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Archiv vom Februar 2015

Filmkritik: "American Sniper"

Geschrieben am Donnerstag 26 Februar 2015 um 23:38 von Roland Freist

Schüsse aus dem Hinterhalt

Wenn man sich an die Filme über den zweiten Irakkrieg erinnert, Streifen wie "Green Zone", "The Hurt Locker" oder "Im Tal von Elah", so kommen einem vor allem Szenen von Straßenkämpfen in den Sinn. Während der erste Krieg im Irak einige Jahre zuvor in erster Linie mit Bilder von brennenden Ölquellen und über der Wüste aufsteigenden, schwarzen Rauchsäulen verbunden ist, hat das Hollywood-Kino den zweiten Feldzug weitgehend auf die Straßenkämpfe in Bagdad und Falludscha reduziert, auf die Hinterhalte und Sprengfallen, die Autobomben und Selbstmord-Attentäter, die der Hightech- und Elitesoldaten-Armee der USA immer wieder schwere Schläge verpassten.

In "American Sniper" geht es um die wahre Geschichte eines ganz besonderen Elitesoldaten, eines Navy Seal, der zum Scharfschützen ausgebildet wurde. Chris Kyle (Bradley Cooper) kommt aus Texas und gibt einen Seal wie aus dem Bilderbuch ab, groß, ruhig, mit einem unglaublichen Panzer aus Muskeln und ohne den geringsten Zweifel an seiner oder der Mission der USA. Er hatte sich freiwillig zum Militärdienst gemeldet, nachdem er von den Anschlägen durch al-Qaida auf die amerikanischen Botschaften in Daressalam und Nairobi gehört hatte. Wenige Wochen nach den Anschlägen vom 11. September fliegt er zu seinem ersten Einsatz in den Irak.

Dort ist er überaus erfolgreich. Sein Job ist es in der Regel, die vorrückenden amerikanischen Truppen zu schützen. Dazu sucht er sich möglichst unbemerkt einen erhöhten Standort und erschießt von dort aus alle Personen, die sich den Soldaten nähern, um sie mit Gewehren, Panzerfäusten oder Granaten zu attackieren. Während seiner vier Einsätze im Irak, das entspricht insgesamt mehr als 1000 Tagen, bringt er es auf mehr als 160 bestätigte Tötungen. Gleich sein erstes Opfer ist ein Kind, ein kleiner Junge, der von einer Frau mit einer Granate losgeschickt wurde, um einen amerikanischen Panzer in die Luft zu jagen. Aus anderen Kritiken zu diesem Film erfahre ich, dass Regisseur Clint Eastwood an dieser wie auch an einigen anderen Stellen von der literarischen Vorlage, den Erinnerungen des echten Chris Kyle abgewichen ist, denn tatsächlich war es wohl eine Frau, die die Granate trug und die Kyle daraufhin erschoss.

Wie der Film die Geschichte von Chris Kyle inszeniert, das ist meisterhaft. Die Bilder folgen dem Gemütszustand des Snipers: Während zu Anfang alles noch ruhig, unaufgeregt und unter Kontrolle ist, spürt man sowohl bei Kyle wie auch bei der Darstellung der Geschehnisse zum Schluss hin die zunehmende Anspannung und das Chaos, das sich breit macht. Bei dem Seal äußert sich das in Bluthochdruck und unkontrollierten Wutanfällen, wenn er nach Hause kommt, die Bilder des Krieges werden immer unübersichtlicher und münden schließlich in einem gigantischen Sandsturm, in dem die amerikanischen Soldaten beinahe verloren gehen.

Bradley Cooper spielt das ganz ausgezeichnet. Der Mann, den die meisten Zuschauer vermutlich aus der Buddy-Komödie "Hangover" kennen, wurde in der Vergangenheit bereits zwei Mal für einen Oscar nominiert (für "American Hustle" und "Silver Linings") und bekam für "American Sniper" seine dritte Nominierung. Sein Chris Kyle ist ein bedächtiger, eher wortkarger Mann, der mit zunehmender Dauer des Krieges immer dünnhäutiger und empfindlicher wird. Er ist verheiratet mit Taya, gespielt von Sienna Miller, die man in dieser Rolle kaum wiedererkennt. Zum Schluss seiner Zeit im Irak nehmen ihn die Geschehnisse so mit, dass er sie mitten aus dem Kampfgetümmel per Satellitentelefon anruft.

Ist "American Sniper" ein Antikriegsfilm? Nein, mit Sicherheit nicht. Er verherrlicht den Krieg aber auch nicht oder ist außergewöhnlich patriotisch. Es ist die Geschichte eines Soldaten. Und das ist dann leider auch der entscheidende Schwachpunkt. Denn der Chris Kyle dieses Films ist ein sehr langweiliger Charakter, einfach, geradlinig, ohne Ecken und Kanten. Kein Vergleich mit dem rätselhaften, scheinbar wahnsinnigen Sergeant William James aus "Hurt Locker" oder den innerlich verrohten GIs aus "Im Tal von Elah". Chris Kyle ist dagegen der Typ von Soldat, der gerne in Schulen geht, um bereits im Klassenzimmer Werbung für den Armeedienst zu machen, der Mr. Saubermann von nebenan. Da hilft auch der eindrucksvolle Vollbart nicht, den er sich im Irak wachsen lässt. So gut und teilweise auch rau der Film ansonsten gemacht ist, die glatte, einfach gestrickte Figur seines Protagonisten bringt ihm ein dickes Minus ein.

"American Sniper" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Filmkritik: "Selma"

Geschrieben am Sonntag 22 Februar 2015 um 23:21 von Roland Freist

Entscheidung in Montgomery

Wenn es um die Darstellung historischer Persönlichkeiten geht, bekommen Filmemacher oft ein Problem. Vor allem wenn es sich um Politiker handelt, die ihre Erfolge mühsam gegen interne und externe Widersacher durchsetzen mussten, wird jeder Versuch einer filmischen Interpretation ihres Lebens misstrauisch beobachtet. Zu groß ist die Angst, dass man dem politischen Gegner die Munition liefern könnte, mit der er die eigene Symbolgestalt beschädigt. Man stelle sich beispielsweise vor, ein Regisseur kündigte einen Film über Willy Brandt an – die Debatten in den Feuilletons, unter den Historikern und nicht zuletzt in der SPD würden in wenigen Wochen ganze Bücherwände füllen, Rechteinhaber würden klagen, Nachkommen sich protestierend zu Wort melden. Die Durchführung eines solchen Projekts wäre quasi unmöglich.

Das ist auch das Problem von "Selma", dem Film über den Kampf für eine gerechte Wählerregistrierung in den USA. Er verkrampft in seinem Versuch, die Geschehnisse der Jahre 1964 und 65 möglichst detailgenau zu erzählen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die strahlende Symbolfigur Martin Luther King jr. eine strahlende Symbolfigur bleibt. Dabei wäre das vermutlich überhaupt nicht notwendig gewesen. Kings Bedeutung und Persönlichkeit ist stark genug, dass er auch einen etwas gelasseneren Umgang mit der Geschichte ausgehalten hätte.

"Selma" erzählt vom Höhepunkt der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung Mitte der 60er Jahre. Die Rassentrennung wirkte sich auch auf die Wählerregistrierung aus, schikanöse Gesetze verhinderten vielfach, dass sich die zumeist ärmere, schlechter gebildete schwarze Bevölkerung in die Wählerlisten eintragen konnte. Seit Anfang der 60er Jahre begann sich Protest gegen diese Form der Diskriminierung zu regen. Die Stadt Selma in Alabama, wo die Zustände besonders schlimm waren, wurde zu einem der Zentren des Protests. Als sich der 1964 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Martin Luther King (David Oyelowo) zusammen mit seiner Southern Christian Leadership Conference (SCLC) der Bewegung anschließt, richtet sich auch das Interesse der überregionalen Zeitungen und des Fernsehens auf die Proteste. Präsident Lyndon B. Johnson (Tom Wilkinson) gerät zunehmend unter der Druck, die diskriminierenden Gesetze zu streichen. Schließlich entscheidet sich Martin Luther King für einen Protestmarsch von Selma in das 80 Kilometer entfernte Montgomery, wo mit Gouverneur George Wallace (Tim Roth) ein besonders hartnäckiger Vertreter der Rassentrennung sitzt. Es kommt zu den drei berühmten Selma-nach-Montgomery-Märschen.

Diese drei Märsche liefern auch die stärksten Momente des Films. Beim ersten Marsch werden die Demonstranten zusammengeprügelt, die Polizei setzt Tränengas und berittene Staffeln gegen sie ein. Umso bewegender, aber auch pathetischer, sind dann die Bilder vom zweiten und dritten Marsch, bei denen die schwarzen Aktivisten dank der Fernsehbilder Unterstützung aus dem ganzen Land bekommen. Überhaupt schrammt der Film in vielen Szenen nur knapp am Pathos vorbei. Dazu tragen an vielen Stellen auch die etwas hölzernen Dialoge bei, was allerdings auch ein Problem der Synchronisation sein kann. Störend wirkt auch, dass Martin Luther King während des gesamten Films eine Art Heiligenverehrung entgegengebracht wird. Seine eheliche Untreue, mit der ihn J. Edgar Hoover (Dylan Baker) und das FBI erpressten, wird zwar zum Thema gemacht, die diesbezüglichen Szenen wirken jedoch wie eine Art Pflichterfüllung.

Am meisten stört jedoch, dass Martin Luther King vollkommen hinter seiner Rolle verschwindet. Man ahnt zwar oft, was in ihm vorgeht – David Oyelowo spielt ihn mit sparsamer, sehr zurückgenommener, aber dafür in vielen Szenen umso eindrucksvollerer Mimik -, doch man erfährt nicht, was ihn antreibt, wie es zu seiner Ablehnung von Gewalt kam, woher er seine Kraft bezieht. Martin Luther King bleibt einem in diesem Film fremd.

Im Grunde ist "Selma" ein Dokudrama: Reale Geschehnisse werden von Schauspielern nachgestellt, dazu kommen einige Szenen, von denen es keine Zeugnisse gibt, die sich jedoch so oder so ähnlich zugetragen haben könnten. Das spricht nicht gegen ihn: Die Geschichte, die er erzählt, ist spannend, das meiste davon war mir bislang unbekannt. Auch handwerklich ist der Film gut gemacht. Kameramann Bradford Yound findet eindrucksvolle Bilder für die entscheidenden Personen und Momenten, Schnitt und Rhythmus lassen keinen Leerlauf entstehen, die Casting-Liste ist gespickt mit den Namen von ausgezeichneten Darstellern. Doch letztlich kann er beide Ansprüche nicht erfüllen, weder die einer Doku noch die eines Dramas. Denn für einen Dokumentarfilm ist "Selma" zu emotional und pathetisch, für ein Drama lässt er zu wenig Einblicke in die handelnden Personen zu.

"Selma" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Dienstag 24 Februar 2015 16:12

50 Shades of Buscemi

Geschrieben am Dienstag 17 Februar 2015 um 19:31 von Roland Freist

Im Bett mit Buscemi: Das folgende Video ist eine weitere schöne Variante des Trailers für "50 Shades of Grey". Allerdings hat dieses Mal der männlcihe Hauptdarsteller gewechselt, Jamie Dorman wurde durch Steve Buscemi ersetzt. Hinweis: Die volle Wirkung erzielt die Neubearbeitung erst mit eingeschalteten Lautsprechern.

Bearbeitet: Dienstag 17 Februar 2015 19:42

Filmkritik: "Inherent Vice – Natürliche Mängel"

Geschrieben am Donnerstag 12 Februar 2015 um 22:34 von Roland Freist

Höherer Blödsinn

Die späten 60er und frühen 70er Jahre waren aus heutiger Sicht eine Märchenwelt aus Drogen, freier Liebe und psychedelischer Musik, und Kalifornien war das Zentrum. Dort gedieh das Marihuana wie in den Bergtälern Afghanistans, dort hatten alle Menschen diese coole, leicht goldfarbene Tönung der Haut, dort traten Bands wie Jefferson Airplane kostenlos in den Parks auf. Gleichzeitig war Kalifornien aber auch die Heimat der Schwarzen Serie Hollywoods, knallharten, in Schwarzweiß gedrehten Krimis aus den 40er und 50er Jahren nach Büchern von Dashiell Hammett und Raymond Chandler. Wirft man beides zusammen, die Krimis aus Los Angeles und die Hippie-Kultur aus San Francisco, und rührt einmal kräftig um, so kommt ein Film wie "Inherent Vice" dabei heraus.

Die Hauptperson heißt Larry Sportello (Joaquin Phoenix) und wird meist "Doc" genannt, vielleicht weil er ein Büro in einer Gemeinschaftspraxis angemietet hat. Er ist kein Arzt, sondern Privatdetektiv und die meiste Zeit bekifft. Das ist allerdings nichts Ungewöhnliches – es sind die frühen 70er Jahre in L. A., und Typen, die Gras rauchen, sind allgegenwärtig. Der Film beginnt, als Doc Besuch von seiner Ex bekommt, Shasta (Katherine Waterston), die gerade eine Affäre mit dem Bauunternehmer Michael Wolfmann (Eric Roberts) hat. Sie bittet ihn um Schutz für ihren Liebhaber, denn Wolfmanns Frau Sloane (Serena Scott Thomas) und deren Freund Riggs Warbling (Andrew Simpson) wollen ihn entführen und in eine psychiatrische Anstalt bringen, um sich anschließend mit dem Vermögen des Baulöwen aus dem Staub zu machen. Doch als Doc mit den Ermittlungen beginnt, ist Wolfmann plötzlich verschwunden, ebenso wie Shasta. Und der Privatdetektiv wacht auf einem Parkplatz neben einer übel zugerichteten Leiche auf, umringt von Polizisten des LAPD. Von nun an ist er gezwungen mit Detective Christian Bjornsen (Josh Brolin) zusammenzuarbeiten, einem Mann mit einem ausgeprägten Bürstenhaarschnitt, der sich von aller Welt "Bigfoot" nennen lässt. Und das ist erst der Anfang. In kurzer Folge wird Doc von weiteren Klienten um Hilfe gebeten, und sein Leben wird immer chaotischer.

Die literarische Vorlage zu "Inherent Vice" stammt von Thomas Pynchon, einem der größten Romanautoren der USA. Seine Bücher zogen nie ein Millionenpublikum an, haben jedoch zur Bildung einer großen, verschworenen Fangemeinde geführt, die sich immer wieder mit Eifer daran macht, die in den Texten enthaltenen, unzähligen Rätsel, Anspielungen und Querverweise aufzulösen. Mit "Inherent Vice" hat sich zum ersten Mal ein Regisseur getraut, einen Pynchon-Roman zu verfilmen. Und P. T. Anderson ("Boogie Nights", "There Will Be Blood") ist es tatsächlich gelungen, den typischen Tonfall der Bücher sehr adäquat wiederzugeben.

Ein Merkmal nahezu aller Pynchon-Romane ist der Versuch, den Leser zu verwirren, ihn aufs Glatteis zu führen, ihn immer wieder in Sackgassen zu locken. Alles scheint chaotisch zu sein, immer neue Figuren mit seltsamen Namen treten auf, irgendwann kann man sich nicht mehr merken, wer wie und warum in die Handlung verstrickt ist. Absurde Ereignisse geschehen, im Hintergrund scheinen obskure Vereinigungen die Fäden zu ziehen – hier etwa eine Firma namens "Golden Fang", angeblich ein Zusammenschluss von Zahnärzten (!), die auf diese Weise Steuern sparen wollen, vermutlich aber ein Ring von Drogenhändlern und -produzenten. Außerdem ankert im Süden von L. A. ein Segelschiff dieses Namens. Unter diesen ganzen absurden Details und Geschichten existiert jedoch ein Netzwerk, das alles miteinander verbindet, und erst nach und nach ans Tageslicht kommt. Doch wer als Leser oder Zuschauer versucht, dieses Netz zu ergründen und aufzudecken, verliert sich unweigerlich in ihm. Die bessere Strategie ist es, sich einfach auf die Komik des Geschehens einzulassen und sich zu amüsieren. "Inherent Vice" ist, neben "Punch-Drunk Love", der bislang lustigste Film von Anderson.

Aber er ist beileibe nicht perfekt. Die schauspielerischen Leistungen von Joaquin Phoenix und Josh Brolin sind gut, aber nicht überragend. In den Nebenrollen tauchen etliche bekannte Gesichter auf – neben Eric Roberts noch Benicio Del Toro, Owen Wilson, Reese Witherspoon und der Comedian Martin Short –, die sich ebenfalls nicht ins Langzeitgedächtnis spielen. Was jedoch vor allem fehlt, ist die Möglichkeit zur Identifikation mit einer Figur. Andersons Blick ist zu distanziert, Bilder und Handlung ziehen den Zuschauer nicht ins Geschehen hinein. Es ist daher kein großer Film geworden. Doch wer die Bücher von Thomas Pynchon kennt oder einfach nur absurden Humor schätzt, wird ihn mögen.

"Inherent Vice" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Mittwoch 07 Februar 2018 22:24

Fifty Shades of Bricks

Geschrieben am Dienstag 10 Februar 2015 um 17:26 von Roland Freist

In dieser Woche startet die Filmversion des millionenfach verkauften Softpornos "Fifty Shades of Grey". Ich werde mir den Film allerdings nicht anschauen, es wird hier also auch keine Rezension erscheinen. Mir gefällt jedoch die Lego-Version des Trailers:

Die beiden Macher, Antonio und Andrea Toscano, haben äußerst präzise gearbeitet und das Original sekundengenau nachgebaut, was die Gegenüberstellung der beiden Videos sehr schön demonstriert:

Filmkritik: "Jupiter Ascending"

Geschrieben am Sonntag 08 Februar 2015 um 22:48 von Roland Freist

Wolf im Weltall

Gute Science-Fiction zeichnet sich dadurch aus, dass sie den Lesern oder Zuschauern neue Ideen präsentiert und sie auch gleich in Form einer Erzählung experimentell ausprobiert. Manchmal scheitern diese Entwürfe im gedanklichen Praxistest, manchmal werden sie zum Erfolg. Wichtig ist lediglich, dass die Details stimmen, dass der Erzähler sich bemüht hat, alles so genau wie möglich zu durchdenken und in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Tut er das nicht, so mündet seine Arbeit schnell in einem oberflächlichen Nichts, in Trash.

"Jupiter Ascending" ist Trash. Bei diesem Film hat sich erkennbar niemand die Mühe gemacht, eine gute, logisch nachvollziehbare Geschichte zu erfinden. Stattdessen wurde sehr viel Geld – die Produktionskosten sollen bei 175 Millionen US-Dollar gelegen haben – darauf verwendet, allerlei fremdartige Wesen zu kreieren, Action-Szenen zu choreographieren und ganz allgemein CGI-Effekte zu zeichnen, bis das Rechenzentrum den Hitzetod stirbt.

Die Hauptperson trägt den schönen Namen Jupiter Jones (Mila Kunis, "Black Swan"), sie lebt in Chicago und reinigt Toiletten in einer Putzkolonne. Aus unerklärten Gründen weist ihr Genmaterial sie jedoch als die rechtmäßige Erbin der Erde aus, und zwar inklusive allem, was hier so kreucht und fleucht, also auch der Menschen. Diese Menschen, also wir, wurden auf dem Planeten in Form von Genmaterial ausgesät, wozu die Außerirdischen allerdings zunächst die störenden Dinosaurier ausrotten mussten. Nun wollen die bisherigen Besitzer, die Brüder Titus (Douglas Booth) und Balem (Eddie Redmayne) Abrasax die Ernte einfahren und zwar gleich in Form der gesamten Menschheit, weshalb ihnen die neue Konkurrentin um das Erbe äußerst ungelegen kommt, zumal beide bereits insgeheim beschlossen haben, den jeweils anderen aus dem Geschäft auszubooten.

Wirtschaftlich interessant ist die Erde, da sich aus den Menschen eine Substanz gewinnen lässt, mit der man Zellen genetisch erneuern und damit unsterblich werden kann. Die Schwester von Titus und Balem, Kalique (Tuppence Middleton), hat es aus diese Weise bereits auf das stattliche Alter von 14004 Jahren gebracht, was ihr aber noch längst nicht genug ist ("Das geht so schnell vorbei", sagt sie). Um die rechtmäßige Erbin zu finden und kaltzustellen, hat Balem einen Jäger engagiert, Caine Wise (Channing Tatum), der genetisch modifiziert halb Mensch, halb Wolf ist. Er rettet Jupiter Jones in letzter Sekunde vor den Häschern von Titus und bringt sie zu seinem alten Kumpel Stinger (Sean Bean, "Der Herr der Ringe"), ebenfalls ein Außerirdischer, der sich jedoch auf der Erde niedergelassen hat und Bienenzüchter geworden ist. Dort kommt die ganze Geschichte ans Tageslicht, da Bienen, wie wir überrascht erfahren, die Gene von außerirdischen Königinnen riechen können und sie daher niemals stechen. Der Rest des Films besteht dann mehr oder weniger aus weiteren wilden Verfolgungsjagden durchs All, ins Innere des Planeten Jupiter und quer durch riesige Raumschiffe. Während die erste halbe Stunde des Films mit den aufwendigen Special Effects noch einigermaßen unterhaltsam ist, macht sich zum Schluss hin ein deutlicher Abnutzungseffekt bemerkbar.

Der Film versucht sich an zwei oder drei Stellen an einem Witz, am angestrengtesten in einer Satire auf überbordende Bürokratie. Wesentlich lustiger und auch erheblich häufiger sind allerdings die Momente, in denen er unfreiwillig komisch wird. Etwa wenn Caine seine Raketen-Boots erklärt, die ihn mit kleinen Düsen an den Schuhsohlen durch die Lüfte und zur Not auch durchs All tragen: "Sie wandeln die Schwerkraft in einen Algorithmus um." Oder wenn Stinger der beeindruckten Jupiter das Wesen seines wölfischen Kampfgefährten näherbringen will mit den Worten: "Er vermisst sein Rudel." Am häufigsten zitiert wird jedoch folgender Dialog:

Caine: "Ihre Majestät, ich habe mehr gemein mit einem Hund als mit Ihnen."

Jupiter: "Kein Problem, ich liebe Hunde. Ich habe Hunde immer geliebt."

"Jupiter Ascending" ist der gescheiterte Versuch, einem leichten Science-Fiction-Märchen mit einem ökonomischen Unterbau etwas mehr Gewicht zu verleihen. Genau wie bei "Matrix", mit dem die Wachowski-Geschwister bekannt und berühmt geworden sind, dienen auch hier die Menschen allein als zur Ausbeutung bestimmte Ressourcen. Das wirkte schon damals nicht plausibel – wieso, so fragte man sich, können hyperintelligente Maschinen keine effizienteren Energiequellen entwickeln als aufwendig zu pflegende Menschenkörper – und funktioniert auch hier nicht. Hinzu kommen eine wirre Story, ein flacher Spannungsbogen und Schauspieler, die unter ihren Möglichkeiten bleiben. Nicht zu vergessen die 3D-Effekte, die einmal mehr völlig überflüssig sind – wenn möglich, sparen Sie sich den Aufpreis. "Jupiter Ascending" ist nur zu empfehlen für Science-Fiction-Fans, die auch das Samstagabend-Programm von Tele 5 nicht scheuen.

"Jupiter Ascending" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Sonntag 08 Februar 2015 23:26

Das geheime Leben der Sturmtruppen

Geschrieben am Sonntag 08 Februar 2015 um 12:18 von Roland Freist

Unter dem Titel "The Secret Life of Stormtroopers" führt uns ein Blog mit 26 Fotos in das bislang geheim gehaltene Privatleben der imperialen Sturmtruppen ein.

 

Weitere Beiträge aus dem "Star Wars"/"Star Trek"-Kosmos finden Sie über die folgenden Links:

"Krieg der Sterne", die existenzialistische Version

Todesstern zerstört die Enterprise

"Krieg der Sterne", Lego-Version

"The People vs. George Lucas"

"Krieg der Sterne", Episode 1

"Krieg der Sterne", Episode 1 (Nachtrag)

Trololo im Weltall

Bearbeitet: Sonntag 08 Februar 2015 12:36

Filmkritik: "Foxcatcher"

Geschrieben am Samstag 07 Februar 2015 um 18:10 von Roland Freist

Ringen um Anerkennung

Ringen ist in den USA genauso eine Randsportart wie hierzulande. Die Sportler sind Amateure, die von ihren Verbänden oder Sponsoren finanziert werden, die Kämpfe schaut sich kaum jemand an. "Foxcatcher" ist ein Film, in dem zwei Ringer die Hauptrolle spielen, sowie ein Milliardär, der ihnen ein professionelles Training ermöglicht. Doch der Sport bildet in diesem Fall lediglich den Hintergrund für die eigentliche Geschichte, die sich so ähnlich tatsächlich zugetragen hat.

Es geht um Mark Schultz (Channing Tatum), der bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles die Goldmedaille im Freistilringen gewann. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder David (Mark Ruffalo), der ebenfalls Gold bekam, trainiert er in einer Provinzstadt in einer kleinen Halle und bereitet sich auf die Weltmeisterschaften vor. Es ist das Jahr 1987. Eines Tages erhält er eine Einladung in das Haus von John E. Du Pont (Steve Carell), einem Nachkommen des Du Pont-Clans, einer der reichsten Familien der USA. Der Milliardär ist bereits seit mehreren Jahren begeisterter Anhänger des Ringens und lädt Mark ein, auf seinem Anwesen in Pennsylvania zu leben und dort gemeinsam mit dem "Team Foxcatcher" zu trainieren, in einer bestens ausgestatteten Halle zusammen mit anderen Ringern. Du Pont will ihm auch ein Gehalt bezahlen. Auch David soll auf dem Gelände leben und trainieren, lehnt das allerdings zunächst mit Rücksicht auf seine Familie ab.

An dieser Stelle beginnt die eigentliche Story von "Foxcatcher". Zwischen Mark und Du Pont entsteht eine Liebesbeziehung, die allerdings nie in Worte gefasst wird, geschweige denn, dass es zu Sexszenen käme. Das Körperliche liefert allein das Ringen: Du Pont sieht sich selbst als Mentor, als väterlichen Freund der deutlich jüngeren Sportler. Nachdem Mark 1987 den Weltmeistertitel geholt hat, kommt es zur ersten innigen Umarmung zwischen ihm und Du Pont, den er fortan "John" nennen darf. Du Pont betätigt sich zwischendurch auch selbst als Trainer, zeigt den Sportlern einfache Griffe, es kommt zu den typischen verschwitzten Stellungen des Ringens. Kein Wunder, dass Du Ponts Mutter Jean (Vanessa Redgrave), die ebenfalls auf dem Anwesen lebt, das Ringen als "niederen Sport" verachtet. Bald verbringen Mark und John auch außerhalb des Trainings Zeit miteinander, Mark lässt sich die Haare färben, der Umgang der beiden wird immer vertrauter. Sie schnupfen gemeinsam Kokain, Mark beginnt zu trinken. Als sich das jedoch auf seine Trainingsleistungen auswirkt, kommt es zum Bruch zwischen den beiden. Kurz darauf trifft dann doch noch David Schultz auf dem Anwesen ein und beansprucht wieder die Trainer- und Leitbildfunktion für seinen Bruder. Bald wird klar, dass die Konstellation mit den beiden Brüdern und John Du Pont nicht lange gutgehen wird.

"Foxcatcher" ist jedoch nicht nur ein Liebesfilm vor dem Hintergrund eines Außenseitersports, sondern ebenso auch das Porträt und die Charakterstudie des Millardärs John E. Du Pont. Steve Carell spielt ihn als einen Sonderling, einen Mann mit einem reptilienhaften Blick, der im Gespräch mit anderen auf die Begrüßung verzichtet und zwischen seinen Sätzen immer wieder lange Pausen entstehen lässt. Wegen seines unbewegten Gesichts weiß man nie, was in ihm vorgeht. Er hat keine Freunde, hat nie welche gehabt. Er lebt in dem riesigen Haus im ländlichen Pennsylvania allein mit seiner Mutter und einigen Angestellten, es herrscht dort eine oft gespenstische Ruhe. Von Menschen, denen er vertraut, lässt er sich "Eagle" oder "Golden Eagle" nennen (das "E" in seinem Namen steht jedoch für "Eleuthère"). Dank des Reichtums seiner Familie ist er es gewohnt, für Geld alles zu bekommen, was er will, Menschen machen da keine Ausnahme. Die normalen Regeln des Umgangs zählen nicht für ihn, er hat seine eigene Moral. Er leidet unter seiner Mutter, die ihn und seinen Sport nicht anerkennt und selber lieber Rennpferde züchtet.

Steve Carell ist bei uns vor allem aus einigen seichten Komödien wie "Date Night" oder "Get Smart" bekannt, in den USA ist er vor allem durch seine Auftritte in "Saturday Night Live" und mit der amerikanischen Version der britischen Serie "The Office" populär geworden (der deutsche Ableger lief unter dem Namen "Stromberg"). Umso überraschender ist es, wie perfekt er John Du Pont spielt, wie er die diversen Marotten dieses Mannes entwickelt, den starren Blick und die eigenartig aufrechte Körperhaltung – das ist große Schauspielkunst, Carell wurde dafür zu Recht für einen Oscar nominiert. Oscar-Hoffnungen darf sich auch Mark Ruffalo als David Schultz machen, er verkörpert sehr überzeugend den kernigen, sympathischen und charismatischen Sportler, der am liebsten mit seiner Familie zusammen ist. Ich fand auch, dass Channing Tatum seine Sache nicht schlecht macht. Sein Mark Schultz ist ein einfacher, stiller Mann, der nur schwer Vertrauen zu anderen aufbaut, dann jedoch absolut loyal zu ihnen ist.

"Foxcatcher" ist ein langer und die meiste Zeit auch recht ruhiger Film. Er fasst Geschehnisse zusammen, die sich in der realen Welt über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren abspielten. Vieles lässt er aus, darunter vor allem die sportliche Karriere von David Schultz, die 1987 noch keinesfalls beendet war. Doch es handelt sich hier eben nicht um einen Sportfilm.

"Foxcatcher" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

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