt ein neues "Objekt" in das Gebäude, ein Wasserwesen, gefangen im Amazonas. In der äußeren Form ähnelt es einem Menschen, doch seine Haut ist von Schuppen überzogen, es atmet durch Kiemen und hat die großen Augen eines Fisches. Mitgebracht hat es Richard Strickland (Michael Shannon), einer der größten Unsympathen der Kinogeschichte. Er ist ein rassistischer, gefühlloser Militärangehöriger, der das Wasserwesen mit einem Elektroschocker traktiert und foltert. Dass es sich um ein intelligentes Wesen handelt, will er nicht wahrhaben, ebenso wenig wie sein Vorgesetzter, ein General, der sich von der Untersuchung Aufschlüsse darüber verspricht, wie sich der Menschen an das Leben im Weltall anpassen könnte.

Elisa jedoch nimmt heimlich Kontakt mit dem Wassermenschen auf, bringt ihm die Gebärdensprache bei und verliebt sich in ihn. Schließlich schmiedet sie einen Plan, um ihn mithilfe ihrer Kollegin Zelda (Octavia Spencer, "The Help") und ihres Nachbarn, des erfolglosen, schwulen Werbegrafikers Giles (Richard Jenkins) zu entführen und in die Freiheit zu entlassen.

Diese Geschichte wird vor dem Hintergrund alter, schwarzweißer Liebesfilme und Musicals aus den 40er und 50er Jahren erzählt, die ständig irgendwo in einem Fernseher laufen. Auch der Score von "Shape of Water" ist gefüllt mit Musik aus jener Zeit, dazu wohnen Elisa und Giles auch noch über einem Kino. Del Toro stellt den Film in die große Tradition der Musikfilme aus Hollywood, die immer schon eine märchenhafte Atmosphäre zu vermitteln suchten.

Gleichzeitig verleugnet er aber auch nicht seine Wurzeln: Wenn Stricklands Finger, die das Wasserwesen ihm abgebissen hat, zusehends zu eitern und zu faulen beginnen, spielt er, vielleicht sogar mit einem leicht vergnügten Grinsen, mit den Mitteln des Horrorfilms. Auf der anderen Seite sorgt die wunderbare Octavia Spencer mit ihrem unfehlbaren Gespür für Timing immer wieder für komische Szenen. Allerdings hat auch allein schon die Idee, das Plappermaul Sally Hawkins ("Happy-Go-Lucky") mehr als zwei Stunden lang kein einziges Wort sagen zu lassen, einen gewissen Witz (zwar sagt sie zwischendurch dann schon einen Satz, allerdings ist unklar, ob es sich nicht um eine Traumsequenz handelt).

Schauspielerisch ist der Film toll. Hawkins, Spencer, Jenkins, Shannon und auch Michael Stuhlbarg ("Arrival") in einer Nebenrolle als Wissenschaftler agieren auf höchstem Niveau. Dazu kommt die gut getroffene, spießige Atmosphäre der frühen 60er, die tolle Ausstattung mit den zahlreichen Details, die ruhig durch die Räume gleitende Kamera – del Toro hat alles richtig gemacht.

Und doch will sich dann letztlich nicht das Gefühl einstellen, einen wirklich großen Film gesehen zu haben. Denn "Shape of Things" berührt einen nicht, lässt einen vielmehr mit dem Eindruck aus dem Kino gehen, einen zwar hervorragend gemachten, vielschichtigen Film gesehen zu haben, bei dem man jedoch mit der Hauptfigur ebenso wenig mitgefiebert hat wie mit Ginger Roberts bei einer Affäre mit Fred Astaire.

"Shape of Things – das Flüstern des Wassers" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 16 Februar 2018 um 0:09 von Roland Freist

Bearbeitet: Mittwoch 21 Februar 2018 22:36

Filmkritik: "Wind River"

Tod im Schnee

Moderne Western wie "Wind River" haben einen ganz eigenen Reiz: Sie arbeiten mit den Figuren und Klischees der großen amerikanischen Filmtradition, mit schweigsamen Männern, harten, duldsamen Frauen und einer weiten, lebensfeindlichen Natur, und verbinden sie mit aktuellen Problemen wie Drogensucht, brutalen sexuellen Übergriffen und bürokratischen Kompetenzstreitigkeiten. Das funktioniert mal besser und mal schlechter. Dieser Film gehört zu den besseren Beispielen.

Das beherrschende Thema ist die Kälte während der Winter im mittleren Westen der USA. Dort, in Wyoming, wo die Temperaturen bis auf minus 30 Grad rutschen können, lebt Cory Lambert (Jeremy Renner), der sein Geld als Jäger verdient. Die örtlichen Viehzüchter heuern ihn an, um Wölfe oder andere Raubtiere abzuschießen, die ihre Herden bedrohen. Eines Tages findet er die Leiche eines jungen Mädchens, wie sich herausstellt, eine Freundin seiner verstorbenen Tochter, das mit nackten Füßen vor etwas weggerannt und erfroren ist. Die Fundstelle liegt in einem Indianerreservat, der dortige Sheriff (Graham Greene, "Der mit dem Wolf tanzt") ruft das FBI. Das erscheint in Gestalt der Agentin Jane Banner (Elizabeth Olsen, "Godzilla"), die von ihrer Dienststelle in Las Vegas nach Wyoming geschickt wurde und von den Bedingungen und Gefahren des Lebens bei eisigen Temperaturen keine Ahnung hat. Daher engagiert sie Lambert als eine Art Berater, und gemeinsam beginnen sie die Suche nach den Ursachen für den Tod des Mädchens.

Die Hauptfigur ist Lambert, ein Einheimischer, der mit einigen der Indianer bereits zur Schule gegangen ist. Er war selbst mit einer Indianerin (Kelsey Asbille) verheiratet, bis die Beziehung nach dem Tod ihrer gemeinsamen Tochter auseinanderbrach. Er redet nicht viel, aber der Film gibt sich große Mühe, damit der Zuschauer das, was in ihm vorgeht, zumindest erahnen kann. Jeremy Renner ("Tödlisches Kommando – The Hurt Locker") macht das gut, er beherrscht die Kunst, mit minimalem Einsatz einen eindrucksvollen Charakter zu erschaffen.

Leider sind nicht alle Charaktere so detailliert gezeichnet. Elizabeth Olsen und Graham Greene sind zwar gut in ihren Rollen, aber ihr Background bleibt völlig im Dunkeln. Man weiß nicht, was sie antreibt, wo sie herkommen oder was sie denken. Sie bleiben Fremde in einem Film, der sich auf einige wenige Figuren beschränkt. Das ist schade, zumal es auch wenig Handlung gibt und es Regisseur Taylor Sheridan – er hatte zuvor die Drehbücher zu "Sicario" und "Hell or High Water" geschrieben – erkennbar weniger um die Auflösung des Mordfalls als um die Zeichnung seiner Hauptfigur geht.

"Wind River" erntet aber noch einen weiteren, großen Minuspunkt, und zwar für die klischeehaften Details. Dass ein Jäger wie Lambert natürlich ein einsames, schweigsames Leben führt, nimmt man sogar noch recht gerne in Kauf, denn es ist einem lieber als ein ständig von seinen Heldentaten plappernder Protagonist. Aber müssen junge Indianer im Reservat wirklich in jedem Film drogensüchtig sein? Und müssen sie tatsächlich immer wieder von der Langeweile und Perspektivlosigkeit ihres Lebens in die Sucht getrieben werden?

Ärgerlich ist auch, dass zwar ständig die Kälte und Grausamkeit des Wyoming-Winters beschworen wird, tatsächlich jedoch niemand und in keiner Situation eine Atemfahne vor dem Mund hat, und zudem in einzelnen Einstellungen deutlich zu erkennen ist, dass der Schnee auf den Straßen zu Matsch geschmolzen ist.

Die beiden großen Pluspunkte des Films sind Jeremy Renner und die realistische Darstellung des Lebens in dieser gottverlassenen Gegend, hinzu kommt eine außerordentlich gute Kamera. "Wind River" hat außerdem einen packenden, intensiven Rhythmus, der dafür sorgt, dass trotz der eher mäßigen Spannung bei der Verbrechensaufklärung keine Langeweile aufkommt.

"Wind River" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Dienstag 13 Februar 2018 um 21:50 von Roland Freist

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