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Filmkritik: "Alita: Battle Angel"

Die Kampfmaschine

Wie sieht die Zukunft der Menschheit aus? Die Comic-Verfilmung "Alita" zeichnet ein düsteres Bild. 300 Jahre nach dem "Großen Krieg" zwischen Erde und Mars, im Jahr 2563, ist nur noch eine Stadt übriggeblieben. Iron City ist ein überfüllter Schmelztiegel der Kulturen und Sprachen, alle Überlebenden des Krieges haben sich hierher geflüchtet. Über der Stadt schwebt die letzte der vormals zwölf reichen Himmelsstädte, Zalem, eine große, am Boden verankerte Scheibe, auf der angeblich paradiesische Zustände herrschen. Wer jetzt sagt, das habe ich schon mal gesehen, hat völlig recht: Die Ausgangskonstellation erinnert stark an Filme wie etwa "Elysium".

In Iron City lebt der Wissenschaftler Dr. Dyson Ido (Christoph Waltz), der sein Geld mit der Reparatur defekter Cyborgs verdient. Er findet eines Tages auf dem Schrottplatz die Überreste eines älteren Modells, das Gehirn ist noch intakt. Ido nimmt den Körper mit nach Hause, vervollständigt ihn, weckt ihn wieder auf, und voilà, da ist Alita (Rosa Salazar) ein Teenager mit einer, wie sich herausstellt, etwas überdimensionierten Energiequelle als Herz (es würde ausreichen, um Iron City mehrere Jahre lang mit Strom zu versorgen, erklärt Dr. Ido), aber leider ohne Erinnerung daran, wer oder was sie zuvor war. Wie nicht anders zu erwarten, kommt die Erinnerung jedoch in kleinen Portionen wieder zurück (auch dieses Motiv kennen wir bereits, siehe etwa "Tödliche Weihnachten" mit Geena Davis) und es stellt sich heraus, dass es sich bei Alita um eine Kampfmaschine handelt, geschaffen, um keinem Konflikt aus dem Weg zu gehen.

Es folgen einer Reihe weiterer Elemente, die allesamt schon mal auf der Leinwand zu sehen waren: Ein rasantes Ballspiel namens Motorball, das verflucht an den SF-Klassiker "Rollerball" erinnert, Kopfgeldjäger, die die Rolle der Polizei übernommen haben, und ein Gangster, der in einer chaotischen Welt die Fäden in der Hand hält. Nichts davon ist neu. Das ist auch legitim, ein Regisseur muss nicht immer alles wieder neu erfinden. Doch wenn ein Film auf bekannte Versatzstücke zurückgreift, interessiert man sich vor allem dafür, was er daraus macht und wie er sie zusammenfügt. Und an dieser Stelle zeigt "Alita" beachtliche Qualitäten.

Das Drehbuch stammt von James Cameron und Laeta Kalogridis ("Shutter Island"), Cameron wollte ursprünglich auch die Regie übernehmen, sagte dann jedoch zugunsten seiner diversen Avatar-Projekte ab, und Robert Rodriguez ("Desperado") übernahm. "Alita" ist dennoch kein typischer Rodriguez-Film geworden, lediglich bei den Kämpfen der Cyborgs fühlt man sich teilweise an die Gewaltdarstellung seiner sonstigen Arbeiten erinnert.

Technisch ist der Film absolut perfekt. Er basiert auf dem Manga-Comic "Battle Angel Alita" von Yukito Kishiro. Um die Atmosphäre der Comics einzufangen, hat man der Hauptdarstellerin die typischen übergroßen Augen und die immer leicht unnatürlich wirkenden, tiefschwarzen Haare verliehen. Beeindruckend ist die Darstellung der Cyborgs, Roboter ohne Außenhaut, auf deren Stahlskulpturen menschliche Gesichter sitzen. Hinzu kommt das aufwendig inszenierte Gewusel auf den Straßen von Iron City. Bei der Produktion von "Alita" wurde nicht gespart, was sich James "Mir egal, was das kostet" Cameron wohl auch verbeten hätte. Davon zeugt auch die hochkarätige Besetzung, neben Christoph Waltz spielen auch die Oscar-Gewinner Mahershala Ali als Gangster und Jennifer Connelly als Idos Ex-Frau mit.

Wichtiger ist jedoch die Hauptdarstellerin. Rosa Salazar, bekannt geworden durch die Maze-Filme, gelingt es, ihrem Cyborg mit dem stählernen Herzen so viele menschliche Züge zu verleihen, dass man bereits wenige Minuten nach ihrer Auferstehung mit ihr mitfiebert und mitleidet. Eine bemerkenswerte Leistung wenn man bedenkt, dass große Teile ihres Körpers und vor allem des Gesichts per Computer verändert und animiert wurden.

"Alita" ist klassische, gut gemachte Mainstream-Science-Fiction. Sucht man nach einer tiefergehenden Bedeutung, so sind vor allem die Cyborgs interessant. Es wird nie geklärt, wo der Mensch aufhört und der Cyborg beginnt beziehungsweise, ob diese Wesen mit den Metallkörpern und den austauschbaren Gliedern ein menschliches oder ein Computer-Hirn besitzen. Die Grenzen zwischen Mensch und Maschine sind fließend, eine eindeutige Unterscheidung gibt es nicht mehr. Alita verliebt sich in den Schrottsammler Hugo (Keean Johnson) und zeigt dabei sehr menschliche Gefühle. Dennoch fragt sie zur Sicherheit noch einmal bei Christoph Waltz nach: Können Cyborgs und Menschen überhaupt eine Beziehung führen?

"Alita" wurde von den meisten Kritikern als eher mittelmäßig eingestuft, viele vermissten den Charme der Comic-Vorlage oder bemängelten das unbefriedigende Ende. Doch es ist ein guter Film, hochprofessionell gemacht und vielleicht einer der am meisten unterschätzten SF-Streifen der letzten Jahre.

"Alita: Battle Angel" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Dienstag 26 Februar 2019 um 23:19 von Roland Freist

Bearbeitet: Freitag 01 März 2019 10:53

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