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Archiv vom Juni 2010

Französischer Humor der Jahrhundertwende

Geschrieben am Samstag 26 Juni 2010 um 17:36 von Roland Freist

Normalerweise kann ich mit dem Humor der (vorletzten) Jahrhundertwende nur wenig anfangen. Die Karikaturen in der hochgelobten deutschen Satire-Zeitschrift Simplicissimus aus den Jahren vor dem ersten Weltkrieg etwa sind mir in ihrem Witz meist zu umständlich, als dass ich darüber lachen könnte. Lediglich die Zeichnungen des Simplicissimus-Künstlers Olaf Gulbransson können mir ab und zu ein Grinsen entlocken, mehr aber auch nicht. Hier ein Beispiel. Seine späteren Sachen aus den 30er und 40er Jahren, als er sich auf die Seite der Nazis schlug, sind natürlich indiskutabel.

Witzige Filme aus dieser Zeit waren mir bis vor kurzem überhaupt nicht bekannt. Die amerikanischen Stummfilm-Stars wie Charlie Chaplin, Laurel und Hardy, Buster Keaton etc. machten erst nach dem ersten Weltkrieg Karriere. Deutsche Filme wie "Die Feuerzangenbowle" oder "Der Hauptmann von Köpenick", die um die Jahrhundertwende spielen, entstanden wesentlich später. Und auch die fand ich nicht besonders lustig.

Um so erstaunter war ich, als ich vor einigen Wochen auf die beiden folgenden französischen Kurzfilme aus dem Jahr 1907 stieß. Vor allem der erste, "Premier Prix de violoncelle" ("Erster Preis für Cello"), erscheint mir in seiner Art, die Übertreibung immer weiter auf die Spitze zu treiben, sehr modern und vor allem auch sehr witzig. Ob man, wie im zweiten Film "Le cochon danseur" ("Das tanzende Schwein") gezeigt, über den bizarren Auftritt eines Schauspielers in einem Schweinekostüm lachen kann, ist dagegen wohl eher Geschmackssache. Ich sehe darin einen frühen Vorläufer des bis heute sehr beliebten Motivs "Mann in Hasenkostüm". Und wenn das gut gespielt und mit dem richtigen Timing eingesetzt wird, hat das für mich immer noch seinen Reiz.

"Premier Prix de violoncelle":

"Le cochon danseur":

Bearbeitet: Dienstag 28 Dezember 2010 17:02

"The People vs. George Lucas"

Geschrieben am Sonntag 20 Juni 2010 um 18:51 von Roland Freist

Die Filme der "Star Wars"-Serie haben seit den späten 70er Jahren einen beispiellosen Kult ausgelöst. Unzählige Fanclubs diskutieren bis heute Figuren und Geschichten der Filme, spinnen die Handlungsstränge weiter, organisieren Fan-Messen und sammeln jedes noch so kleine Detail des Weltraummärchens. Ein eindrucksvolles Beispiel für die vielfältigen Aktivitäten der Szene ist die Jedipedia (www.jedipedia.de), die in mittlerweile über 18000 Artikeln alles Wissenswerte (und auch zahlreiche weniger wichtige Details) rund um die SF-Saga archiviert. Die englischsprachige Wookieepedia (http://starwars.wikia.com) kommt sogar auf über 77000 Artikel.

Und fast immer, wenn im Umfeld von "Star Wars" Geld fließt, verdient George Lucas mit. Der Produzent und teilweise auch Regisseur der Filme hatte sich in einem Akt weiser Voraussicht vom Filmstudio die Merchandising-Rechte vertraglich zusichern lassen. Ein genialer Coup, Lucas gilt heute als der Erfinder des modernen Film-Merchandising. Sein heutiges Vermögen, es wird auf etwa drei Milliarden Dollar geschätzt, kam in erster Linie durch den Verkauf von Plastikfiguren, Zubehör wie etwa Lichtschwertern, Postern, Büchern, Comics, Computerspielen und Hunderten von weiteren unverzichtbaren Ausrüstungs-Gegenständen für Fans zusammen. Sie kauften voller Begeisterung praktisch alles, auf dem das "Star Wars"-Logo prangte.

Mein Lichtschwert, vor einigen Jahren für rund zehn Dollar in den USA erworben. Leider war seine Quelle der Macht sehr schnell versiegt, sprich: Die kleine Glühbirne, die den blauen Teil normalerweise leuchten lassen würde, versagte ihren Dienst und ließ sich nicht auswechseln.

Doch im Laufe der Jahre hat sich das Verhältnis zwischen Lucas und seinen Fans verschlechtert. Während die Ewoks aus dem dritten "Star Wars"-Film noch als verzeihbarer künstlerischer Missgriff und kleineres Übel hingenommen wurden, wurde bei der Vorstellung der digital überarbeiteten Versionen der ersten drei Filme in den späten 90er Jahren bereits deutlich vernehmbar Unmut laut. Den Puristen unter den Fans ging die Bearbeitung zu weit, sie forderten die billiger gemachten Originalversionen zurück. Als dann mit Episode 1 der erste der drei neuen Filme in die Kinos kam, dauerte es nur 24 Stunden bis im Web die Site www.jarjarbinkssucks.com auftauchte. Bis heute ist das schlappohrige Wesen vom Planeten Naboo ein rotes Tuch für die Fans – geben Sie in Google einfach mal „jar jar binks sucks“ ein.

Ein neuer Dokumentarfilm mit dem Titel "The People vs. George Lucas" nimmt sich nun des Themas an. Interviewt werden Fans, Kritiker und Macher von Star Wars, und es geht unter anderem um die Frage, inwieweit ein Regisseur wie Lucas, der einen eigenen Zweig der Popkultur erschaffen und kräftig daran verdient hat, nun auch verantwortlich dafür ist. Oder: Wie frei kann ein Geschichtenerzähler wie Lucas noch entscheiden, wenn sich seine Geschichten im Laufe der Jahre verselbstständigt haben?

Nachtrag: Um die "Star Wars"-Filme und den um sie herum entstandenen Kult ging es bereits hier und hier in meinem Blog.

"The People vs. George Lucas" läuft im Rahmen des Münchner Filmfests am 29. Juni und 3. Juli im Cinemaxx. Weitere Infos gibt es hier.

Der englische Trailer:

Ein Interview mit dem Fan Corey Vidal, der auch im Film auftaucht:

Bearbeitet: Dienstag 28 Dezember 2010 15:45

Die meistgelesene Zeitung der Welt

Geschrieben am Sonntag 13 Juni 2010 um 11:32 von Roland Freist

Einer der ersten Einträge in diesem Blog war der Hinweis auf den Wilhelm Scream, eine Art Insider-Witz unter den Soundeffekten, der seit den 50er Jahren in Dutzenden von Filmen Verwendung fand. Das Film-Blog www.slashfilm.com hat nun auch eine Requisite entdeckt, die seit Jahrzehnten unverändert in Filmen und Fernsehserien auftaucht, von "Dallas" über "Eine schrecklich nette Familie" und "Scrubs" bis hin zu "No Country for Old Men". Es ist eine Zeitung, zum ersten Mal gedruckt in den 60er Jahren, die von den Ausstattern immer wieder verwendet wird. Das Online-Magazin slash.com ist der Sache nachgegangen und hat die Geschichte der Zeitungsrequisite recherchiert.

Unter diesem Link findet man die Seite zu der ersten Entdeckung, zusammen mit einer Screenshot-Galerie aus diversen Serien und Filmen. Und hier ist die Geschichte der Requisite online.

TV-Kritik: "Boston Legal"

Geschrieben am Montag 07 Juni 2010 um 16:38 von Roland Freist

Republikaner und Demokraten vor Gericht

Heute Abend läuft auf Vox die letzte Folge von "Boston Legal", daher noch einige Worte zum Abschied. Außergewöhnlich war bereits das Konzept, in einer Anwaltsserie Politik und Comedy derart eng miteinander zu verbinden. Wenn sich die beiden Hauptfiguren, der konservativ-republikanische Denny Crane (William Shatner) und der demokratische Alan Shore (James Spader), am Ende jeder Folge bei Whisky und Zigarre auf der Terrasse der Kanzlei trafen, hoch über den Dächern von Boston, besprachen sie nicht nur ihre Fälle und privaten Auseinandersetzungen, sondern immer auch die politisch-gesellschaftlichen Probleme der USA. Die Schlussplädoyers von Shore, meist der Höhepunkt der jeweiligen Folge, formulierten scharfe Anklagen gegen die Todesstrafe, gegen die Kluft zwischen Arm und Reich, Rassismus, die Macht der Großkonzerne, Umweltzerstörung und vieles mehr. Meist stimmten die Geschworenen dann zugunsten von Shores Mandanten. Diese politischen Aspekte hätten bei einer normalen Anwaltsserie die Zuschauer vermutlich scharenweise zum Umschalten bewegt, wenn "Boston Legal" nicht von der ersten Folge an mit einem anarchischen Humor gearbeitet hätte, der leider in den ersten Staffeln öfter auch mal ins Zotige abglitt.

Für die bizarren Momente in der Serie sorgte zuverlässig William Shatner, der für "Boston Legal" seinen bislang einzigen Golden Globe (als bester Nebendarsteller) und dazu noch einen Emmy gewann. Sein Denny Crane ist eine großartige Figur: Der erfolgreichste Strafverteidiger von Boston, der von seinen knapp 6000 Fällen keinen einzigen verloren hat, steinreich, mit einem kaum zu überschätzenden Einfluss in der Stadt, wird langsam aber sicher senil, wiederholt als einziges Argument vor Gericht und anderswo einfach nur noch seinen Namen und beginnt, sich im Laufe der Serie immer mehr in einen pubertären Jugendlichen zurück zu verwandeln – zum großen Entsetzen nicht nur der übrigen Gesellschafter der Kanzlei, sondern auch seiner Mandanten und Gegner im Gerichtssaal. Trotzdem wurde Denny Crane in der Serie nicht als Karikatur eines alten Mannes mit Gedächtnisverlust gezeichnet, sondern die Macher zeigten immer wieder auch das Mitgefühl seiner Freunde und Kollegen, genauso wie die Verzweiflung von Crane selbst, der um seinen gesundheitlichen Zustand wusste.

Und noch weitere Merkmale heben "Boston Legal" aus der Masse heraus: Es war die einzige populäre Serie, deren Hauptfiguren allesamt bereits jenseits der 50 waren. Dass die sie umgebenden Anwaltsgehilfen und angestellten Anwälte deutlich jünger waren, liegt in der Natur der Sache und führte letztlich nur dazu, dass diese Figuren mit einer bemerkenswert hohen Frequenz von Staffel zu Staffel ausgetauscht wurden. Während der vierten Staffel thematisierten die Drehbuchschreiber zudem immer wieder den parallel zur Ausstrahlung laufenden Wahlkampf von Obama gegen McCain, bis Denny Crane in der letzten Folge zugab, dass sogar er für den Demokraten gestimmt hatte. Kein Wunder also, dass es heute Abend in der letzten Folge zur Hochzeit zwischen Crane und Shore kommt. Damit erhält dann auch die wohl am längsten dauernde TV-Liebesbeziehung zwischen zwei Hetero-Männern einen würdigen Abschluss.

"Boston Legal" in der IMDB

Einfach nur ... Denny Crane:

Bearbeitet: Freitag 29 November 2013 17:57

Die zehn wichtigsten Zombie-Filme

Geschrieben am Dienstag 01 Juni 2010 um 15:12 von Roland Freist

Unter der Überschrift "Braaaains! The 10 essential zombie films" hat Matt Zoller Seitz für das Online-Magazin salon.com eine kommentierte Liste mit den zehn wichtigsten Zombie-Filmen zusammengestellt. Ich hätte zwar "28 Weeks Later" durch das Remake "Dawn of the Dead" von Zack Snyder ersetzt, ansonsten aber wäre meine Reihenfolge wohl ähnlich ausgefallen. Hier also die Liste, in Klammern stehen - falls vorhanden - die deutschen Verleihtitel:

1. "Dawn of the Dead" ("Zombie")

2. "28 Days Later ..." ("28 Tage später")

3. "Night of the Living Dead" ("Die Nacht der lebenden Toten")

4. "Shaun of the Dead" ("Ein Zombie kommt selten allein")

5. "The Crazies" ("Crazies")

6. "Braindead"

7. "Dellamorte Dellamore"

8. "28 Weeks Later" ("28 Wochen später")

9. "I Walked with a Zombie"

10. "Zombie 2" ("Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies")

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