« Filmkritik: "127 Hours" | Zurück zur Startseite dieses Blogs | Die Goldenen Himbeeren 2011 »

Filmkritk: "True Grit"

A Country for Old Men

Seit ich bewusst Filme sehe, also etwa seit Anfang der 70er Jahre, wurden neu gedrehte Western immer als Neo-Western bezeichnet. Die Filme hießen "Heaven’s Gate", "Young Guns", "Silverado", "Erbarmungslos" oder "Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada", die Helden waren entweder gebrochene Charaktere, Anti-Helden also, oder so junge und lebensfrische Gestalten, wie sie sonst nur in Ritterfilmen auftreten. Irgendwann Ende der 60er Jahre schien der echte, traditionelle Western verschwunden zu sein, vielleicht tatsächlich mit dem Italo-Western und "Spiel mir das Lied vom Tod", wie einige Kritiker damals behaupteten. Vielleicht war aber tatsächlich das Original von "True Grit", gedreht 1969, der letzte der wahren Western, der Film, für den John Wayne seinen Oscar bekam. Dann wäre das nun erschienene Remake von den Coen-Brüdern der erste echte Western, der zu meiner Zeit erschienen ist, denn es handelt sich unzweifelhaft um einen Western im traditionellen Stil. Die Bezeichnung Neo ist hier unangebracht.

Jeff Bridges spielt die Rolle des Marshals Rooster Cogburn, die Rolle also, die einst John Wayne verkörperte. Er wird von der 14jährigen Mattie Ross (Hailee Steinfeld) angeheuert, um den Mörder ihres Vaters zu suchen. Sie sollte eigentlich nur seine Leiche zurück zu ihrer Familie bringen. Aber da der Tod ihres Vaters niemanden besonders zu kümmern scheint und die Verfolgung seines Mörders auf der Prioritätenliste des Sheriffs ganz unten steht, beschließt sie, die Dinge selber in die Hand zu nehmen. Mit enormer Willenskraft und Durchsetzungsvermögen besorgt sie sich Geld und überredet damit Rooster Cogburn, dem mutmaßlichen Mörder Tom Chaney (Josh Brolin) ins Indianergebiet zu folgen, um ihn festzunehmen und vor ein Gericht zu bringen. Und sie schafft es sogar, dass der Marshal sie als Begleiterin akzeptiert. Zu ihnen gesellt sich noch ein Texas Ranger names LaBoeuf (Matt Damon), der Chaney wegen einiger Verbrechen in Texas ebenfalls auf den Fersen ist und auf die dort ausgesetzte Belohnung scharf ist.

Obwohl nur als Nebenrolle aufgeführt, ist Mattie Ross die eigentliche Hauptperson des Films. Sie treibt die Handlung voran, der Film wird durch ihre Augen erzählt. Für Hailee Steinfeld war es die erste große Rolle ihres Lebens, zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war sie gerade einmal 13 Jahre alt. Und sie ist wirklich toll, wie sie mit den wesentlich älteren Männern spricht und ihnen gegenüber auftritt. Sie will Gerechtigkeit, und man versteht, dass sie damit die Trauer um ihren Vater zu bewältigen sucht. Die anderen Darsteller stehen ihr in nichts nach. Jeff Bridges ist immer gut, aber das ist mal wieder eine Rolle, in die er sich so richtig reinlegen kann. Er gibt einen wunderbaren Rooster Cogburn ab, alt, versoffen, mit dreckigen Klamotten und fettigen Haaren, aber mit Ehre im Leib. Matt Damon gelingt es, mit dem prahlerischen LaBoeuf einen Charakter zu erschaffen, wie man ihn von ihm noch nicht gesehen hat. Und Josh Brolin kauft man sofort ab, dass sein Tom Chaney intellektuell völlig überfordert ist, als er erfährt, dass er von einem 14jährigen Mädchen verfolgt wird.

"True Grit" ist nicht der erste Western der Coen-Brüder. Auch "No Country for Old Men" war einer, allerdings aus der Kategorie Neo. Damals war die Geschichte irgendwann einfach zu Ende, das Geld war weg, die Drogen waren weg, und die Hauptdarsteller hatten sich einer nach dem anderen weitgehend unspektakulär aus dem Film verabschiedet. Das ist diesmal anders. "True Grit" erzählt eine einfache Geschichte, in der es um Rache, Recht und Gerechtigkeit geht. Es gibt einen eindeutigen Anfang und einen eindeutigen Schluss. Die ganze Lust an skurrilen Erzählungen und Anekdoten, die die Filme der Coens sonst auszeichnet, sie ist nur als ganz schwaches Echo zu vernehmen, etwa wenn Cogburn dem Mädchen von seinen gescheiterten Ehen erzählt. Die Charaktere sind, sagen wir mal, farbig, doch nie übertrieben. "True Grit" ist in gewissem Sinne das Gegenstück zu "No Country for Old Men". Es ist ein Film, der den Western ernst nimmt, zwar mit moderner Kameraführung und Schnitttechnik gedreht, doch mit großem Respekt vor der langen Tradition des Genres.

"True Grit" in den IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Donnerstag 24 Februar 2011 um 22:48 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 16:24

*
blog comments powered by Disqus

« Filmkritik: "127 Hours" | Zurück nach oben | Die Goldenen Himbeeren 2011 »

Impressum/Kontakt