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Filmkritik: "The Help"

Küchenrassismus

Die USA zu Beginn der 60er Jahre. Die so genannten Jim-Crow-Gesetze zur Rassentrennung sind nach wie vor in Kraft, doch in der Gesellschaft hat es begonnen zu gären. Seit Rosa Parks sich Mitte der 50er Jahre geweigert hatte, ihren Platz im Bus für einen Weißen frei zu machen, hat sich eine Bürgerrechtsbewegung gebildet, die unter der Führung von Martin Luther King Aktionen und Demonstrationen gegen die Diskriminierung schwarzer Bürger organisiert.

In Jackson, Mississippi, ist davon jedoch noch nicht viel zu spüren. Die wohlhabende weiße Mittelschicht lebt so, wie sie es schon immer gewohnt war. Nahezu jede Familie beschäftigt eine schwarze Haushälterin – ihre Großmütter waren noch Sklaven, heute sind die Frauen angestellt. Was jedoch keinen großen Unterschied macht, da sie noch nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn bekommen, geschweige denn Sozialleistungen, und natürlich haben sie auch keine Krankenversicherung. Die Haushälterinnen kochen, putzen, kaufen ein und vor allem ziehen sie die Kinder der weißen Familien auf, bei denen sie leben. Die Frauen lieben diese Kinder, und die Kinder lieben sie. Doch wenn sie groß werden, entwickeln sie sich unter dem allgemeinen gesellschaftlichen Druck zu den gleichen Rassisten wie ihre Eltern.

Die junge Skeeter Phelan (Emma Stone) will da nicht mehr mitmachen. Sie interessiert sich für die schwarzen Dienstboten, will wissen, was sie denken und wie sie fühlen. Als Skeeter ihren ersten Job bekommt – sie will Journalistin werden – und eine Ratgeber-Kolumne in ihrer Heimatzeitung betreuen soll, nimmt sie das zum Anlass, Kontakt aufzunehmen zu Aibileen Clark (Viola Davis), der Haushälterin ihrer Freundin Hilly Holbrook (Bryce Dallas Howard). Bald schon wird mehr aus diesen Gesprächen. Skeeter kann Aibileen und bald auch deren Freundin Minny Jackson (Octavia Spencer) überreden, Geschichten aus ihrem Leben zu erzählen, lustige Anekdoten, aber immer wieder auch Schilderungen von Demütigungen und der Unterdrückung durch die weißen Dienstherren. Eine New Yorker Verlegerin, die angesichts von Protestmärschen mit Hunderttausenden Teilnehmern das finanzielle Potenzial dieser Bewegung ahnt, verspricht Skeeter, daraus ein Buch zu machen.

"The Help" hat viele Stärken, gleichzeitig aber auch etliche Schwächen. Der Film steckt voller Klischees – die Haushälterinnen sind fast durch die Bank dicke, sympathische, gemütliche Mamis, die weißen Frauen sind gleichermaßen einheitlich schlank und tendenziell leicht überdreht. Die Story ist ein wenig kitschig – es kommt zu einem Happy End, die Schwarzen sind glücklich, Skeeter ist glücklich, die böse Hilly ist gedemütigt, und in der Schlusseinstellung zeigt Regisseur Tate Taylor, wie das neu gewonnene, schwarze Selbstvertrauen seinen Weg in die Welt antritt. Da könnte man dann beinahe vergessen, dass farbige Kinder auch 50 Jahre später noch nicht die gleichen Chance haben, aufs College und die Universität zu gehen und einen gut bezahlten Job zu bekommen wie Kinder aus weißen Haushalten. Und für meinen Geschmack waren einige Szenen im Film einfach zu rührselig.

Was den Film dennoch sehenswert macht, ist zum einen die Darstellung des Rassismus. "The Help" arbeitet dabei oftmals mit dem gleichen Trick wie "Mad Men": Aussagen und Handlungen, die uns heute mit offenem Mund dastehen lassen, werden als völlig normaler Alltag dargestellt. Wenn etwa Hilly von den Krankheiten der "Neger" spricht, die man sich auf gemeinsam benutzten Toiletten holen könne, dann fragt man sich, wie um alles in der Welt jemand auch nur auf solch eine Idee kommen kann. Als sie daraufhin in der gesamten Stadt den Bau von Außentoiletten für die schwarzen Dienstboten durchsetzt und Aibileen auch noch dazu zwingt, diese nochmals verschärfte Rassentrennung zu begrüßen, bewundert man die Selbstbeherrschung der Schwarzen, die auf solche Unverschämtheiten nicht mit einem Aufstand antworten.

Zum anderen sind die schauspielerischen Leistungen brillant. Vor allem Viola Davis ist ein heißer Kandidat für einen Oscar. Immer wieder zeigt die Kamera ihr Gesicht, während jemand im Raum die schwarze Bevölkerung beleidigt oder herabsetzt. Der Zuschauer weiß in diesen Momenten, was sie denkt, doch Aibileen ist bewusst, dass eine falsche Reaktion ihren sofortigen Rauswurf zur Folge hätte, und zeigt daher ein nahezu ausdrucksloses Gesicht. Man sucht nach Reaktionen auf die Kränkungen – da muss doch etwas sein? Doch Aibileen hat gelernt sich anzupassen. Nur an den Augen meint man ablesen zu können, was in ihr vorgeht. Große Schauspielkunst.

Ihre Kollegin Minny steht ihr da nicht viel nach – sie verkörpert perfekt die leider etwas klischeehaft gezeichnete Rolle der fürsorglichen und manchmal etwas frechen Haushälterin. Aber auch die weitere Besetzung mit in letzter Zeit hochgelobten Jessica Chastain ("The Tree of Life"), dem Altstar Sissy Spacek und nicht zuletzt Emma Stone in der Hauptrolle ist ausgezeichnet. Schade nur, dass das Drehbuch mit der Qualität der Schauspieler nicht ganz mithalten kann.

"The Help" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Mittwoch 21 Dezember 2011 um 17:22 von Roland Freist

Bearbeitet: Samstag 12 Januar 2013 16:17

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