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Archiv vom Februar 2011

Die Goldenen Himbeeren 2011

Geschrieben am Sonntag 27 Februar 2011 um 11:28 von Roland Freist

Am Vorabend der Oscar-Verleihung werden traditionell die Razzie Awards verteilt, die Goldenen Himbeeren für die schlechtesten Filme und Schauspieler der letzten Saison. Im vergangenen Jahr kamen auch noch die Preise für die schlechtesten Leistungen des Jahrzehnts hinzu (hier mein Bericht), ein Wettbewerb, den "Battlefield Earth" von John Travolta sowie Paris Hilton und Eddie Murphy für sich entscheiden konnten. Zudem gab es das Novum, dass Sandra Bullock nicht nur eine Goldene Himbeere (für "Verrückt nach Steve") gewann, sondern am folgenden Abend auch noch einen Oscar (für "Blind Side - Die große Chance") mit nach Hause nehmen konnte. Außerdem ist sie eine der wenigen Preisträgerinnen in der Geschichte der Razzie Awards, die ihre Himbeere persönlich abholte.

In diesem Jahr sind "Die Legende von Aang" und "Sex and the City 2" die großen Gewinner. Hier die vollständige Liste:

Schlechtester Film:

"Die Legende von Aang"

Schlechtester Schauspieler:

Ashton Kutcher für "Kiss & Kill" und "Valentinstag"

Schlechteste Schauspielerin:

Sarah Jessica Parker, Kim Cattrall, Kristin Davis und Cynthia Nixon für "Sex and the City 2"

Schlechteste Nebendarstellerin:

Jessica Alba für "The Killer Inside Me", "Meine Frau, unsere Kinder und ich", "Machete" und "Valentinstag"

Schlechtester Nebendarsteller:

Jackson Rathbone für "Die Legende von Aang" und "Eclipse - Biss zum Abendrot"

Schlechtestes Leinwandpaar/Ensemble:

Alle Darsteller von "Sex and the City 2"

Schlechtester Regisseur:

M. Night Shyamalan für "Die Legende von Aang"

Schlechtestes Drehbuch:

"Die Legende von Aang", geschrieben von M. Night Shyamalan

Schlechtestes Remake oder schlechtestes Sequel:

"Sex and the City 2"

Schlechteste Verwendung von 3D (eine neu eingeführte Kategorie):

"Die Legende von Aang"

Bearbeitet: Sonntag 27 Februar 2011 13:48

Filmkritk: "True Grit"

Geschrieben am Donnerstag 24 Februar 2011 um 22:48 von Roland Freist

A Country for Old Men

Seit ich bewusst Filme sehe, also etwa seit Anfang der 70er Jahre, wurden neu gedrehte Western immer als Neo-Western bezeichnet. Die Filme hießen "Heaven’s Gate", "Young Guns", "Silverado", "Erbarmungslos" oder "Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada", die Helden waren entweder gebrochene Charaktere, Anti-Helden also, oder so junge und lebensfrische Gestalten, wie sie sonst nur in Ritterfilmen auftreten. Irgendwann Ende der 60er Jahre schien der echte, traditionelle Western verschwunden zu sein, vielleicht tatsächlich mit dem Italo-Western und "Spiel mir das Lied vom Tod", wie einige Kritiker damals behaupteten. Vielleicht war aber tatsächlich das Original von "True Grit", gedreht 1969, der letzte der wahren Western, der Film, für den John Wayne seinen Oscar bekam. Dann wäre das nun erschienene Remake von den Coen-Brüdern der erste echte Western, der zu meiner Zeit erschienen ist, denn es handelt sich unzweifelhaft um einen Western im traditionellen Stil. Die Bezeichnung Neo ist hier unangebracht.

Jeff Bridges spielt die Rolle des Marshals Rooster Cogburn, die Rolle also, die einst John Wayne verkörperte. Er wird von der 14jährigen Mattie Ross (Hailee Steinfeld) angeheuert, um den Mörder ihres Vaters zu suchen. Sie sollte eigentlich nur seine Leiche zurück zu ihrer Familie bringen. Aber da der Tod ihres Vaters niemanden besonders zu kümmern scheint und die Verfolgung seines Mörders auf der Prioritätenliste des Sheriffs ganz unten steht, beschließt sie, die Dinge selber in die Hand zu nehmen. Mit enormer Willenskraft und Durchsetzungsvermögen besorgt sie sich Geld und überredet damit Rooster Cogburn, dem mutmaßlichen Mörder Tom Chaney (Josh Brolin) ins Indianergebiet zu folgen, um ihn festzunehmen und vor ein Gericht zu bringen. Und sie schafft es sogar, dass der Marshal sie als Begleiterin akzeptiert. Zu ihnen gesellt sich noch ein Texas Ranger names LaBoeuf (Matt Damon), der Chaney wegen einiger Verbrechen in Texas ebenfalls auf den Fersen ist und auf die dort ausgesetzte Belohnung scharf ist.

Obwohl nur als Nebenrolle aufgeführt, ist Mattie Ross die eigentliche Hauptperson des Films. Sie treibt die Handlung voran, der Film wird durch ihre Augen erzählt. Für Hailee Steinfeld war es die erste große Rolle ihres Lebens, zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war sie gerade einmal 13 Jahre alt. Und sie ist wirklich toll, wie sie mit den wesentlich älteren Männern spricht und ihnen gegenüber auftritt. Sie will Gerechtigkeit, und man versteht, dass sie damit die Trauer um ihren Vater zu bewältigen sucht. Die anderen Darsteller stehen ihr in nichts nach. Jeff Bridges ist immer gut, aber das ist mal wieder eine Rolle, in die er sich so richtig reinlegen kann. Er gibt einen wunderbaren Rooster Cogburn ab, alt, versoffen, mit dreckigen Klamotten und fettigen Haaren, aber mit Ehre im Leib. Matt Damon gelingt es, mit dem prahlerischen LaBoeuf einen Charakter zu erschaffen, wie man ihn von ihm noch nicht gesehen hat. Und Josh Brolin kauft man sofort ab, dass sein Tom Chaney intellektuell völlig überfordert ist, als er erfährt, dass er von einem 14jährigen Mädchen verfolgt wird.

"True Grit" ist nicht der erste Western der Coen-Brüder. Auch "No Country for Old Men" war einer, allerdings aus der Kategorie Neo. Damals war die Geschichte irgendwann einfach zu Ende, das Geld war weg, die Drogen waren weg, und die Hauptdarsteller hatten sich einer nach dem anderen weitgehend unspektakulär aus dem Film verabschiedet. Das ist diesmal anders. "True Grit" erzählt eine einfache Geschichte, in der es um Rache, Recht und Gerechtigkeit geht. Es gibt einen eindeutigen Anfang und einen eindeutigen Schluss. Die ganze Lust an skurrilen Erzählungen und Anekdoten, die die Filme der Coens sonst auszeichnet, sie ist nur als ganz schwaches Echo zu vernehmen, etwa wenn Cogburn dem Mädchen von seinen gescheiterten Ehen erzählt. Die Charaktere sind, sagen wir mal, farbig, doch nie übertrieben. "True Grit" ist in gewissem Sinne das Gegenstück zu "No Country for Old Men". Es ist ein Film, der den Western ernst nimmt, zwar mit moderner Kameraführung und Schnitttechnik gedreht, doch mit großem Respekt vor der langen Tradition des Genres.

"True Grit" in den IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 16:24

Filmkritik: "127 Hours"

Geschrieben am Sonntag 20 Februar 2011 um 20:45 von Roland Freist

Unter dem Felsen

127 Stunden – das ist die Zeit, die Aron Ralston (James Franco) in einer Felsspalte festsitzt. Freitagabend war er aufgebrochen in die Canyonlands, einen Nationalpark in Utah. Samstagmorgen fährt er zunächst mit dem Mountain Bike los, macht sich dann später zu Fuß auf den Weg. Er trifft zwei Mädchen, begleitet sie ein Stück, bekommt beim Abschied eine Partyeinladung für den nächsten Abend. Dann geht er allein weiter, passt einen Moment nicht auf und fällt in besagte Spalte, wobei sich ein Felsbrocken löst und ihm den rechten Arm einquetscht. In diesem Moment erscheint der Titel des Films, "127 Hours". Die Uhr läuft.

Ralston hat kein Handy dabei und würde vermutlich ohnehin keinen Empfang bekommen. Niemand weiß, wo er ist. Auf Tage hinaus wird ihn niemand vermissen. Die Spalte, in die er gestürzt ist, liegt weit abseits jedes Weges, es ist unwahrscheinlich, dass jemand vorbeikommen wird. Er zieht und zerrt an seinem Arm. Er hämmert auf den Stein ein, feilt an ihm herum. Er ist gut ausgerüstet mit Riemen, Karabinerhaken und einem Kletterseil, damit baut er sich einen einfachen Flaschenzug, um den Felsbrocken anzuheben. Der jedoch bewegt sich keinen Millimeter. Allmählich geht ihm das Wasser aus, er trinkt seinen Urin, hat Halluzinationen. Er sieht seine Eltern vor sich, seine Ex-Freundin.

Dann, nach fünf Tagen fasst er einen Entschluss. Die eingeklemmte Hand ist längst abgestorben. Ralston hat eine billige Kopie eines Leatherman Tools dabei. Er bindet seinen Arm ab, bricht sich selbst den Knochen, klappt das Taschenmesser aus und schneidet den Arm ab. Die rund drei Minuten dauernde Sequenz, in der der Film diese blutige Prozedur zeigt, ist nichts für Menschen mit einem empfindlichen Magen. Danach ist Ralston frei. Nach einigen Stunden Fußmarsch trifft er auf andere Wanderer, die ihm Wasser geben und Hilfe holen. Aron Ralston überlebt.

"127 Hours" beschreibt eine wahre Begebenheit aus dem Jahr 2003. Die Geschichte ging damals weltweit durch die Presse, das Ende kann als bekannt vorausgesetzt werden. Der Film kann seine Spannung daher nicht aus der Ungewissheit über das Schicksal seines Protagonisten gewinnen, sondern muss die Zuschauer auf andere Art und Weise bei der Stange halten. Das gelingt zum einen durch die verschiedenen Versuche von Ralston, sich zu befreien. Am Anfang packt er seinen Rucksack aus und überlegt, wie er seine Ausrüstung nutzen kann, um den Felsbrocken zu bewegen und aus der Spalte zu entkommen. Und der Zuschauer überlegt mit: Hätte es noch eine andere Möglichkeit gegeben, an die Ralston nicht gedacht hat?

Gleichzeitig lernen wir Ralston sehr gut kennen. Er hat eine Videokamera dabei, mit der er seinen Ausflug dokumentiert. Er macht Aufnahmen von sich selbst, spricht in die Kamera. Vor allem redet er mit seinen Eltern, entschuldigt sich bei ihnen, will klaren Tisch machen und diktiert eine Art Testament. Die Halluzinationen nehmen zu, er wird immer schwächer und weinerlicher. Und dann, in einem seiner letzten klaren Momente, beschließt er, dass er noch nicht sterben will. Er erkennt, dass es nur einen Weg gibt, aus dieser Situation herauszukommen. Er reißt sich zusammen und tut, was getan werden muss.

Der Hauptdarsteller, James Franco, hat derzeit einen Lauf. Er wird für gute Filme engagiert, in denen er gute Rollen bekommt ("Milk", "Howl"). Und am 27. Februar wird er zusammen mit Anne Hathaway die Oscars präsentieren. "127 Hours" ist über weite Strecken ein Ein-Personen-Stück. Da braucht es einen Schauspieler, dem man gerne zusieht, damit der Film funktioniert. Und Franco bekommt das hin. Er ist auch genau der richtige Typ für die Rolle, man kauft ihm den sportbegeisterten, abenteuerlustigen Großstadtflüchtling sofort ab.

"127 Hours" ist kein Meisterwerk, aber ein durchaus sehenswerter Film. Man beginnt zu überlegen, ob man selbst in der Lage wäre, in der gleichen Situation das Gleiche zu tun wie Aron Ralston. Vermutlich eher nicht, vor allem, da einem der Film plastisch vor Augen geführt hat, mit welch wahnsinnigen Schmerzen das Durchtrennen einer Armsehne verbunden ist. Andererseits würde man sich wohl auch nie allein in einem menschenverlassenen Wüstengebiet herumtreiben. Aber weiß man, was alles passieren kann?

"127 Hours" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Der echte Aron Ralston erklärt, wie er seinen Arm amputierte:

Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 16:24

"The Black Mamba"

Geschrieben am Samstag 19 Februar 2011 um 17:22 von Roland Freist

Robert Rodriguez reiht sich ein in der Riege der großen Videoclip-Regisseuren. Wie vor ihm schon Ridley Scott, Martin Scorsese oder Alejandro González Iñárritu hat er einen wahrhaft grandiosen Werbespot gedreht. In der Hauptrolle des im Auftrag von Nike produzierten Clips ist Kobe Bryant von den LA Lakers zu sehen, einer der besten Basketball-Spieler der Welt, in den Nebenrollen tauchen Danny Trejo, Bruce Willis und Kanye West auf. Oh, und natürlich spielt Robert Rodriguez selbst mit. Zusammen mit Bryant entwirft er in fünf Minuten Szene für Szene einen wüsten Action- und Horror-Film mit dem Titel "The Black Mamba" (ein Spitzname, den sich Kobe Bryant selber gegeben hat), in den die beiden alles reinpacken, was cool ist ̶ wodurch eine wunderbare ironische Distanz entsteht. Große Klasse.

Bearbeitet: Sonntag 20 Februar 2011 22:25

Filmkritik: "The King's Speech"

Geschrieben am Freitag 18 Februar 2011 um 15:18 von Roland Freist

Sprechen wie ein König

In den 30er Jahren geriet die englische Monarchie in eine schwere Krise. Als König George V. im Januar 1936 starb, ging die Krone zunächst planmäßig an den ältesten Sohn Edward VIII. über. Der jedoch wurde bereits seit einiger Zeit vom gesamten Inner Circle der britischen Monarchie sorgenvoll beobachtet, da er ein Verhältnis mit einer verheirateten Amerikanerin namens Wallis Simpson unterhielt. Denn es war ausgeschlossen, dass der englische König eine geschiedene Frau heiraten könnte. Als daher Wallis Simpson beschloss, sich für ihn scheiden zu lassen, verzichtete er auf den Thron und dankte am 11. Dezember 1936 ab, nach gerade einmal zehn Monaten Regentschaft. Nachfolger wurde sein jüngerer Bruder Albert, der den Namen George VI. annnahm.

Soweit der historische Hintergrund von "The King’s Speech". Der Film setzt einige Jahre vor diesen Ereignissen an. Die erste Szene zeigt Albert (Colin Firth) bei der Eröffnung der British Empire Exhibition im Jahre 1925. Er soll vor einer großen Menschenmenge in ein Mikrofon sprechen – und es geht nicht. Albert stottert. Er findet keine Worte. Nach einer langen, quälenden Pause, in der alle Blicke auf ihn gerichtet sind, kommen ein paar nahezu unverständliche Wörter aus seinem Mund, dann ist wieder Pause. Albert leidet. Keine Chance, dass dieser Mann jemals eine Thronansprache halten wird. Aber das wird er ja auch nach dem damaligen Stand der Dinge niemals müssen.

Unterstützt von seiner Frau Elizabeth (Helena Bonham Carter), die später als Queen Mum bezeichnet und steinalt wurde, sucht er nach Therapien, um sein Stottern loszuwerden. Aber es hilft alles nichts. Schließlich stößt sie auf den australischen Schauspieler Lionel Logue (Geoffrey Rush), der es mit einer selbstentwickelten Behandlungsmethode versuchen will.

Was dann folgt, ist eine eigenwillige Mischung aus psychologischer Therapie und praktischen Sprachübungen. Logue besteht darauf, dass Albert ihn Lionel nennt, er darf ihn dafür Bertie rufen. Die beiden Männer sprechen auf Augenhöhe miteinander, was laut Logue ein wichtiger Bestandteil der Behandlung sein wird. Wenn Albert seine Worte nicht sprechen kann, fordert Logue ihn auf, die Texte zu singen, wodurch das Stottern unterdrückt wird. Bei einer anderen Übung trainiert der spätere König sein Zwerchfell, indem er sich auf den Rücken legt, seine Frau setzt sich auf seinen Bauch, und er hebt sie an. Langsam erzielt er Fortschritte.

Als Albert schließlich König wird, was er nie wollte und wofür er eigentlich auch nicht vorbereitet war, gibt es zwei große Ereignisse, bei denen er in der Öffentlichkeit sprechen muss. Bei der Krönungszeremonie kommt er noch glimpflich davon, er muss nur einige wenige Worte sagen. Doch bald darauf beginnt der zweite Weltkrieg, und der König soll sein Volk übers Radio auf Englands Kriegseintritt einstimmen. Das ist "The King’s Speech", der entscheidende Moment, auf den der Film zusteuert (die Original-Rede kann man sich übrigens im Netz anhören – Link siehe unten).

Und es ist ein ganz ausgezeichneter Film. "The King’s Speech" könnte schnell zum Tränendrüsendrücker werden, bei dem ganzen Mitleid, das er für den sprachbehinderten Thronfolger weckt. Doch das tut er nicht. Verantwortlich dafür sind vor allem der Humor und teilweise auch die Komik des Films. Zum einen ist Lionel Logue als Australier erkennbar ein Verächter der Monarchie. Er gibt ständig wunderbar ironische Statements zur Etikette und den Vorgängen am Hofe von sich. Als ihm Albert vom Verhältnis seines Bruders zu der verheirateten Wallis Simpson erzählt, "noch dazu eine Amerikanerin", kommentiert Logue das mit: "Ja, Prinzessin Wallis von Baltimore – das geht nicht." Aber auch Albert selbst ist nicht ohne Humor. Vor allem gelingen ihm immer wieder, in typisch englischer Manier, selbstironische Bemerkungen über sein Stottern und die langen Pausen, in denen er kein Wort herausbringt. Als Zuschauer genießt man natürlich auch die Szenen inmitten seiner Familie, etwa wenn er für seine beiden Töchter Elizabeth und Margaret einen Pinguin spielt. Die heutige Queen Elizabeth II. hat den Film übrigens bereits gesehen und soll mit der Darstellung ihres Vaters ganz zufrieden gewesen sein.

Die Hauptdarsteller spielen durch die Bank grandios. Colin Firth sieht man die Verspannungen und die Angst vor den großen Auftritten deutlich an. Gleichzeitig behält er jedoch immer den Habitus des vom Hofpersonal gedrillten Mitglieds der königlichen Familie bei. Im Zuge der Erfolge im Kampf gegen das Stottern wird auch seine Haltung ständig sicherer. Als er zum Schluss die große Aufgabe gemeistert hat, hat er tatsächlich die Haltung eines Königs.

Geoffrey Rush, der tatsächlich Australier ist, steht Firth kaum nach. Er ist ein unglaublich wandlungsfähiger Schauspieler, der in "Fluch der Karibik" einen Piratenkapitän genauso glaubwürdig verkörpern kann wie in Steven Spielbergs "München" den strategisch denkenden Mossad-Agenten oder jetzt eben den weitgehend mittellosen Sprachtrainer, der plötzlich einem Mitglied der königlichen Familie gegenübersteht. Man spürt, dass Lionel Logue seinen Patienten mag, sich seine ironischen Bemerkungen jedoch nicht verkneifen kann oder will. Er durchschaut Albert, versteht, was in einer Situation in ihm vorgeht und reagiert darauf.

Und Helena Bonham Carter schließlich gelingt es auch in der Rolle der in Etikette gezwängten Prinzgemahlin wieder, ihren koketten Charme zu entfalten. Im Vergleich mit früheren Rollen nimmt sie sich zwar etwas zurück, aber sie entfaltet trotzdem, wie eigentlich immer, eine ungeheure Leinwandpräsenz. Am schlechtesten schneidet noch die vierte Hauptperson ab, der von Guy Pearce gespielte Edward VIII., der schnöselig und oberflächlich wirkt.

Firth, Rush und Carter sind jeweils für einen Oscar vorgeschlagen, und das sind nur drei von insgesamt zwölf Nominierungen, die der Film bekommen hat. Und das zu Recht. Denn "The King’s Speech" ist, mehr als irgendein anderer Film dieser Saison, wirklich großes Kino.

"The King's Speech" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Die BBC hat anlässlich des Films die Original-Rede von George VI. aus dem Archiv gekramt, digitalisiert und ins Netz gestellt. Sie ist nur etwa sechs Minuten lang. Man hört deutlich, wie der König mit den Wörtern kämpft, wie er immer wieder kurze Pausen einlegt, um sein Stottern nicht zu verraten. Und man hört auch, dass er zu allem Überfluss auch noch lispelte, was im Film jedoch nicht thematisiert wird. Hier geht es zu der BBC-Seite mit der Aufnahme und einigen Erklärungen zur Entstehungsgeschichte.

Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 16:24

TV-Tipp: "Burn Notice"

Geschrieben am Montag 14 Februar 2011 um 18:03 von Roland Freist

In den Nischen der Privatsender finden sich immer wieder echte Perlen der US-Serienproduktion. Vox hat bereits seit einigen Jahren ein gutes Gespür für außergewöhnliche Serien gezeigt. Leider ließ es der Sender oftmals an der notwendigen Werbung fehlen, so dass vieles davon nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit lief. Andererseits können sich natürlich nur so kleine, exklusive Fanzirkel bilden, deren Angehörige sich stolz als early adopters fühlen dürfen.

So verhält es sich auch mit "Burn Notice", einer Krimiserie, die Vox am Montagabend kurz nach 22 Uhr ausstrahlt. Eine Burn Notice ist laut der Erklärung des eloquenten Protagonisten Michael Westen (Jeffrey Donovan) eine Art Kündigungsschreiben für Geheimagenten. Das ist dann auch der Ausgangspunkt der ersten Staffel: Westen wurde nach mehreren Jahren im Dienst der CIA gefeuert, seine Kreditkarten funktionieren nicht mehr, seine Identität wurde gelöscht. Der ehemalige Spion sitzt in Miami fest und schlägt sich Woche für Woche als eine Art Privatdetektiv durch, allerdings einer der etwas ruppigeren Art. Michael Westen beschattet keine untreuen Ehepartnern und sucht auch nicht nach entlaufenen Teenagern, sondern er löst Probleme mit Drogenhändlern, Kidnappern und dem organisierten Verbrechen. Dabei helfen ihm immer wieder seine Erfahrung und seine Ausbildung aus der Zeit bei der CIA. Neben dieser Auftragstätigkeit verfolgt er aber auch ein größeres Ziel: Westen will wieder zurück zur CIA und versucht herauszufinden, wer ihn aus welchen Gründen kaltgestellt hat. Das gibt der Serie eine schöne, locker verfolgte Storyline.

Was "Burn Notice" von anderen Produktionen mit ähnlicher Thematik abhebt, ist die Ironisierung des Geschehens, die durch Michaels ständige Kommentare aus dem Off zustande kommt – eine Technik, die so ähnlich auch "Magnum" verwendete, das damit Hollywoods schwarze Serie zitierte und teilweise auch parodierte. Als stünde er vor einer Klasse von CIA-Kadetten, erklärt Michael Westen in schulmeisterlichem Ton, wie man etwa ein effektives Verhör durchführt, eine Fabrik ausräuchert, Bomben baut, Wanzen setzt (Tipp: möglichst im Handy platzieren, so ist schon mal die Stromversorgung gesichert) oder sich selbst vor Überfällen und Abhören schützt. So habe ich beispielsweise gelernt, dass Geheimdienste gerne Wohnungen abhören, indem sie mit einem Laserstrahl die Schwingungen der Fenster abtasten und wieder in Sprache umsetzen. Was man dagegen tun kann? Michael Westen empfiehlt, sich bei wichtigen Gesprächen einfach mit dem Rücken ans Fenster zu lehnen. Dadurch würden die Schwingungen praktisch vollständig unterdrückt. So einfach ist das. Und weil es so einfach ist, haben diese Tipps auch etwas sehr Komisches.

Die Serie wäre aber nur halb so gut ohne Michaels kleine Familie. Da ist zum einen seine Ex-Freundin Fiona (Gabrielle Anwar), ein ehemaliges IRA-Mitglied, klein, tough, sexy und mit einer Vorliebe für Sniper-Gewehre und Sprengstoff. Hilfe kommt auch von seinem alten Kumpel Sam, einem ewig Bier trinkenden Goldkettchenträger mit Kontakten zum FBI. Sam wird gespielt Bruce Campbell, der in den 80er Jahren als Hauptdarsteller der "Tanz der Teufel"-Filme von Sam Raimi Kultstatus erlangte und hier endlich mal wieder in einer größeren Rolle zu sehen ist. Und schließlich gibt es da noch Michaels Mutter Madeline, eine kettenrauchende Frührentnerin, wunderbar voller Besorgnis gespielt von Sharon Gless, ehemals die blonde Hälfte des Polizisten-Duos "Cagney & Lacey". Das sind natürlich Charaktere wie aus einem Comic-Buch, und es besteht die Gefahr, dass die gesamte Serie in eine oberflächliche Aneinanderreihung von Action-Szenen und coolen Sprüchen abdriftet. Doch die Drehbuchautoren arbeiten sehr diszipliniert und halten "Burn Notice" immer in der feinen Balance zwischen einer ernsthaften Krimiserie und einer Parodie.

In Deutschland zeigt Vox derzeit die dritte Staffel von "Burn Notice", in den USA ist man bei Staffel Nummer sechs angekommen. Es ist also zu hoffen, dass die Serie noch eine Weile bei uns zu sehen sein wird.

"Burn Notice" in der IMDB

Der amerikanische Trailer:

Bearbeitet: Sonntag 20 Februar 2011 21:40

Das Filmalphabet

Geschrieben am Sonntag 13 Februar 2011 um 17:20 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 13 Februar 2011 17:28

Standardsätze in Hollywood-Filmen (2)

Geschrieben am Sonntag 06 Februar 2011 um 18:05 von Roland Freist

Nach "We've got company" und "Get out of there!" (die ich hier bereits vorgestellt hatte) zwei weitere Standardsätze aus dem Wortschatz von Hollywood-Filmen:

1. "Now, if you'll excuse me ..."

2. "Blah blah blah"

Bearbeitet: Sonntag 06 Februar 2011 18:13

Filmkritik: "Another Year"

Geschrieben am Mittwoch 02 Februar 2011 um 16:30 von Roland Freist

Ein ganz normales Jahr

In "Another Year" geht es um ein Jahr im Leben eines englischen Ehepaars, das im Norden von London ein eigenes Haus mit kleinem Garten bewohnt. Tom (Jim Broadbent) ist Geologe, Gerri (Ruth Sheen) Psychotherapeutin. Die beiden sind Ende 50/Anfang 60, Intellektuelle, denen man die Hippie-Vergangenheit schon an der Nasenspitze ansieht. Sie verständigen sich miteinander oft nur über Blicke oder kleine Gesten, man erkennt die große Vertrautheit, die zwischen ihnen herrscht. Andere Menschen behandeln sie gleichbleibend freundlich und rücksichtsvoll, sie umarmen viel, sind immer kontrolliert, verständnisvoll und ausgeglichen. Wenn sich jemand in ihrer Umgebung einmal gehen lässt, unfreundlich oder sogar beleidigend wird, wechseln sie vielsagende Blicke und versuchen, ihn oder sie mit sanften Worten zu beruhigen. Mit anderen Worten: Sie können einem gehörig auf die Nerven gehen. Ich hätte mir gewünscht, dass sie wenigstens einmal "Scheiße" sagen, sich betrinken oder sich sonst irgendwie daneben benehmen, dadurch wären sie mir deutlich sympathischer geworden. Passiert aber nicht.

Auf der anderen Seite ist das genau die Stärke dieses Films. Er erschafft Charaktere, die man mag oder auch nicht mag, über deren Missgeschicke man sich amüsiert oder die einen mit ihrer Art ganz hibbelig machen – aber es sind glaubwürdige Charaktere, wie sie jeder aus seinem eigenen Freundes- und Kollegenkreis kennt. Während sich andere Filme oft mit einigen wenigen, groben Strichen begnügen, um ihre Figuren zu zeichnen, nimmt sich der britische Regisseur Mike Leigh in "Another Year" voller Neugierde die Zeit, immer neue Facetten seiner Protagonisten erforschen.

Neben Gerri und Tom ist das vor allem Mary (Lesley Manville), die im gleichen Krankenhaus wie Gerri als Sekretärin arbeitet. Sie leidet an ihrem Alter und den verpassten Chancen ihres Lebens, zieht sich an wie eine Dame und benimmt sich wie ein verwirrter Teenager. Und sie trinkt zu viel. Gerri und Tom nehmen sie genauso an ihrem Küchentisch auf wie Toms alten Jugendfreund Ken (Peter Wight). Er ist übergewichtig, starker Raucher, kräftiger Trinker und kämpft ebenfalls mit seinem Alleinsein. Hinzu kommen noch der Sohn Joe (Oliver Maltman), seine neue Freundin und Toms Bruder Ronnie, der gerade seine Frau verloren hat. Diese Beschreibungen hören sich depressiv an, das jedoch ist nicht die Stimmung des Films. Mike Leigh hat einen sehr schönen britischen Humor, der das Entstehen von größeren Sentimentalitäten zuverlässig verhindert.

Eine durchgängige Handlung gibt es nicht. "Another Year" beschreibt Szenen aus dem Leben von Tom und Gerri, geordnet in vier Kapitel, die so heißen wie die vier Jahreszeiten, in denen sie spielen. Es sind kleine Erzählungen, eher Anekdoten, die der Film präsentiert, wie etwa die von dem Auto, das sich Mary für 600 Pfund kauft, um, wie sie sagt, mehr Freiheit zu gewinnen, und das sie nach diversen Pannen und Reparaturen für 20 Pfund wieder verkauft, die sie dann in einer Flasche Champagner anlegt. "Hast du die ganze Flasche getrunken?" fragt Ronnie. Und als sie bejaht, wirft er ihr einen amüsiert-anerkennenden Blick zu. Das ist alles nicht spektakulär, und viele Geschichten und Entwicklungen im Leben der Hauptpersonen sind tatsächlich eher tragisch. Doch "Another Year" zeigt in der nächsten Szene, dass es dann auch wieder anders kommen kann.

Der Film beschreibt ein Jahr im Leben der beiden Hauptpersonen, ein Jahr, wie es zuvor bereits viele gegeben hat und wohl auch noch weiterhin geben wird. Der Film könnte einfach so weiterlaufen, mit den gemeinsamen Essen am Küchentisch oder auch draußen am Grill, mit den großen und kleinen Problemen, die die Verwandten, Freunde und Kollegen mitbringen, mit den kleinen Witzen und den Anspielungen von Gerri und Tom. Es ist eine bildungsbürgerliche Idylle, die man als tödlich langweilig und vielleicht sogar spießig ablehnen mag, und die dennoch lockt wie ein bullernder Kachelofen im Winter.

"Another Year" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 16:25

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