Geschrieben am Samstag 29 August 2015 um 18:15 von Roland Freist
"Orange" ist das neue Gold
Gefängnisserien genauso wie -filme folgen üblicherweise dem immer
gleichen Muster: Die Hauptperson wird uns ausführlich vorgestellt, wir
erfahren, was sie warum getan hat, wie sie geschnappt und verurteilt
wurde, und bekommen Einblicke in ihre Vergangenheit. Im Gefängnis
wiederum lernt diese Person ein oder zwei Freunde kennen, auch von denen
erfahren wir einige Details aus ihrem Leben. Der Rest der Mithäftlinge
jedoch bleibt uns fremd, sie sind unserer Hauptperson gegenüber
gleichgültig bis feindselig eingestellt. Wer sie sind, woher sie kommen,
und warum einige von ihnen der Protagonistin gegenüber feindselig
eingestellt sind, bleibt meist im Dunkeln.
"Orange is the New Black" ist eine Gefängnisserie neuen Typs, denn sie
interessiert sich nicht nur für die wenigen, positiv besetzten
Hauptpersonen, sondern für die Charaktere sämtlicher Insassen des
fiktiven Frauengefängnisses in Litchfield, New York, in dem die Serie
spielt. Der Zuschauer gewinnt über Rückblenden nach und nach Einblicke
in die Vergangenheit nicht nur der Inhaftierten, sondern auch der
Gefängniswärter, die sie beaufsichtigen. Und zumindest in der ersten
Staffel ahnt man mehr, als dass man weiß, warum die Frauen einsitzen.
Man lernt ihr früheres Umfeld kennen, sieht jedoch nicht die Taten, die
zur Verurteilung führten.
Die Serie begleitet die Managerin Piper Chapman (Taylor Schilling), die
während ihrer College-Zeit für ihre damalige Freundin Alex Vause (Laura
Prepon) einmalig 150.000 Dollar Drogengeld in die USA schmuggelte und
prompt erwischt wurde. Zehn Jahre lang kam es nicht zur Anklage. Doch
dann, kurz vor Ende der Verjährungsfrist, wurde Piper doch noch zu 15
Monaten verurteilt und landet eben in Litchfield. Sie hat größte
Schwierigkeiten, sich an das Leben im Knast zu gewöhnen. Es gibt ein
Regelwerk, das ihr niemand erklärt, stattdessen lassen die anderen
Gefangenen genauso wie die Wärter sie immer wieder auflaufen. Doch mit
der Zeit erobert sie sich ihren Platz. Und dann stellt sie fest, dass
auch ihre Ex-Freundin Alex in Litchfield einsitzt.
Neben der in Deutschland kaum bekannten, aber ausgezeichnet spielenden
Taylor Schilling fallen besonders Laura Prepon ("Die
wilden 70er"), TV-Veteran Michael Harney als Gefängniswärter
und natürlich Kate Mulgrew, bekanntgeworden als Captain Janeway vom Raumschiff
Voyager und in Litchfield als russischstämmige Chefin der
Küchenbrigade beschäftigt, ins Auge.
Eine der wesentlichen Handlungsschienen, die in anderen Serien und
Filmen ebenfalls oft vernachlässigt wird, ist zudem die Geschichte des
zurückgebliebenen Partners der Hauptperson. Die Entwicklung von Pipers
Verlobtem Larry Bloom, gespielt von Jason Biggs ("American
Pie"), während ihrer Haft wird genauso ausführlich geschildert
wie die Geschichte ihrer Mitgefangenen.
"Orange is the New Black" entstand nach dem gleichnamigen Buch von Piper
Kerman, die darin ihre realen Erlebnisse im Gefängnis erzählte.
Konzipiert wurde die Serie von Jenji Kohan, die bereits für die
grandiose Serie "Weeds"
verantwortlich zeichnete. "Orange" wurde produziert von Netflix und ist
in Deutschland online und auf DVD erhältlich.
Geschrieben am Mittwoch 11 Dezember 2013 um 18:55 von Roland Freist
Eine soziologische Studie
"The Walking Dead" ist eine der erfolgreichsten neuen Serien der
vergangenen Jahren. Dem Sender AMC hat sie die höchsten Einschaltquoten
seiner Geschichte beschert, in den USA ist es die meistgesehene
Kabelserie aller Zeiten. Das ist einigermaßen erstaunlich, da sie einem
Genre zuzurechnen ist, das gemeinhin nur eine kleine Minderheit der
Film- und Fernsehgucker interessiert, nämlich dem Zombie-Film
beziehungsweise der Zombie-Serie (wobei ich jetzt keine zweite Serie
wüsste, die sich dem gleichen Thema verschrieben hätte, ein eigenes
Genre kann man damit also eigentlich nicht aufmachen).
Hauptperson ist Sheriff Rick Grimes (Andrew Lincoln), der bei einem
Feuergefecht mit Kriminellen verwundet wird und erst einige Wochen
später im Krankenhaus wieder aufwacht. Dabei muss er feststellen, dass
die Welt während seiner geistigen Abwesenheit von einem Virus befallen
wurde, der jeden Menschen kurze Zeit nach seinem Tod als Zombie
wiederauferstehen lässt. Die Zombies haben Appetit auf Menschenfleisch
und sorgen durch einen Biss dafür, dass sich ihre Mahlzeit in kürzester
Zeit in einen der ihren verwandelt und ebenfalls mit gurgelnden Lauten
auf der Suche nach Nahrung durch die Landschaft taumelt. Nur durch
Zerstören des Gehirns können die Untoten zu echten Toten gemacht werden,
man kennt das ja aus den Zombie-Filmen etwa von George Romero.
Die staatliche Ordnung hat sich aufgelöst, Polizei und Militär gibt es
nicht mehr, Hörfunk und Fernsehen schweigen. Die überlebenden Menschen
haben sich größtenteils zu kleinen Gruppen zusammengeschlossen, um sich
gegen die Zombie-Plage zu verteidigen. Und hier wird es spannend: Denn
"The Walking Dead" interessiert sich nur nebenbei für den Kampf Mensch
gegen Zombie, dieser Krieg ist von vornherein verloren. Das Augenmerk
der Serie richtet sich stattdessen auf die menschlichen Gemeinschaften,
die nach der Katastrophe auf sich selbst gestellt sind. "The Walking
Dead" ist ein soziologisches Experiment.
Die einzelnen Staffeln grenzen sich durch unterschiedliche Schauplätze
voneinander ab. Die erste Staffel springt zunächst noch von einem Ort
zum nächsten: Sheriff Rick stößt in der Stadt auf erste Verbündete,
findet dann auf dem Land seine Frau und seinen Sohn wieder und zieht mit
ihrer Gruppe zu einer Forschungseinrichtung, wo man nach einem
Gegenmittel gegen den Zombie-Virus suchte. In der zweiten Staffel ist
der örtliche Rahmen dann schon klar umrissen. Sie spielt durchgängig auf
einer abgelegenen Farm und zeigt, wie die Großfamilie des Farmers mit
Ricks Gruppe verschmilzt, und sie zeigt die Opfer, die dieser Prozess
fordert. In der dritten Staffel ziehen die Reste der Farmgemeinschaft in
ein verlassenes Gefängnis, dessen Stacheldrahtzäune und Gitter perfekten
Schutz gegen die von den Zombies beherrschte Außenwelt bieten. Größere
Gefahr droht jedoch von einer Siedlung in der Nähe, wo einige Hundert
Menschen unter dem Kommando eines Diktators, der sich "Governor" nennen
lässt, den Straßenzug einer Kleinstadt gegen die Zombies abgedichtet
haben.
Die Serie beobachtet die Interaktion innerhalb der einzelnen Gruppen,
wie die handelnden Personen zu Entscheidungen gelangen und wie sie ihre
Konflikte lösen. Der Grundton ist pessimistisch, Untergang und Tod der
restlichen Menschen scheinen unabwendbar. Der Titel "The Walking Dead"
lässt sich in diesem Kontext auch so interpretieren, dass die
Protagonisten eigentlich schon tot sind, nur noch sinnlos herumirrende
Leichen.
Beim verzweifelten Kampf ums Überleben werden die Regeln einer
zivilisierten Gesellschaft zunehmend ignoriert. Alles, was die eigene
Gruppe bedrohen könnte, wird bekämpft. Rick, als Sheriff einst ein
Gesetzeshüter, ermordet Fremde genauso wie Mitglieder der eigenen Gruppe
im Bestreben, die Gemeinschaft zu beschützen. Neuankömmlinge werden mit
Misstrauen empfangen und zumeist wieder vertrieben, hilflose
Einzelgänger überlässt man dem Tod.
Spätestens ab der dritten Staffel schlägt "The Walking Dead" dann eine
neue Richtung ein. Im Kampf um sichere Rückzugsorte, die sich zum Anbau
von Nahrung eignen, setzen die Überlebenden die bissigen Untoten
zunehmend als Waffe ein, um den Gegner zu dezimieren. Die Zombies sind
nur noch eine Art Landplage, lästig, durchaus gefährlich, aber, von
einigen Unfällen einmal abgesehen, insgesamt durchaus beherrschbar.
Wesentlich mehr Opfer fordern die Verteilungskämpfe zwischen den
einzelnen Gruppen. Und es zeigt sich, dass die größte Gefahr für den
Menschen immer noch der Mensch selber ist.
"The Walking Dead" funktioniert, da man die Hauptfiguren über einen
langen Zeitraum immer besser kennenlernt. Zudem verändern sie sich durch
die Geschehnisse, sie entwickeln sich weiter, einige in eine positive
Richtung, andere in eine negative. Als Zuschauer versteht man, was in
ihnen vorgeht, und auch wenn viele Figuren keine Sympathieträger sind,
interessiert man sich für ihre Schicksale. Denn obwohl es sich um eine
Zombie-Serie handelt, geht es hier in erster Linie um die Menschen.
"The Walking Dead" ist in Deutschland über Fox im Zweikanalton zu sehen.
Im Free-TV liefen die ersten drei Staffeln bei RTL II, das sie als
Event-Programmierung jeweils an einem Wochenende ausstrahlte. In den USA
läuft aktuell die vierte Staffel, eine fünfte Staffel ist bereits
bestellt.
Geschrieben am Montag 08 Juli 2013 um 10:55 von Roland Freist
Philipp Walulis macht seit 2011 Fernsehen, das sich mit Fernsehen
beschäftigt, zuerst bei Tele 5, mittlerweile bei EinsPlus. Seine Sendung "Walulis
sieht fern" zeigt die Stereotypen des deutschen Fernsehens, die
immer gleichen Abläufe, Figuren und Kulissen, und ist in ihrer Analyse
auch noch sehr witzig. EinsPlus strahlt die halbstündige Sendung jeden
zweiten Mittwoch um 20:15 Uhr aus, neue Folgen sind für den Herbst
angekündigt. Außerdem laufen einzelne Clips in der Satiresendung Extra
3 des NDR. Hier eine Auswahl der besten Parodien inklusive des
"Tatort in 123 Sekunden", das Video hatte ich in diesem Blog schon
einmal gezeigt.
Der typische Tatort in 123 Sekunden
Asis im Brennpunkt – die typische Scripted Reality
Schockierend – der typische Unglücksbeitrag
Abenteuer Halbwissen – die typische Werbe-Reportage
Samira Schwall – die typische Talkshow
München Tag und Nacht – die typische Scripted Soap
Ich bin ein C-Promi, schenkt mir Aufmerksamkeit
Die lustige Straßenumfrage
Die typische Freitagabend-Talkshow (Director's Cut)
Geschrieben am Freitag 11 Januar 2013 um 16:25 von Roland Freist
Verrückte 60er
Neben "Breaking
Bad" (hier meine Kritik)
ist "Mad Men" die zweite große und wichtige TV-Serie der letzten Jahre.
Beide laufen in den USA beim Pay-TV-Sender AMC, der auch die
Zombie-Serie "The
Walking Dead" ausstrahlt.
"Mad Men" spielt in der fiktiven Werbeagentur Sterling Cooper Anfang der
60er Jahre. Von diesem Umfeld leitet sich auch der Titel ab: Einige der
größten amerikanischen Agenturen haben ihren Sitz in der New Yorker
Madison Avenue, Mad Men ist die Bezeichnung, die sich die dort
arbeitenden Werbeleute selbst gerne geben. Hauptperson der Serie ist der
Kreativdirektor von Sterling Cooper, Don Draper, gespielt von Jon Hamm.
Seine Erlebnisse in der Agentur und außerhalb mit seiner schönen Frau
Betty (January Jones, die beste Grace-Kelly-Darstellerin seit Grace
Kelly selbst) und den beiden Kindern sind der rote Faden, der sich durch
die Serie zieht. Dazu kommen verschiedene Nebenhandlungen rund um andere
Beschäftige der Agentur.
Zwei Aspekte sind es, die bei dieser Serie einen "Wow!"-Effekt
verursachen: zum einen die Ausstattungsorgie, die sich der Sender
geleistet hat. Es gibt keine Krawatte, keinen Manschettenknopf, keine
Halskette, kein Kleid, kein Hemd und keinen Anzug, der nicht der Mode
Anfang der 60er Jahre entspricht. Auch jedes Detail der Büro- und
Wohnungseinrichtung, jeder Stuhl, jeder Tisch, jede Vase, jede Lampe ist
entweder ein Original aus der damaligen Zeit oder bis ins kleinste
Detail originalgetreu nachgebaut. Zusammen mit der hohen Qualität der
Bilder, in Farbe und Aufbau phantastisch komponierte Aufnahmen der
Akteure und ihrer Umgebung, entsteht ein hochgradig realistischer
Eindruck von dieser Zeit. Er wird noch verstärkt durch gelegentlich zu
sehende Fernsehbilder etwa von Reden Martin Luther Kings oder von
zeitgenössischen Werbespots.
Diesen Realismus machen sich die Autoren von "Mad Men" rund um den
Produzenten Matthew Weiner zunutze, um den zweiten "Wow!"-Effekt zu
erzielen: Der Zuschauer zieht unwillkürlich Vergleiche zwischen dem
Verhalten der Akteure in den frühen 60ern und den heute üblichen
Verhaltensweisen. Aufgrund der teilweise krassen Unterschiede wird man
immer wieder mit der Nase darauf gestoßen, welche großen
gesellschaftlichen Veränderungen in den letzten Jahren
vonstattengegangen sind, wie stark sich die Bewertungen vieler
Sachverhalte verändert haben.
Einige Beispiele: In "Mad Men" wird völlig selbstverständlich gesoffen
was die Leber hergibt. Unter dem Führungspersonal gehört es zum guten
Ton, jedem Kollegen, der das Büro betritt, einen Whisky oder Gin
anzubieten, und sei es auch erst zehn Uhr vormittags. Zu diesem Zweck
stehen überall kleine Zimmerbars bereit. Mittags und nach der Arbeit
schüttet man zusätzlich Martinis in sich hinein. Und es wird geraucht:
Don Draper ist genauso wie seine Frau kaum jemals ohne Zigarette zu
sehen. Man raucht in jedem Büro, jeder Wohnung, während geschäftlicher
Besprechungen, aber auch im Fahrstuhl und in Gegenwart der Kinder. Ein
Gesundheitsbewusstsein existiert nicht, der ständige Genuss harter
alkoholischer Getränke gilt als ein Zeichen von Weltläufigkeit.
Auffällig ist auch die Rolle der Frauen. Zu Beginn der ersten Staffel
sind sämtliche Texter und das gesamte Führungspersonal bei Sterling
Cooper männlich. Weiblich sind lediglich die Assistentinnen, die vor den
Büros sitzen und für ihre männlichen Kollegen die Telefonverbindungen
herstellen. Lediglich Peggy Olson (Elisabeth Moss) gelingt es, von der
Sekretärin zur Texterin mit eigenem Büro aufzusteigen. Dafür muss sie
jedoch disziplinierter sein und härter arbeiten als die Männer. Und sie
bezahlt einen hohen Preis für ihren Aufstieg: Nachdem ihr Kollege Pete
Campbell (Vincent Kartheiser) sie geschwängert hat, muss sie die
Schwangerschaft verbergen, darf niemandem etwas davon erzählen und gibt
das Kind schließlich zu Pflegeeltern. Hätte jemand etwas von dem
unehelichen Kind erfahren, wäre das wohl das Ende ihrer Karriere gewesen.
Immer wieder gibt es Szenen, in denen die Frauen privat und beruflich
gedemütigt und von den Männern als Menschen zweiter Klasse behandelt
werden. Das geschieht noch nicht einmal in böser Absicht – es ist
einfach der gesellschaftliche Konsens und reine Gedankenlosigkeit. Aber
in den Augen der Frauen kann man sehen, dass sie beginnen, sich eigene
Gedanken zu machen, und dass es anfängt zu gären. Das Großartige an "Mad
Men" ist dabei, dass die Serie dem Zuschauer die Gedanken der Menschen
verrät, ohne dass sie ausgesprochen werden.
Weitere Themen, die die Serie aufgreift, umfassen beispielsweise den
Umgang mit Homosexuellen – der Chefgrafiker Salvatore Romano (Bryan
Batt) ist schwul und verbirgt das hinter der Fassade einer bürgerlichen
Ehe – oder auch mit Afroamerikanern. Und immer verrät einem "Mad Men"
mindestens genauso viel über die heutige Zeit wie über die Epoche, in
der die Serie spielt.
ZDF neo zeigt derzeit jeden Mittwochabend Wiederholungen der zweiten
und dritten Staffel von "Mad Men". Ab 13. Februar soll die vierte
Staffel ausgestrahlt werden.
Das folgende Video versammelt sämtliche Trinkszenen der Serie und
demonstriert, welche unglaublichen Mengen Alkohol die Darsteller in sich
hineinschütten:
Das nächste Video verspricht einen Zusammenschnitt aller Szenen, in
denen bei "Mad Men" geraucht wird. Aber das stimmt nicht, es sind
erheblich mehr.
Geschrieben am Sonntag 19 August 2012 um 17:20 von Roland Freist
Walter White wechselt auf die dunkle Seite
"Breaking Bad" ist ohne Zweifel eine der besten Fernsehserien nicht nur
des aktuellen Programms, sondern aller Zeiten. Sie erzählt die
Geschichte des Chemielehrers Walter White (Bryan Cranston, "Malcolm
mittendrin"), der unheilbar an Krebs erkrankt und daraufhin
beschließt, Crystal Meth herzustellen, um mit dem Drogengeld seine
Behandlung zu bezahlen und seine Familie finanziell abzusichern. Über
fünf Staffeln hinweg sieht man zu, wie aus einem harmlos wirkenden,
zurückhaltenden Mann aus der unteren Mittelschicht der führende
Drogenproduzent von Albuquerque, New Mexico, wird, ein hochgradig
gefährlicher Krimineller.
Dabei scheint anfangs alles nur ein Spiel zu sein. Die Serie besitzt
einen zuweilen zwar grimmigen, aber immerhin Humor: Um sein schmales
Lehrergehalt aufzubessern, arbeitet White nebenbei in einer
Autowaschanlage, wo er immer wieder auch mal die Wagen seiner Schüler
putzen muss. Erst nachdem bei ihm Krebs festgestellt wird, beginnt er
Meth zu kochen, ein preiswertes, illegales Aufputschmittel, das zu
psychischer Abhängigkeit führt und zu dessen Nebenwirkungen
Persönlichkeitsveränderungen und Zahnausfall gehören. Als Gehilfen
heuert er ausgerechnet einen ehemaligen Schüler von sich an, einen
Jungen namens Jesse Pinkman (Aaron Paul), dem er in Chemie eine Fünf
gegeben hatte. Jesse ist ein Junkie und verhilft Walter White mit seinem
Insiderwissen über die Drogenszene von Albuquerque zu ersten
Verkaufserfolgen. Seiner Frau Skyler (Anna Gunn) und seinem behinderten
Sohn Walter Jr. (RJ Mitte) erzählt White zunächst nichts von seiner
neuen Einnahmequelle. Ein witziger Einfall der Drehbuchschreiber ist,
dass Walters Schwager Hank Schrader (Dean Norris) ein ziemlich
abgebrühter Agent der Antidrogen-Behörde DEA ist.
Doch was zunächst wie eine Serie über Walters Abenteuer in der
Drogenwelt aussieht, entwickelt recht schnell immer düsterere Töne. Zwar
kann sich Walter White mit dem Drogengeld eine erstklassige medizinische
Behandlung bei einem der besten Onkologen der USA leisten. Doch damit
der Geldfluss nicht abreißt, ist er gezwungen zu morden, er muss
Konkurrenten und bezahlte Killer aus dem Weg räumen, wenn er nicht
Gefahr laufen will, mit seinen Geschäften aufzufliegen. Er sieht aber
auch tatenlos zu, als Jesses Freundin an ihrem Erbrochenen erstickt, und
er verstrickt sich gegenüber seiner Familie immer mehr in Lügen und
gefährdet damit seine Ehe. Spätestens ab der dritten Staffel wird ihm
auch immer mehr das Schicksal der Crystal-Meth-Süchtigen bewusst, die
von seinen Drogen zugrunde gerichtet werden. Immer deutlicher wird, dass
der Preis für Walter Whites Überleben der Tod der anderen ist.
Der Name des Protagonisten, Walter White, deutet darauf hin, dass der
Erfinder der Serie, Vince Gilligan, ehemals Produzent von "Akte
X", ursprünglich im Sinn hatte, mithilfe einer exemplarischen
Figur die Angst des amerikanischen Mittelstands vor dem Abrutschen ins
Prekariat zu beschreiben und zu zeigen, wie diese soziale Ungewissheit
einen Menschen kriminell werden lässt. Doch dieses Konstrukt hat von
Anfang an nicht so recht funktioniert, denn White ist als
festangestellter Lehrer natürlich krankenversichert. Die Behandlung
seiner Krebserkrankung würde von der Kasse bezahlt, der Aufbau einer
illegalen Drogenküche wäre an und für sich nicht notwendig. Als Kritik
am amerikanischen Gesundheitswesen ist die Serie daher ebenfalls nicht
geeignet. Die erste Staffel baut daher die Hilfskonstruktion auf, dass
der Spezialist, bei dem sich White in Behandlung begibt, so teuer ist,
dass die Krankenversicherung die Kosten nicht übernimmt.
Doch je weiter die Serie voranschreitet, desto mehr weichen die
Drehbuchautoren von der ursprünglichen Konzeption ab. Tatsächlich belügt
sich Walter White mit der Entschuldigung für seine Taten (er muss seine
Behandlung bezahlen und will, dass seine Familie nach seinem Tod
materiell versorgt ist) nur selbst. Denn zum einen bietet ihm ein
reicher Freund an, die Schecks an das Krankenhaus zu übernehmen, koste
es, was es wolle. Zum anderen findet seine Frau Skyler, eine gelernte
Buchhalterin, schon bald nach der Geburt ihres zweiten Kindes in der
zweiten Staffel wieder einen gut bezahlten Job. Ein materieller Notstand
ist daher auch nach dem Tod von Walter nicht zu erwarten. Aufgrund
seiner Lügen ist seine Ehe zudem schon längst am Ende, seine Frau will
sich scheiden lassen. Bis es in der dritten Staffel auch bei ihr zu
einer 180-Grad-Drehung kommt: Längst hat sie erfahren, worin die
Nebentätigkeit ihres Mannes besteht und wie viel Geld er damit verdient.
Und plötzlich beginnt auch sie eine Lügenkonstruktion aufzubauen, um mit
den Hunderttausenden von Dollars, die Walter nach Hause bringt, der
Familie ihrer Schwester helfen zu können, deren Mann, der DEA-Agent,
schwer verletzt im Krankenhaus liegt.
"Breaking Bad" zeigt, wie einfach der Übergang von einem gesetzestreuen,
bürgerlichen Leben zu einer kriminellen Existenz ist. Walter White
kämpft immer weniger gegen den Krebs und immer häufiger gegen
konkurrierende Dealer und Mafia-Organisationen. Immer mehr Menschen
werden zu seinen Opfern, und das zunehmend mit Duldung durch seine Frau.
Beide wollen die Drogengelder jedoch nicht verwenden, um damit eigenen
Luxus zu finanzieren, sondern um der eigenen Familie zu helfen und sie
zu schützen – selbst wenn das objektiv gesehen nicht notwendig wäre.
Zynischer ist die angebliche Keimzelle der Gesellschaft wohl noch nie
gezeigt worden.
Zum Glück vermeidet die Serie dabei einen belehrenden Tonfall. "Breaking
Bad" ist eine spannende Krimi- und Familienserie, bei der der Kontrast
zwischen der düsteren, pessimistischen Stimmung und dem grellen, klaren
Licht von New Mexico oftmals surrealistische Bilder erzeugt. Zu Recht
wurde die Nachbearbeitung der Bilder bereits zweimal mit dem
Fernsehpreis Emmy ausgezeichnet, die durchweg hervorragende Kameraarbeit
wurde mehrfach für Auszeichnungen nominiert. Zusammen mit der hohen
Qualität der Drehbücher und den ausgezeichneten Schauspielern – Bryan
Cranston bekam bislang schon drei Emmys, dazu kommt einer für Aaron Paul
– ist daraus ein Gesamtpaket entstanden, das momentan alle anderen
Fernsehprogramme überstrahlt.
In Deutschland und Frankreich liegen die Free-TV-Rechte an "Breaking
Bad" bei Arte,
das die Staffeln 1 bis 3 in Doppelfolgen ausgestrahlt hat. Staffel 4
wechselt auf einen neuen Sendeplatz am Freitagabend und wird ab dem 2.
November 2012 gezeigt. Alle vier Staffeln sind bereits in deutscher
Übersetzung auf DVD erhältlich. In den USA läuft derzeit die fünfte und
letzte Staffel. Als Ergänzung zu diesem Artikel finden Sie in diesem
Blog unter diesem
Link ein Video mit Szenen aus "Breaking Bad", die die hervorragende
Kameraarbeit demonstrieren.
Geschrieben am Montag 27 Februar 2012 um 17:36 von Roland Freist
Nachdem die Veranstaltung in den vergangenen beiden Jahren an schlecht
aufeinander eingespielten (Steve Martin und Alec Baldwin) und völlig
ungeeigneten (Anne Hathaway und James Franco) Moderatoren litt, setzte
die Academy dieses Jahr wieder auf die bewährten Dienste von Billy
Crystal. Allerdings nicht ganz freiwillig – eigentlich wollte man es
dieses Jahr mit Eddie Murphy probieren, der dann jedoch absagte, weil
man seinem Kumpel Brett Ratner (der Regisseur von "Rush
Hour") die Produktion der Sendung abgenommen hatte, nachdem er
sich im Vorfeld zu einer flapsigen, angeblich schwulenfeindlichen
Bemerkung hatte hinreißen lassen ("Proben ist was für Schwuchteln").
Schade eigentlich, denn Eddie Murphy war früher ein ausgezeichneter
Standup-Comedian. Ich hätte gern gesehen, wie er diesem Abend seinen
Stempel aufgedrückt hätte.
Billy Crystal machte seine Sache natürlich nicht schlecht. Er übernahm
die Moderation dieses Jahr bereits zum neunten Mal und hatte daher die
notwendige Routine im Rücken, um die Veranstaltung souverän über die
Bühne zu bringen. Er war witzig, durchaus auch spontan und wie immer
leicht ironisch. Aber trotz seiner gefärbten Haare sah man ihm an, dass
er nicht mehr der Frischeste ist. Crystal wird in ein paar Tagen 64, da
sind andere Arbeitnehmer längst in Altersteilzeit. So wurde es dann eine
eher laue und mittelmäßige Veranstaltung ohne große Überraschungen.
Keiner fiel aus der Rolle, Skandale blieben aus. Die Dankesreden waren
ausnahmsweise wirklich einmal angenehm kurz, es gab Tränen (Octavia
Spencer bei Entgegennahme des Oscars für die beste Nebendarstellerin in "The
Help"), einige ansatzweise witzige Auftritte (Jean Dujardin,
Meryl Streep) und in der Halbzeitpause einen guten, wenn auch nicht
sensationellen Auftritt vom Cirque de Soleil.
Die großen Abräumer waren wie erwartet "The
Artist" (fünf Oscars für die beste Regie, den besten Film, den
besten Hauptdarsteller, die beste Originalmusik und die besten Kostüme)
und "Hugo
Cabret" (ebenfalls fünf Oscars für die beste Kamera, die besten
visuellen Effekte, die beste Art Direction, das beste Sound-Editing und
den besten Soundmix). Ich hätte die beiden "großen" Oscars, also Film
und Regie, ebenfalls an "Hugo Cabret" und Martin Scorsese gegeben, da
der Film im Unterschied zu "The Artist" mit seinem Einsatz der
3D-Technik zukunftsweisend ist. Aber sei's drum. Insgesamt ging die
Verteilung der Preise in Ordnung. Und die Tatsache, dass die Academy
zwei sehr gewagte und mutige Filmprojekte – einen schwarzweißen Stumm-
und einen intelligenten 3D-Film – belohnt hat, macht Hoffnung für die
nächsten Kinojahre.
Geschrieben am Freitag 09 Dezember 2011 um 15:28 von Roland Freist
Der Autor, Moderator und Redakteur Philipp Walulis präsentiert jede
Donnerstagnacht um 0 Uhr 40 bei Tele 5 seine Fernseh-Comedyshow "Walulis
sieht fern". Von dort stammt der folgende Clip:
Geschrieben am Donnerstag 10 November 2011 um 15:17 von Roland Freist
Vampire is the Nigger of the World
Eine Fernsehserie als soziologische Studie. "True Blood" nimmt einen der
beliebtesten Werbesprüche für Horror- und Science-Fiction-Filme ernst
und sagt: Sie sind unter uns. Doch im Unterschied zu den Genrefilmen
stellt die Serie gleichzeitig die Frage, was es konkret für eine
Gesellschaft bedeutet, wenn plötzlich eine gänzlich fremde
Bevölkerungsgruppe in ihrer Mitte auftaucht.
Es geht um Vampire. Die erste Staffel von "True Blood" reißt die
Vorgeschichte an: In Japan wurde ein preiswerter, vollwertiger Ersatz
für menschliches Blut erfunden, der nun unter dem Markennamen True Blood
in Flaschen abgefüllt und in verschiedenen Blutgruppen verkauft wird.
Für die Vampire heißt das, dass ihr Überleben nicht mehr von einem
ständigen Nachschub an natürlichem, vorzugsweise menschlichem Blut
abhängig ist. Sie müssen nicht mehr als Illegale leben und auf die Jagd
gehen, sondern können ihre Nahrung aus dem Supermarkt beziehen und in
jeder Bar bestellen. Die Vampir-Gemeinschaft beschließt daraufhin, sich
zu outen, und fordert ihre Bürgerrechte ein.
Die Serie spielt in einem kleinen Ort namens Bon Temps in Louisiana. Als
dort die ersten Vampire auftauchen, entwickeln sich beispielhaft die
Konflikte, die nach dem Outing die gesamten USA beschäftigen und die ab
und zu im Hintergrund in Fernseh-Talkshows diskutiert werden: Es geht um
die Angst der Menschen vor dem Unbekannten, um die Angst, wie die neuen
Nachbarn die vertraute Umgebung verändern könnten. Es geht um Vorurteile
und Rassismus – viele der Weißen im Ort fühlen sich bedroht von der
Sexualität der einstigen Blutsauger, während die Schwarzen misstrauisch
registrieren, dass einige der zumeist weißen Vampire in früheren
Jahrhunderten Sklavenhalter waren. Es geht aber auch um Toleranz und,
ganz kitschig, um die Liebe zwischen Sookie Stackhouse, einer jungen
Kellnerin (Oscar-Preisträgerin Anna Paquin, "Das
Piano") und Bill Compton (Stephen Moyer), einem Vampir, der
trotz seines fortgeschrittenen Alters von mehreren Hundert Jahren immer
noch aussieht wie ein Dreißigjähriger.
"True Blood" zeigt, wie sich Menschen und Vampire allmählich aneinander
gewöhnen und wie sie lernen, miteinander zu leben. Weitere Figuren aus
Fantasy-Welten tauchen auf und werden nach und nach akzeptiert: Sookie
entpuppt sich als Gedankenleserin mit übernatürlichen Kräften, ihr Chef,
der Kneipenwirt Sam Merlotte (Sam Trammell), ist ein Gestaltwandler, und
ab Staffel 3 treten dann auch noch die prolligen Werwölfe in ihren
Biker-Klamotten auf. Anstatt allerdings Krieg gegeneinander zu führen,
wie sie es wohl in anderen TV- und Kino-Produktionen tun würden, üben
sich die Gruppen im Zusammenleben – nicht freiwillig, sondern weil ihnen
letztlich keine Wahl bleibt. Sie beginnen sogar, einander beizustehen
und sich gegenseitig zu helfen: Als in der zweiten Staffel eine Mänade
ihr Unheil treibt, ein Wesen aus der griechischen Mythologie, kann sie
erst durch die Zusammenarbeit zwischen Menschen, Vampiren und dem
Gestaltwandler besiegt werden. Natürlich brechen die Konflikte immer
wieder auf, Verbrechen werden verübt, es gibt Tote. Doch auf der anderen
Seite ist immer auch eine Entwicklung hin zum Besseren erkennbar.
In gewisser Weise setzt Produzent Alan Ball mit "True Blood" fort, was
er mit "Six
Feet Under" begonnen hatte – auch diese Serie beobachtete, wie
sich eine Gruppe äußerst unterschiedlicher Charaktere miteinander
arrangierte. Den morbiden Touch lieferte in diesem Fall ein
Bestattungsinstitut.
Mänaden, Vampire, Werwölfe, Gestaltwandler, Gedankenleser – das ist
selbst für Zuschauer mit einer Harry-Potter-Vorgeschichte starker Tobak.
Dass "True Blood" damit durchkommt, liegt in erster Linie an der
Szenerie. Der großartige Vorspann der Serie beschwört die schwülwarme
Athmosphäre des von Sümpfen durchzogenen Louisiana und die
Rückständigkeit der Provinz. Er weckt Assoziationen von geheimen
afrikanischen Naturreligionen, grausamen Voodoo-Ritualen, christlichem
Aberglauben, Wahnsinn, Verwesung und Tod. Unterstützt durch die
drastischen Sex- und Gewaltdarstellungen der Serie und die Bilder von
blutverschmierten, nackten Körpern entsteht der Eindruck einer Welt, in
der alte, archaische Kräfte am Werk sind. Alles zusammen stimmt den
Zuschauer ein auf eine Handlung, die ganz selbstverständlich Figuren aus
den alten Mythologien auferstehen lässt, um zu untersuchen, wie Menschen
heute ganz banal miteinander auskommen können.
RTL II zeigt derzeit mittwochs gegen 23 Uhr die dritte Staffel von "True
Blood".
Geschrieben am Mittwoch 09 November 2011 um 15:28 von Roland Freist
Der Autor, Moderator und Redakteur Philipp Walulis präsentiert jede
Donnerstagnacht um 0 Uhr 40 bei Tele 5 seine Fernseh-Comedyshow "Walulis
sieht fern". Von dort stammt der folgende Clip:
Geschrieben am Mittwoch 19 Oktober 2011 um 11:12 von Roland Freist
Das Matriarchat im Leichenhaus
In den ersten Folgen war "Bones" lediglich eine originell gemachte
Krimiserie mit guten Dialogen, eine Mischung aus Detektivserie und "CSI",
was sich auch in den Hauptfiguren manifestierte, dem FBI-Agenten Seeley
Booth (David Boreanaz) und der forensischen Anthropologin Dr. Temperance
"Bones" Brennan (Emily Deschanel).
Doch je länger die Serie lief, desto mehr wurde die Krimihandlung zur
Nebensache. Zwar hielten sich die Drehbücher immer noch an die üblichen
Krimistandards, doch die Aufklärung über die Hintergründe der Todesfälle
sowie die Überführung und Ergreifung des Mörders waren zunehmend nur
noch dazu bestimmt, den Geschichten eine Struktur zu geben. Spannung
kommt bis heute nur selten auf, die Charakterzeichnung von Täter und
Opfer bleibt zumeist blass. Niemand schaut sich "Bones" wegen der
Kriminalfälle an.
Was die Serie sehenswert und manche Folgen zu einem echten Vergnügen
macht, ist die Interaktion zwischen den Hauptfiguren. Die meisten von
ihnen arbeiten im (fiktiven) Jeffersonian Institute in Washington, D. C.
– Bones selbst, ihre Vorgesetzte Dr. Saroyan, Angela, Hodgins sowie die
von Folge zu Folge wechselnden Praktikanten. Es herrscht eine Stimmung
wie in einer Wohngemeinschaft, die wirklich ausgezeichneten Dialoge
springen von einem Satz zum nächsten vom Beruflichen ins Private und
wieder zurück. Dieser Kontrast aus Leichen im fortgeschrittenen
Verwesungszustand und den über sie gebeugten Jeffersonian-Mitarbeitern,
die sich über ihre Beziehungsprobleme unterhalten, sorgt immer wieder
für hochgradig komische Momente.
Hinzu kommt die Konstellation mit dem weiblichen Dreigestirn aus Bones,
Saroyan und Angela an der Spitze des Instituts. Bei "Bones" kann man
einem modernen, gut funktionierenden Matriarchat bei der Arbeit und im
alltäglichen Leben zusehen. Die Männer besetzen lediglich die
sympathischen Nebenrollen: Hodgins, der Nerd und geniale Entomologe,
sowie die wunderbaren, ebenfalls ziemlich nerdigen Praktikanten des
Instituts. Dr. Goodman, der in der ersten Staffel die Leitung des
Instituts innehatte, wirkte dagegen immer wie ein Fremdkörper und wurde
zu Beginn der zweiten Staffel zu Recht ausgetauscht.
Booth, die männliche Hauptfigur, übernimmt in dieser Serie den Part, den
ansonsten immer die Frauen ausfüllen. Mit seinen oftmals emotionalen
Reaktionen bildet er das Gegengewicht zu den nüchtern und sachlich
denkenden und handelnden Wissenschaftlerinnen. Während es zwischen Bones
und Saroyan in früheren Folgen immer mal wieder Eifersüchteleien um die
Machtpositionen im Institut gab, scheint Booth überhaupt keinen
Vorgesetzten zu haben und an einem Aufstieg in höhere Dienstränge völlig
desinteressiert zu sein. Seine einzige Respektsperson ist wieder eine
Frau, die Staatsanwältin Caroline Julian. Im Unterschied zu den Frauen,
und vor allem zu Bones, die es mit ihren Büchern offenbar zu einigem
Wohlstand gebracht hat, bezieht er auch kein hohes Einkommen.
Bones und Booth sind das Paar, das die Serie trägt. Es ist ein altes,
einfaches Rezept: Nimm ein möglichst gegensätzliches Paar, füge sie zu
einem Team zusammen, lass sie Sympathien füreinander entwickeln, und du
bekommst eine zwischenmenschliche Spannung, die die Handlung jahrelang
tragen kann. Bei "Bones" traten ab der zweiten Staffel zunehmend auch
die Nebenfiguren ins Rampenlicht, man konnte den Schauspielern zusehen,
wie sie zusammen mit den Drehbuchautoren die Rollen entwickelten. Das
Traumpaar Bones/Booth ist seither zwar immer noch das Herzstück der
Serie, doch mittlerweile ist es eingebunden in eine Familie.
Es gab und gibt immer wieder schwächere Folgen von "Bones". Zumeist sind
es die, in denen dann doch wieder die Krimihandlung im Vordergrund
steht. Aber dann spürt man, dass wieder ein Ruck durch die Mannschaft
ging, sich alle etwas zusammenrissen und erneut ein echtes Highlight
fabrizierten, mit neuen, überraschenden Geschichten aus der
Jeffersonian-Familie, guten, schön albernen Gags und einem wieder einmal
besonders unappetitlichen Leichenfund.
RTL zeigt donnerstags derzeit die sechste Staffel von "Bones", in den
USA läuft bereits Nummer Sieben. Ob es eine achte Staffel geben wird,
ist noch ungewiss.
Geschrieben am Montag 14 Februar 2011 um 18:03 von Roland Freist
In den Nischen der Privatsender finden sich immer wieder echte Perlen
der US-Serienproduktion. Vox hat bereits seit einigen Jahren ein gutes
Gespür für außergewöhnliche Serien gezeigt. Leider ließ es der Sender
oftmals an der notwendigen Werbung fehlen, so dass vieles davon nahezu
unter Ausschluss der Öffentlichkeit lief. Andererseits können sich
natürlich nur so kleine, exklusive Fanzirkel bilden, deren Angehörige
sich stolz als early adopters fühlen dürfen.
So verhält es sich auch mit "Burn Notice", einer Krimiserie, die Vox am
Montagabend kurz nach 22 Uhr ausstrahlt. Eine Burn Notice ist laut der
Erklärung des eloquenten Protagonisten Michael Westen (Jeffrey Donovan)
eine Art Kündigungsschreiben für Geheimagenten. Das ist dann auch der
Ausgangspunkt der ersten Staffel: Westen wurde nach mehreren Jahren im
Dienst der CIA gefeuert, seine Kreditkarten funktionieren nicht mehr,
seine Identität wurde gelöscht. Der ehemalige Spion sitzt in Miami fest
und schlägt sich Woche für Woche als eine Art Privatdetektiv durch,
allerdings einer der etwas ruppigeren Art. Michael Westen beschattet
keine untreuen Ehepartnern und sucht auch nicht nach entlaufenen
Teenagern, sondern er löst Probleme mit Drogenhändlern, Kidnappern und
dem organisierten Verbrechen. Dabei helfen ihm immer wieder seine
Erfahrung und seine Ausbildung aus der Zeit bei der CIA. Neben dieser
Auftragstätigkeit verfolgt er aber auch ein größeres Ziel: Westen will
wieder zurück zur CIA und versucht herauszufinden, wer ihn aus welchen
Gründen kaltgestellt hat. Das gibt der Serie eine schöne, locker
verfolgte Storyline.
Was "Burn Notice" von anderen Produktionen mit ähnlicher Thematik
abhebt, ist die Ironisierung des Geschehens, die durch Michaels ständige
Kommentare aus dem Off zustande kommt – eine Technik, die so ähnlich
auch "Magnum"
verwendete, das damit Hollywoods schwarze Serie zitierte und teilweise
auch parodierte. Als stünde er vor einer Klasse von CIA-Kadetten,
erklärt Michael Westen in schulmeisterlichem Ton, wie man etwa ein
effektives Verhör durchführt, eine Fabrik ausräuchert, Bomben baut,
Wanzen setzt (Tipp: möglichst im Handy platzieren, so ist schon mal die
Stromversorgung gesichert) oder sich selbst vor Überfällen und Abhören
schützt. So habe ich beispielsweise gelernt, dass Geheimdienste gerne
Wohnungen abhören, indem sie mit einem Laserstrahl die Schwingungen der
Fenster abtasten und wieder in Sprache umsetzen. Was man dagegen tun
kann? Michael Westen empfiehlt, sich bei wichtigen Gesprächen einfach
mit dem Rücken ans Fenster zu lehnen. Dadurch würden die Schwingungen
praktisch vollständig unterdrückt. So einfach ist das. Und weil es so
einfach ist, haben diese Tipps auch etwas sehr Komisches.
Die Serie wäre aber nur halb so gut ohne Michaels kleine Familie. Da ist
zum einen seine Ex-Freundin Fiona (Gabrielle Anwar), ein ehemaliges
IRA-Mitglied, klein, tough, sexy und mit einer Vorliebe für
Sniper-Gewehre und Sprengstoff. Hilfe kommt auch von seinem alten Kumpel
Sam, einem ewig Bier trinkenden Goldkettchenträger mit Kontakten zum
FBI. Sam wird gespielt Bruce Campbell, der in den 80er Jahren als
Hauptdarsteller der "Tanz
der Teufel"-Filme von Sam Raimi Kultstatus erlangte und hier
endlich mal wieder in einer größeren Rolle zu sehen ist. Und schließlich
gibt es da noch Michaels Mutter Madeline, eine kettenrauchende
Frührentnerin, wunderbar voller Besorgnis gespielt von Sharon Gless,
ehemals die blonde Hälfte des Polizisten-Duos "Cagney
& Lacey". Das sind natürlich Charaktere wie aus einem
Comic-Buch, und es besteht die Gefahr, dass die gesamte Serie in eine
oberflächliche Aneinanderreihung von Action-Szenen und coolen Sprüchen
abdriftet. Doch die Drehbuchautoren arbeiten sehr diszipliniert und
halten "Burn Notice" immer in der feinen Balance zwischen einer
ernsthaften Krimiserie und einer Parodie.
In Deutschland zeigt Vox derzeit die dritte Staffel von "Burn Notice",
in den USA ist man bei Staffel Nummer sechs angekommen. Es ist also zu
hoffen, dass die Serie noch eine Weile bei uns zu sehen sein wird.
Geschrieben am Mittwoch 06 Oktober 2010 um 11:29 von Roland Freist
Es ist wieder einer dieser Tage. Zum achten Mal geht der ehemalige
CTU-Agent Jack Bauer gerade wieder auf Terroristen-Jagd, und diesmal ist
es nach dem Willen der Serienmacher auch das letzte Mal. Und das ist nur
folgerichtig: Denn "24" fasste wie keine andere TV-Produktion der
letzten Jahre die gesellschaftliche Stimmung und die Entwicklungen
während der ersten zehn Jahre des 21. Jahrhunderts zusammen. Das
kommende Jahrzehnt wird – hoffentlich – von anderen Themen geprägt
werden.
"24" zeigte die Terrorfurcht in den USA (und erklärte sie für
begründet), sah frühzeitig die Rückkehr der Folter voraus, begleitete
den Siegeszug des Internet auf immer neue Mobilgeräte und setzte bereits
Anfang des Jahrzehnts darauf, dass es in absehbarer Zeit einen
afroamerikanischen Präsidenten geben würde. In ihrer präzisen
Beschreibung einer Epoche ist "24" vergleichbar mit "Miami
Vice", das die pastellfarbene Melancholie der 80er Jahre
vergleichbar gut wiedergegeben hatte. Wenn ich in einigen Jahren
jemandem diese letzten zehn Jahre beschreiben sollte, würde ich ihm eine
Staffel "24" auf DVD in die Hand drücken.
Die Serie wäre jedoch ohne Jack Bauer nur die Hälfte wert gewesen.
Kiefer Sutherland spielte ihn als einen zunehmend desillusionierten
Spezialagenten, der sich von Staffel zu Staffel immer weniger um Ethik
und Moral oder gar Gesetze scherte. Ohne zu zögern entführte, folterte
und mordete er. Dabei war er jedoch keineswegs der klassische Outlaw,
dem am Ende alles verziehen wird, weil er Erfolg hat. Bauer war sich
seiner Schuld jederzeit bewusst und bereit, die Konsequenzen zu tragen.
Aber man spürte die zunehmende Distanz, die er zu seinem Land und seinen
politischen Repräsentanten aufbaute, zumal diese sich immer wieder als
hochgradig korrupt erwiesen.
"24" war in Deutschland kein Erfolg, und das, obwohl vor allem RTL 2 zu
Anfang viel Werbung gemacht und mit unterschiedlichen
Ausstrahlungszeiten und -Modi experimentiert hatte. Vielleicht lag es
daran, dass die Angst vor Terroranschlägen in Deutschland erheblich
geringer war als in den USA, vielleicht aber auch an einer gewissen
Überfrachtung der Serie mit Anschlägen, Entführungen, Feuergefechten und
Atombomben. Das ist schade, da Machart und Konzept etwas völlig Neues
waren und Serie bis in die Nebenrollen mit zahlreichen erstklassigen
Schauspielern besetzt war. Möglicherweise wird "24" erst in einigen
Jahren die volle Anerkennung als das Zeitdokument finden, das es
zweifellos darstellt.
Geschrieben am Montag 07 Juni 2010 um 16:38 von Roland Freist
Republikaner und Demokraten vor Gericht
Heute Abend läuft auf Vox die letzte Folge von "Boston Legal", daher
noch einige Worte zum Abschied. Außergewöhnlich war bereits das Konzept,
in einer Anwaltsserie Politik und Comedy derart eng miteinander zu
verbinden. Wenn sich die beiden Hauptfiguren, der
konservativ-republikanische Denny Crane (William Shatner) und der
demokratische Alan Shore (James Spader), am Ende jeder Folge bei Whisky
und Zigarre auf der Terrasse der Kanzlei trafen, hoch über den Dächern
von Boston, besprachen sie nicht nur ihre Fälle und privaten
Auseinandersetzungen, sondern immer auch die
politisch-gesellschaftlichen Probleme der USA. Die Schlussplädoyers von
Shore, meist der Höhepunkt der jeweiligen Folge, formulierten scharfe
Anklagen gegen die Todesstrafe, gegen die Kluft zwischen Arm und Reich,
Rassismus, die Macht der Großkonzerne, Umweltzerstörung und vieles mehr.
Meist stimmten die Geschworenen dann zugunsten von Shores Mandanten.
Diese politischen Aspekte hätten bei einer normalen Anwaltsserie die
Zuschauer vermutlich scharenweise zum Umschalten bewegt, wenn "Boston
Legal" nicht von der ersten Folge an mit einem anarchischen Humor
gearbeitet hätte, der leider in den ersten Staffeln öfter auch mal ins
Zotige abglitt.
Für die bizarren Momente in der Serie sorgte zuverlässig William
Shatner, der für "Boston Legal" seinen bislang einzigen Golden Globe
(als bester Nebendarsteller) und dazu noch einen Emmy gewann. Sein Denny
Crane ist eine großartige Figur: Der erfolgreichste Strafverteidiger von
Boston, der von seinen knapp 6000 Fällen keinen einzigen verloren hat,
steinreich, mit einem kaum zu überschätzenden Einfluss in der Stadt,
wird langsam aber sicher senil, wiederholt als einziges Argument vor
Gericht und anderswo einfach nur noch seinen Namen und beginnt, sich im
Laufe der Serie immer mehr in einen pubertären Jugendlichen zurück zu
verwandeln – zum großen Entsetzen nicht nur der übrigen Gesellschafter
der Kanzlei, sondern auch seiner Mandanten und Gegner im Gerichtssaal.
Trotzdem wurde Denny Crane in der Serie nicht als Karikatur eines alten
Mannes mit Gedächtnisverlust gezeichnet, sondern die Macher zeigten
immer wieder auch das Mitgefühl seiner Freunde und Kollegen, genauso wie
die Verzweiflung von Crane selbst, der um seinen gesundheitlichen
Zustand wusste.
Und noch weitere Merkmale heben "Boston Legal" aus der Masse heraus: Es
war die einzige populäre Serie, deren Hauptfiguren allesamt bereits
jenseits der 50 waren. Dass die sie umgebenden Anwaltsgehilfen und
angestellten Anwälte deutlich jünger waren, liegt in der Natur der Sache
und führte letztlich nur dazu, dass diese Figuren mit einer
bemerkenswert hohen Frequenz von Staffel zu Staffel ausgetauscht wurden.
Während der vierten Staffel thematisierten die Drehbuchschreiber zudem
immer wieder den parallel zur Ausstrahlung laufenden Wahlkampf von Obama
gegen McCain, bis Denny Crane in der letzten Folge zugab, dass sogar er
für den Demokraten gestimmt hatte. Kein Wunder also, dass es heute Abend
in der letzten Folge zur Hochzeit zwischen Crane und Shore kommt. Damit
erhält dann auch die wohl am längsten dauernde TV-Liebesbeziehung
zwischen zwei Hetero-Männern einen würdigen Abschluss.
Geschrieben am Dienstag 25 Mai 2010 um 17:01 von Roland Freist
"Lost", aus und Schluss
Nach sechs Jahren lief letztes Wochenende im amerikanischen Fernsehen
die letzte Folge von "Lost", also die Folge, von der man sich erhofft
hatte, dass endlich alles erklärt werden würde, alle noch verbleibenden
Rätsel gelöst würden. Wenn man sich jedoch die Nacherzählungen in den
amerikanischen und deutschen Medien durchliest (siehe etwa hier den Artikel
im Independent oder auch hier das Special
auf Spiegel Online - Achtung, beide Male herrscht höchste
Spoiler-Alarmstufe), dann kam es so, wie man es eigentlich auch erwarten
musste - viele Fragen bleiben bis zum Schluss ungeklärt. Zu erwarten war
das, da es ja gerade das Prinzip der Serie war, offene Fragen mit immer
neuen Fragen und Geschichten zu beantworten. Das erklärt aber auch,
warum "Lost" mit zunehmender Dauer immer mystischer wurde. Denn
irgendwann gerät man eben an einen Punkt, an dem nur noch die großen
Fragen der Menschheit übrig bleiben, die Fragen nach Gut und Böse und
nach einem Leben nach dem Tod, um dem heillosen Chaos aus den
verschiedenen Handlungssträngen in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft
einen Rahmen zu geben. Ansonsten hätten sich die Geschichten voneinander
gelöst, wäre "Lost" aufgrund der Detailfülle in seine Einzelteile
zerborsten.
Diese immer stärkere Hinwendung zum Mystischen ist zum einen schade,
denn dieses Gebräu aus Inseln, die ihren Standort wechseln können,
angriffslustigen Rauchfahnen, Zeitreisen, wiederauferstandenen Toten und
Spontanheilungen ist natürlich ziemlicher Quatsch. Einerseits.
Andererseits hatte man die Figuren eben doch lieb gewonnen, vor allem da
man sie in den epischen Rückblenden während der ersten beiden Staffeln
so gut kennengelernt hatte. Und deshalb ging man mit Jack, Kate, Sawyer,
Hurley, Locke, Sayid, Jin und Sun dann doch schon mal bis zum Ende der
fünften Staffel. Die sechste Staffel läuft vermutlich nächstes Frühjahr
auf Kabel 1.
Und das ist es hoffentlich auch, was bleiben wird: Dass eine Serie, die
sich so ausführlich um ihre Charaktere kümmert - immerhin gab es ja zu
jeder Hauptfigur gleich mehrere Folgen, die sich ihr in Rückblenden
widmeten - eine ganz eigene Spannung entwickeln und zumindest in den USA
zu einem Publikumserfolg werden kann. Auf dass sich andere ein Beispiel
daran nehmen.
Der britische Channel 4 produzierte zum Serienstart von "Lost" einen
aufwändigen Trailer mit den Schauspielern am Set des abgestürzten
Flugzeugs. Sie führen einen bizarren Totentanz auf, der mit der Musik
von Portishead noch eindringlicher wirkt:
Die Serie begann dann spektakulär, mit einem der teuersten Pilotfilme
aller Zeiten. Und in der ersten Einstellung, man erinnert sich, öffnet
sich Jacks Auge:
Wie es dann in den folgenden fünf Staffeln weiterging, erklärt das
folgende rasante Video in acht Minuten und 15 Sekunden:
Geschrieben am Montag 08 März 2010 um 15:37 von Roland Freist
Was für eine langweilige Veranstaltung. Das lag zum einen an der
Moderation. Anders als in den vorangegangenen Jahren führte diesmal ein
Duo durch den Abend. Doch so witzig Steve Martin und Alec Baldwin allein
durchaus sein können, zusammen sprang der Funke nur selten über. Sie
waren nicht aufeinander eingespielt, lasen nahezu sämtliche Texte vom
Teleprompter ab und versemmelten auf diese Weise so manche Pointe. Dazu
waren die Gags gerade zu Beginn eher flach. Die Vorstellung der Gewinner
etwa durch Ben Stiller, als Na’vi geschminkt, oder durch Tina Fey und
Robert Downey Jr. war deutlich unterhaltsamer.
Zum anderen kam nie echte Spannung auf. Zu klein war dieses Jahr der
Kreis der potenziellen Gewinner, zu klar, wer in welcher Kategorie das
Rennen machen würde. Denn die Jury hatte sich nicht zu überraschenden
Entscheidungen durchringen können. Dass "The
Hurt Locker" zum Schluss mit sechs Auszeichnungen vor "Avatar"
mit drei Oscars stehen würde, war zu erwarten. Die technische Brillanz
von James Camerons SF-Blockbuster konnte nicht darüber hinwegtäuschen,
dass "The Hurt Locker" die interessantere Geschichte erzählte. Leider
ging die Liebe zu Filmen mit guter Story und vielschichtigen Charakteren
nicht so weit, dass die Academy "Up
in the Air" als besten Film prämiert hätte.
Die größte Überraschung war somit schließlich die Entscheidung in der
Kategorie "Bester fremdsprachiger Film". Erwartet hatte man, dass
entweder "Das weiße Band"
von Michael Haneke oder das französische Knast-Drama "Un
prophète" das Rennen machen würde, allenfalls hatte man
noch dem israelischen Beitrag "Ajami"
Chancen eingeräumt. Der Oscar für den argentinischen Film "El
secreto de sus ojos" ("The Secret in Their Eyes") kam daher
völlig unerwartet.
Der beste Witz an einem vier Stunden langen Abend gelang schließlich
Steve Martin, eine Minute, bevor die Übertragung zu Ende ging. "Diese
Sendung war so lang, dass 'Avatar' mittlerweile in der Vergangenheit
spielt", sagte er. Recht hat er.
Die Liste der Nominierten und Gewinner finden Sie auf jeder
Nachrichten-Website, morgen in Ihrer Tageszeitung oder einfach hier.
Geschrieben am Dienstag 02 März 2010 um 15:56 von Roland Freist
Ein Blick in die Zukunft
Zeitreise-Filme und -Serien haben einen ganz eigenen Reiz. Denn neben
die Frage, wie ein Ereignis vonstattengehen wird, tritt die Frage, ob es
sich überhaupt ereignen wird. Denn wenn den Protagonisten eine Reise in
die Vergangenheit erlaubt wird, können sie dort den Verlauf der
Geschichte so verändern, dass sich ihre Gegenwart – beziehungsweise, aus
der Vergangenheit gesehen, ihre Zukunft – komplett anders gestaltet, als
es zum Zeitpunkt ihrer Abreise der Fall war. Im extremsten Fall
beeinflussen sie ihre eigenen Vorfahren dergestalt, dass es gar nicht
erst zu ihrer eigenen Zeugung kommt, ihre eigene Existenz also unmöglich
wird, wodurch dann natürlich wiederum die Zeitreise und damit die
Möglichkeit zum Beeinflussen der Eltern entfällt – es entsteht eine Art
unendlicher Kreislauf, das berühmte Zeitreisen-Paradoxon.
Wenn die Protagonisten hingegen in die Zukunft sehen können, so entsteht
Spannung durch die Frage, ob diese Zukunft veränderbar ist oder ob das
Schicksal der Erde und jedes Menschen fest vorgezeichnet ist. So auch
bei „FlashForward“, einer neuen amerikanischen Serie, deren Pilotfolge
am Montag bei Pro 7 lief. Gleich zu Beginn fällt dort die gesamte
Weltbevölkerung in eine Art kollektiven Kurzschlaf, der genau zwei
Minuten und 17 Sekunden dauert. Mehr als 800 Flugzeuge stürzen ab, Autos
kollidieren, Brände brechen aus – was eben so geschieht, wenn Personen
an verantwortlicher Stelle ein kurzes Nickerchen einlegen. Und fast alle
Menschen haben während dieser Schlafperiode Visionen von einem Tag, der
genau sechs Monate in der Zukunft liegt.
Eine Abteilung des FBI um den Agenten Mark Benford (Joseph Fiennes) soll
ermitteln, wer hinter der Schlafattacke steckt. Gleich zu Anfang findet
er heraus, dass anscheinend nicht alle Menschen Visionen gehabt haben,
darunter auch sein Kollege Demetri Noh. Bedeutet das, dass der in sechs
Monaten tot sein wird? Und dann entdecken die Agenten auf dem
Überwachungsvideo aus einem Football-Stadium einen Mann, der offenbar
wach war, während um ihn herum alle einen Blackout hatten. Und er sieht
so aus, als sei er von der Situation nicht überrascht worden.
Nach dem Willen von ABC soll „FlashForward“ der Nachfolger des zumindest
in den USA erfolgreichen "Lost"
werden, dessen letzte Staffel gerade ausgestrahlt wird. Die Serie ist
daher ähnlich aufgebaut, rund um eine Handvoll von Personen, die nach
und nach näher vorgestellt werden. An die spektakuläre Pilotfolge von
"Lost" kam "FlashForward" zwar nicht heran, das Grundgerüst ist jedoch
vielversprechend. Allerdings spürt man hier und da auch die allzu
routinierte Handschrift von Produzent Brannon Braga, der bereits bei "Star
Trek: The Next Generation", "Voyager",
"Enterprise"
und dem gefloppten "Threshold"
seine Finger im Spiel hatte. In den USA hat die Serie während der
Ausstrahlung der ersten zehn Folgen bereits massiv Zuschauer verloren.
Dafür lief sie jedoch in England, Italien und Spanien recht erfolgreich.
Die Ausstrahlung der kompletten ersten Staffel ist damit wohl gesichert,
ob es eine zweite geben wird, steht derzeit jedoch noch in den Sternen.
Geschrieben am Donnerstag 25 Februar 2010 um 17:44 von Roland Freist
Das Tor zu einem anderen Schiff
An das Original-"Stargate"
musste ich mich erst gewöhnen, zu dröge kamen mir viele Folgen zu Anfang
vor. Dann aber, nach einigen Wochen, wurde die Serie zu einem festen
Bestandteil meines Mittwochabends, für die ich sogar den Video-
beziehungsweise später den DVD-Rekorder anwarf, wenn ich eine Folge zu
verpassen drohte. Das Spin-off "Stargate Atlantis" ließ jedoch meiner
Meinung nach in der Qualität stark nach, weshalb ich die Serie einige
Jahre nicht mehr verfolgte. Als ich schließlich vor einiger Zeit mangels
besserer Alternativen wieder etwas regelmäßiger reinschaltete, hatte ich
– auch wegen der Ausstrahlungspolitik von RTL II – einige Mühe, mich
wieder zurechtzufinden. Ging es jetzt gerade gegen die Goa’uld, die
Wraith oder die Ori? Und was ist mit Ba’al? Ist das jetzt unser Freund?
Ich hoffte nun, dass mit dem neuesten Ableger "Stargate Universe", der
letzten Mittwoch mit einer Doppelfolge startete, wieder etwas Klarheit
in die Serie kommen würde. Was auch geschah, Umgebung und Personen haben
sich komplett verändert. Die neue Umgebung ist ein Antiker-Schiff, das,
offenbar unbemannt und vor langer Zeit programmiert, Milliarden von
Lichtjahren entfernte Galaxien erkundet. Die menschliche Besatzung
besteht aus den Flüchtlingen von einer Planetenbasis, die sich bei einem
Angriff durch ein Stargate auf das Schiff gerettet haben. Das war jedoch
nur möglich, da es einem Teenager gelungen ist, ein altes mathematisches
Problem zu lösen, das bislang die Aktivierung von Chevron 9 auf dem
Stargate und damit den Transport über so weite Entfernungen verhindert
hatte. Das Rätsel hatten die menschlichen Wissenschaftler übrigens in
ein Computerspiel eingebaut, womit die Produzenten ganz offensichtlich
eine neue Generation von jüngeren Zuschauern anzulocken hoffen.
Wir haben also: einen neuen Chef, gespielt von Robert Carlyle (bekannt
geworden durch seine Rolle als Begbie in "Trainspotting",
in "The
Rise of Evil" hat er aber auch schon mal Adolf Hitler
verkörpert), ein riesiges, noch zu erkundendes Schiff, einen genialen,
leicht dicklichen und etwas nervigen Nerd und eine menschliche
Besatzung, die ein paar Dutzend Leute umfasst. Die Ausgangssituation
erinnert also ein wenig an "Stargate Atlantis", doch hoffentlich
entwickelt sich die Serie etwas besser. Gefallen hat mir die düstere
Atmosphäre, weniger gefallen hat mir, dass die Rolle des genialen
Wissenschaftlers schon wieder von einem leicht skurrilen Typen
übernommen wird – denn das ist dieser Junge offensichtlich. Auch einige
Ungereimtheiten in der Handlung trüben das Bild: Warum kann die
menschliche Besatzung auf dem Schiff nicht einfach wieder durch das
Stargate gehen und zumindest einen Stützpunkt in der Milchstraße
erreichen? Und zumindest bislang nehme ich Robert Carlyle die Rolle des
Schiffscaptains noch nicht ab. Man wird sehen, wie er und die Serie sich
entwickeln.