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Archiv der Kategorie TV-Kritik

TV-Kritik: "Orange is the New Black"

Geschrieben am Samstag 29 August 2015 um 18:15 von Roland Freist

"Orange" ist das neue Gold

Gefängnisserien genauso wie -filme folgen üblicherweise dem immer gleichen Muster: Die Hauptperson wird uns ausführlich vorgestellt, wir erfahren, was sie warum getan hat, wie sie geschnappt und verurteilt wurde, und bekommen Einblicke in ihre Vergangenheit. Im Gefängnis wiederum lernt diese Person ein oder zwei Freunde kennen, auch von denen erfahren wir einige Details aus ihrem Leben. Der Rest der Mithäftlinge jedoch bleibt uns fremd, sie sind unserer Hauptperson gegenüber gleichgültig bis feindselig eingestellt. Wer sie sind, woher sie kommen, und warum einige von ihnen der Protagonistin gegenüber feindselig eingestellt sind, bleibt meist im Dunkeln.

"Orange is the New Black" ist eine Gefängnisserie neuen Typs, denn sie interessiert sich nicht nur für die wenigen, positiv besetzten Hauptpersonen, sondern für die Charaktere sämtlicher Insassen des fiktiven Frauengefängnisses in Litchfield, New York, in dem die Serie spielt. Der Zuschauer gewinnt über Rückblenden nach und nach Einblicke in die Vergangenheit nicht nur der Inhaftierten, sondern auch der Gefängniswärter, die sie beaufsichtigen. Und zumindest in der ersten Staffel ahnt man mehr, als dass man weiß, warum die Frauen einsitzen. Man lernt ihr früheres Umfeld kennen, sieht jedoch nicht die Taten, die zur Verurteilung führten.

Die Serie begleitet die Managerin Piper Chapman (Taylor Schilling), die während ihrer College-Zeit für ihre damalige Freundin Alex Vause (Laura Prepon) einmalig 150.000 Dollar Drogengeld in die USA schmuggelte und prompt erwischt wurde. Zehn Jahre lang kam es nicht zur Anklage. Doch dann, kurz vor Ende der Verjährungsfrist, wurde Piper doch noch zu 15 Monaten verurteilt und landet eben in Litchfield. Sie hat größte Schwierigkeiten, sich an das Leben im Knast zu gewöhnen. Es gibt ein Regelwerk, das ihr niemand erklärt, stattdessen lassen die anderen Gefangenen genauso wie die Wärter sie immer wieder auflaufen. Doch mit der Zeit erobert sie sich ihren Platz. Und dann stellt sie fest, dass auch ihre Ex-Freundin Alex in Litchfield einsitzt.

Neben der in Deutschland kaum bekannten, aber ausgezeichnet spielenden Taylor Schilling fallen besonders Laura Prepon ("Die wilden 70er"), TV-Veteran Michael Harney als Gefängniswärter und natürlich Kate Mulgrew, bekanntgeworden als Captain Janeway vom Raumschiff Voyager und in Litchfield als russischstämmige Chefin der Küchenbrigade beschäftigt, ins Auge.

Eine der wesentlichen Handlungsschienen, die in anderen Serien und Filmen ebenfalls oft vernachlässigt wird, ist zudem die Geschichte des zurückgebliebenen Partners der Hauptperson. Die Entwicklung von Pipers Verlobtem Larry Bloom, gespielt von Jason Biggs ("American Pie"), während ihrer Haft wird genauso ausführlich geschildert wie die Geschichte ihrer Mitgefangenen.

"Orange is the New Black" entstand nach dem gleichnamigen Buch von Piper Kerman, die darin ihre realen Erlebnisse im Gefängnis erzählte. Konzipiert wurde die Serie von Jenji Kohan, die bereits für die grandiose Serie "Weeds" verantwortlich zeichnete. "Orange" wurde produziert von Netflix und ist in Deutschland online und auf DVD erhältlich.

"Orange is the New Black" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Samstag 29 August 2015 18:25

TV-Kritik: "The Walking Dead"

Geschrieben am Mittwoch 11 Dezember 2013 um 18:55 von Roland Freist

Eine soziologische Studie

"The Walking Dead" ist eine der erfolgreichsten neuen Serien der vergangenen Jahren. Dem Sender AMC hat sie die höchsten Einschaltquoten seiner Geschichte beschert, in den USA ist es die meistgesehene Kabelserie aller Zeiten. Das ist einigermaßen erstaunlich, da sie einem Genre zuzurechnen ist, das gemeinhin nur eine kleine Minderheit der Film- und Fernsehgucker interessiert, nämlich dem Zombie-Film beziehungsweise der Zombie-Serie (wobei ich jetzt keine zweite Serie wüsste, die sich dem gleichen Thema verschrieben hätte, ein eigenes Genre kann man damit also eigentlich nicht aufmachen).

Hauptperson ist Sheriff Rick Grimes (Andrew Lincoln), der bei einem Feuergefecht mit Kriminellen verwundet wird und erst einige Wochen später im Krankenhaus wieder aufwacht. Dabei muss er feststellen, dass die Welt während seiner geistigen Abwesenheit von einem Virus befallen wurde, der jeden Menschen kurze Zeit nach seinem Tod als Zombie wiederauferstehen lässt. Die Zombies haben Appetit auf Menschenfleisch und sorgen durch einen Biss dafür, dass sich ihre Mahlzeit in kürzester Zeit in einen der ihren verwandelt und ebenfalls mit gurgelnden Lauten auf der Suche nach Nahrung durch die Landschaft taumelt. Nur durch Zerstören des Gehirns können die Untoten zu echten Toten gemacht werden, man kennt das ja aus den Zombie-Filmen etwa von George Romero.

Die staatliche Ordnung hat sich aufgelöst, Polizei und Militär gibt es nicht mehr, Hörfunk und Fernsehen schweigen. Die überlebenden Menschen haben sich größtenteils zu kleinen Gruppen zusammengeschlossen, um sich gegen die Zombie-Plage zu verteidigen. Und hier wird es spannend: Denn "The Walking Dead" interessiert sich nur nebenbei für den Kampf Mensch gegen Zombie, dieser Krieg ist von vornherein verloren. Das Augenmerk der Serie richtet sich stattdessen auf die menschlichen Gemeinschaften, die nach der Katastrophe auf sich selbst gestellt sind. "The Walking Dead" ist ein soziologisches Experiment.

Die einzelnen Staffeln grenzen sich durch unterschiedliche Schauplätze voneinander ab. Die erste Staffel springt zunächst noch von einem Ort zum nächsten: Sheriff Rick stößt in der Stadt auf erste Verbündete, findet dann auf dem Land seine Frau und seinen Sohn wieder und zieht mit ihrer Gruppe zu einer Forschungseinrichtung, wo man nach einem Gegenmittel gegen den Zombie-Virus suchte. In der zweiten Staffel ist der örtliche Rahmen dann schon klar umrissen. Sie spielt durchgängig auf einer abgelegenen Farm und zeigt, wie die Großfamilie des Farmers mit Ricks Gruppe verschmilzt, und sie zeigt die Opfer, die dieser Prozess fordert. In der dritten Staffel ziehen die Reste der Farmgemeinschaft in ein verlassenes Gefängnis, dessen Stacheldrahtzäune und Gitter perfekten Schutz gegen die von den Zombies beherrschte Außenwelt bieten. Größere Gefahr droht jedoch von einer Siedlung in der Nähe, wo einige Hundert Menschen unter dem Kommando eines Diktators, der sich "Governor" nennen lässt, den Straßenzug einer Kleinstadt gegen die Zombies abgedichtet haben.

Die Serie beobachtet die Interaktion innerhalb der einzelnen Gruppen, wie die handelnden Personen zu Entscheidungen gelangen und wie sie ihre Konflikte lösen. Der Grundton ist pessimistisch, Untergang und Tod der restlichen Menschen scheinen unabwendbar. Der Titel "The Walking Dead" lässt sich in diesem Kontext auch so interpretieren, dass die Protagonisten eigentlich schon tot sind, nur noch sinnlos herumirrende Leichen.

Beim verzweifelten Kampf ums Überleben werden die Regeln einer zivilisierten Gesellschaft zunehmend ignoriert. Alles, was die eigene Gruppe bedrohen könnte, wird bekämpft. Rick, als Sheriff einst ein Gesetzeshüter, ermordet Fremde genauso wie Mitglieder der eigenen Gruppe im Bestreben, die Gemeinschaft zu beschützen. Neuankömmlinge werden mit Misstrauen empfangen und zumeist wieder vertrieben, hilflose Einzelgänger überlässt man dem Tod.

Spätestens ab der dritten Staffel schlägt "The Walking Dead" dann eine neue Richtung ein. Im Kampf um sichere Rückzugsorte, die sich zum Anbau von Nahrung eignen, setzen die Überlebenden die bissigen Untoten zunehmend als Waffe ein, um den Gegner zu dezimieren. Die Zombies sind nur noch eine Art Landplage, lästig, durchaus gefährlich, aber, von einigen Unfällen einmal abgesehen, insgesamt durchaus beherrschbar. Wesentlich mehr Opfer fordern die Verteilungskämpfe zwischen den einzelnen Gruppen. Und es zeigt sich, dass die größte Gefahr für den Menschen immer noch der Mensch selber ist.

"The Walking Dead" funktioniert, da man die Hauptfiguren über einen langen Zeitraum immer besser kennenlernt. Zudem verändern sie sich durch die Geschehnisse, sie entwickeln sich weiter, einige in eine positive Richtung, andere in eine negative. Als Zuschauer versteht man, was in ihnen vorgeht, und auch wenn viele Figuren keine Sympathieträger sind, interessiert man sich für ihre Schicksale. Denn obwohl es sich um eine Zombie-Serie handelt, geht es hier in erster Linie um die Menschen.

"The Walking Dead" ist in Deutschland über Fox im Zweikanalton zu sehen. Im Free-TV liefen die ersten drei Staffeln bei RTL II, das sie als Event-Programmierung jeweils an einem Wochenende ausstrahlte. In den USA läuft aktuell die vierte Staffel, eine fünfte Staffel ist bereits bestellt.

"The Walking Dead" in der IMDB

Der deutsche Trailer zur ersten Staffel:

Walulis sieht fern

Geschrieben am Montag 08 Juli 2013 um 10:55 von Roland Freist

Philipp Walulis macht seit 2011 Fernsehen, das sich mit Fernsehen beschäftigt, zuerst bei Tele 5, mittlerweile bei EinsPlus. Seine Sendung "Walulis sieht fern" zeigt die Stereotypen des deutschen Fernsehens, die immer gleichen Abläufe, Figuren und Kulissen, und ist in ihrer Analyse auch noch sehr witzig. EinsPlus strahlt die halbstündige Sendung jeden zweiten Mittwoch um 20:15 Uhr aus, neue Folgen sind für den Herbst angekündigt. Außerdem laufen einzelne Clips in der Satiresendung Extra 3 des NDR. Hier eine Auswahl der besten Parodien inklusive des "Tatort in 123 Sekunden", das Video hatte ich in diesem Blog schon einmal gezeigt.

Der typische Tatort in 123 Sekunden

Asis im Brennpunkt – die typische Scripted Reality

Schockierend – der typische Unglücksbeitrag

Abenteuer Halbwissen – die typische Werbe-Reportage

Samira Schwall – die typische Talkshow

München Tag und Nacht – die typische Scripted Soap

Ich bin ein C-Promi, schenkt mir Aufmerksamkeit

Die lustige Straßenumfrage

Die typische Freitagabend-Talkshow (Director's Cut)

Bearbeitet: Montag 08 Juli 2013 11:49

TV-Kritik: "Mad Men"

Geschrieben am Freitag 11 Januar 2013 um 16:25 von Roland Freist

Verrückte 60er

Neben "Breaking Bad" (hier meine Kritik) ist "Mad Men" die zweite große und wichtige TV-Serie der letzten Jahre. Beide laufen in den USA beim Pay-TV-Sender AMC, der auch die Zombie-Serie "The Walking Dead" ausstrahlt.

"Mad Men" spielt in der fiktiven Werbeagentur Sterling Cooper Anfang der 60er Jahre. Von diesem Umfeld leitet sich auch der Titel ab: Einige der größten amerikanischen Agenturen haben ihren Sitz in der New Yorker Madison Avenue, Mad Men ist die Bezeichnung, die sich die dort arbeitenden Werbeleute selbst gerne geben. Hauptperson der Serie ist der Kreativdirektor von Sterling Cooper, Don Draper, gespielt von Jon Hamm. Seine Erlebnisse in der Agentur und außerhalb mit seiner schönen Frau Betty (January Jones, die beste Grace-Kelly-Darstellerin seit Grace Kelly selbst) und den beiden Kindern sind der rote Faden, der sich durch die Serie zieht. Dazu kommen verschiedene Nebenhandlungen rund um andere Beschäftige der Agentur.

Zwei Aspekte sind es, die bei dieser Serie einen "Wow!"-Effekt verursachen: zum einen die Ausstattungsorgie, die sich der Sender geleistet hat. Es gibt keine Krawatte, keinen Manschettenknopf, keine Halskette, kein Kleid, kein Hemd und keinen Anzug, der nicht der Mode Anfang der 60er Jahre entspricht. Auch jedes Detail der Büro- und Wohnungseinrichtung, jeder Stuhl, jeder Tisch, jede Vase, jede Lampe ist entweder ein Original aus der damaligen Zeit oder bis ins kleinste Detail originalgetreu nachgebaut. Zusammen mit der hohen Qualität der Bilder, in Farbe und Aufbau phantastisch komponierte Aufnahmen der Akteure und ihrer Umgebung, entsteht ein hochgradig realistischer Eindruck von dieser Zeit. Er wird noch verstärkt durch gelegentlich zu sehende Fernsehbilder etwa von Reden Martin Luther Kings oder von zeitgenössischen Werbespots.

Diesen Realismus machen sich die Autoren von "Mad Men" rund um den Produzenten Matthew Weiner zunutze, um den zweiten "Wow!"-Effekt zu erzielen: Der Zuschauer zieht unwillkürlich Vergleiche zwischen dem Verhalten der Akteure in den frühen 60ern und den heute üblichen Verhaltensweisen. Aufgrund der teilweise krassen Unterschiede wird man immer wieder mit der Nase darauf gestoßen, welche großen gesellschaftlichen Veränderungen in den letzten Jahren vonstattengegangen sind, wie stark sich die Bewertungen vieler Sachverhalte verändert haben.

Einige Beispiele: In "Mad Men" wird völlig selbstverständlich gesoffen was die Leber hergibt. Unter dem Führungspersonal gehört es zum guten Ton, jedem Kollegen, der das Büro betritt, einen Whisky oder Gin anzubieten, und sei es auch erst zehn Uhr vormittags. Zu diesem Zweck stehen überall kleine Zimmerbars bereit. Mittags und nach der Arbeit schüttet man zusätzlich Martinis in sich hinein. Und es wird geraucht: Don Draper ist genauso wie seine Frau kaum jemals ohne Zigarette zu sehen. Man raucht in jedem Büro, jeder Wohnung, während geschäftlicher Besprechungen, aber auch im Fahrstuhl und in Gegenwart der Kinder. Ein Gesundheitsbewusstsein existiert nicht, der ständige Genuss harter alkoholischer Getränke gilt als ein Zeichen von Weltläufigkeit.

Auffällig ist auch die Rolle der Frauen. Zu Beginn der ersten Staffel sind sämtliche Texter und das gesamte Führungspersonal bei Sterling Cooper männlich. Weiblich sind lediglich die Assistentinnen, die vor den Büros sitzen und für ihre männlichen Kollegen die Telefonverbindungen herstellen. Lediglich Peggy Olson (Elisabeth Moss) gelingt es, von der Sekretärin zur Texterin mit eigenem Büro aufzusteigen. Dafür muss sie jedoch disziplinierter sein und härter arbeiten als die Männer. Und sie bezahlt einen hohen Preis für ihren Aufstieg: Nachdem ihr Kollege Pete Campbell (Vincent Kartheiser) sie geschwängert hat, muss sie die Schwangerschaft verbergen, darf niemandem etwas davon erzählen und gibt das Kind schließlich zu Pflegeeltern. Hätte jemand etwas von dem unehelichen Kind erfahren, wäre das wohl das Ende ihrer Karriere gewesen.

Immer wieder gibt es Szenen, in denen die Frauen privat und beruflich gedemütigt und von den Männern als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Das geschieht noch nicht einmal in böser Absicht – es ist einfach der gesellschaftliche Konsens und reine Gedankenlosigkeit. Aber in den Augen der Frauen kann man sehen, dass sie beginnen, sich eigene Gedanken zu machen, und dass es anfängt zu gären. Das Großartige an "Mad Men" ist dabei, dass die Serie dem Zuschauer die Gedanken der Menschen verrät, ohne dass sie ausgesprochen werden.

Weitere Themen, die die Serie aufgreift, umfassen beispielsweise den Umgang mit Homosexuellen – der Chefgrafiker Salvatore Romano (Bryan Batt) ist schwul und verbirgt das hinter der Fassade einer bürgerlichen Ehe – oder auch mit Afroamerikanern. Und immer verrät einem "Mad Men" mindestens genauso viel über die heutige Zeit wie über die Epoche, in der die Serie spielt.

ZDF neo zeigt derzeit jeden Mittwochabend Wiederholungen der zweiten und dritten Staffel von "Mad Men". Ab 13. Februar soll die vierte Staffel ausgestrahlt werden.

"Mad Men" in der IMDB

Das folgende Video versammelt sämtliche Trinkszenen der Serie und demonstriert, welche unglaublichen Mengen Alkohol die Darsteller in sich hineinschütten:

Das nächste Video verspricht einen Zusammenschnitt aller Szenen, in denen bei "Mad Men" geraucht wird. Aber das stimmt nicht, es sind erheblich mehr.

Bearbeitet: Montag 14 Januar 2013 17:21

TV-Kritik: "Breaking Bad"

Geschrieben am Sonntag 19 August 2012 um 17:20 von Roland Freist

Walter White wechselt auf die dunkle Seite

"Breaking Bad" ist ohne Zweifel eine der besten Fernsehserien nicht nur des aktuellen Programms, sondern aller Zeiten. Sie erzählt die Geschichte des Chemielehrers Walter White (Bryan Cranston, "Malcolm mittendrin"), der unheilbar an Krebs erkrankt und daraufhin beschließt, Crystal Meth herzustellen, um mit dem Drogengeld seine Behandlung zu bezahlen und seine Familie finanziell abzusichern. Über fünf Staffeln hinweg sieht man zu, wie aus einem harmlos wirkenden, zurückhaltenden Mann aus der unteren Mittelschicht der führende Drogenproduzent von Albuquerque, New Mexico, wird, ein hochgradig gefährlicher Krimineller.

Dabei scheint anfangs alles nur ein Spiel zu sein. Die Serie besitzt einen zuweilen zwar grimmigen, aber immerhin Humor: Um sein schmales Lehrergehalt aufzubessern, arbeitet White nebenbei in einer Autowaschanlage, wo er immer wieder auch mal die Wagen seiner Schüler putzen muss. Erst nachdem bei ihm Krebs festgestellt wird, beginnt er Meth zu kochen, ein preiswertes, illegales Aufputschmittel, das zu psychischer Abhängigkeit führt und zu dessen Nebenwirkungen Persönlichkeitsveränderungen und Zahnausfall gehören. Als Gehilfen heuert er ausgerechnet einen ehemaligen Schüler von sich an, einen Jungen namens Jesse Pinkman (Aaron Paul), dem er in Chemie eine Fünf gegeben hatte. Jesse ist ein Junkie und verhilft Walter White mit seinem Insiderwissen über die Drogenszene von Albuquerque zu ersten Verkaufserfolgen. Seiner Frau Skyler (Anna Gunn) und seinem behinderten Sohn Walter Jr. (RJ Mitte) erzählt White zunächst nichts von seiner neuen Einnahmequelle. Ein witziger Einfall der Drehbuchschreiber ist, dass Walters Schwager Hank Schrader (Dean Norris) ein ziemlich abgebrühter Agent der Antidrogen-Behörde DEA ist.

Doch was zunächst wie eine Serie über Walters Abenteuer in der Drogenwelt aussieht, entwickelt recht schnell immer düsterere Töne. Zwar kann sich Walter White mit dem Drogengeld eine erstklassige medizinische Behandlung bei einem der besten Onkologen der USA leisten. Doch damit der Geldfluss nicht abreißt, ist er gezwungen zu morden, er muss Konkurrenten und bezahlte Killer aus dem Weg räumen, wenn er nicht Gefahr laufen will, mit seinen Geschäften aufzufliegen. Er sieht aber auch tatenlos zu, als Jesses Freundin an ihrem Erbrochenen erstickt, und er verstrickt sich gegenüber seiner Familie immer mehr in Lügen und gefährdet damit seine Ehe. Spätestens ab der dritten Staffel wird ihm auch immer mehr das Schicksal der Crystal-Meth-Süchtigen bewusst, die von seinen Drogen zugrunde gerichtet werden. Immer deutlicher wird, dass der Preis für Walter Whites Überleben der Tod der anderen ist.

Der Name des Protagonisten, Walter White, deutet darauf hin, dass der Erfinder der Serie, Vince Gilligan, ehemals Produzent von "Akte X", ursprünglich im Sinn hatte, mithilfe einer exemplarischen Figur die Angst des amerikanischen Mittelstands vor dem Abrutschen ins Prekariat zu beschreiben und zu zeigen, wie diese soziale Ungewissheit einen Menschen kriminell werden lässt. Doch dieses Konstrukt hat von Anfang an nicht so recht funktioniert, denn White ist als festangestellter Lehrer natürlich krankenversichert. Die Behandlung seiner Krebserkrankung würde von der Kasse bezahlt, der Aufbau einer illegalen Drogenküche wäre an und für sich nicht notwendig. Als Kritik am amerikanischen Gesundheitswesen ist die Serie daher ebenfalls nicht geeignet. Die erste Staffel baut daher die Hilfskonstruktion auf, dass der Spezialist, bei dem sich White in Behandlung begibt, so teuer ist, dass die Krankenversicherung die Kosten nicht übernimmt.

Doch je weiter die Serie voranschreitet, desto mehr weichen die Drehbuchautoren von der ursprünglichen Konzeption ab. Tatsächlich belügt sich Walter White mit der Entschuldigung für seine Taten (er muss seine Behandlung bezahlen und will, dass seine Familie nach seinem Tod materiell versorgt ist) nur selbst. Denn zum einen bietet ihm ein reicher Freund an, die Schecks an das Krankenhaus zu übernehmen, koste es, was es wolle. Zum anderen findet seine Frau Skyler, eine gelernte Buchhalterin, schon bald nach der Geburt ihres zweiten Kindes in der zweiten Staffel wieder einen gut bezahlten Job. Ein materieller Notstand ist daher auch nach dem Tod von Walter nicht zu erwarten. Aufgrund seiner Lügen ist seine Ehe zudem schon längst am Ende, seine Frau will sich scheiden lassen. Bis es in der dritten Staffel auch bei ihr zu einer 180-Grad-Drehung kommt: Längst hat sie erfahren, worin die Nebentätigkeit ihres Mannes besteht und wie viel Geld er damit verdient. Und plötzlich beginnt auch sie eine Lügenkonstruktion aufzubauen, um mit den Hunderttausenden von Dollars, die Walter nach Hause bringt, der Familie ihrer Schwester helfen zu können, deren Mann, der DEA-Agent, schwer verletzt im Krankenhaus liegt.

"Breaking Bad" zeigt, wie einfach der Übergang von einem gesetzestreuen, bürgerlichen Leben zu einer kriminellen Existenz ist. Walter White kämpft immer weniger gegen den Krebs und immer häufiger gegen konkurrierende Dealer und Mafia-Organisationen. Immer mehr Menschen werden zu seinen Opfern, und das zunehmend mit Duldung durch seine Frau. Beide wollen die Drogengelder jedoch nicht verwenden, um damit eigenen Luxus zu finanzieren, sondern um der eigenen Familie zu helfen und sie zu schützen – selbst wenn das objektiv gesehen nicht notwendig wäre. Zynischer ist die angebliche Keimzelle der Gesellschaft wohl noch nie gezeigt worden.

Zum Glück vermeidet die Serie dabei einen belehrenden Tonfall. "Breaking Bad" ist eine spannende Krimi- und Familienserie, bei der der Kontrast zwischen der düsteren, pessimistischen Stimmung und dem grellen, klaren Licht von New Mexico oftmals surrealistische Bilder erzeugt. Zu Recht wurde die Nachbearbeitung der Bilder bereits zweimal mit dem Fernsehpreis Emmy ausgezeichnet, die durchweg hervorragende Kameraarbeit wurde mehrfach für Auszeichnungen nominiert. Zusammen mit der hohen Qualität der Drehbücher und den ausgezeichneten Schauspielern – Bryan Cranston bekam bislang schon drei Emmys, dazu kommt einer für Aaron Paul – ist daraus ein Gesamtpaket entstanden, das momentan alle anderen Fernsehprogramme überstrahlt.

In Deutschland und Frankreich liegen die Free-TV-Rechte an "Breaking Bad" bei Arte, das die Staffeln 1 bis 3 in Doppelfolgen ausgestrahlt hat. Staffel 4 wechselt auf einen neuen Sendeplatz am Freitagabend und wird ab dem 2. November 2012 gezeigt. Alle vier Staffeln sind bereits in deutscher Übersetzung auf DVD erhältlich. In den USA läuft derzeit die fünfte und letzte Staffel. Als Ergänzung zu diesem Artikel finden Sie in diesem Blog unter diesem Link ein Video mit Szenen aus "Breaking Bad", die die hervorragende Kameraarbeit demonstrieren.

"Breaking Bad" in der IMDB

Der amerikanische Trailer:

Bearbeitet: Donnerstag 17 Januar 2013 9:56

Oscar-Verleihung 2012

Geschrieben am Montag 27 Februar 2012 um 17:36 von Roland Freist

Nachdem die Veranstaltung in den vergangenen beiden Jahren an schlecht aufeinander eingespielten (Steve Martin und Alec Baldwin) und völlig ungeeigneten (Anne Hathaway und James Franco) Moderatoren litt, setzte die Academy dieses Jahr wieder auf die bewährten Dienste von Billy Crystal. Allerdings nicht ganz freiwillig – eigentlich wollte man es dieses Jahr mit Eddie Murphy probieren, der dann jedoch absagte, weil man seinem Kumpel Brett Ratner (der Regisseur von "Rush Hour") die Produktion der Sendung abgenommen hatte, nachdem er sich im Vorfeld zu einer flapsigen, angeblich schwulenfeindlichen Bemerkung hatte hinreißen lassen ("Proben ist was für Schwuchteln"). Schade eigentlich, denn Eddie Murphy war früher ein ausgezeichneter Standup-Comedian. Ich hätte gern gesehen, wie er diesem Abend seinen Stempel aufgedrückt hätte.

Billy Crystal machte seine Sache natürlich nicht schlecht. Er übernahm die Moderation dieses Jahr bereits zum neunten Mal und hatte daher die notwendige Routine im Rücken, um die Veranstaltung souverän über die Bühne zu bringen. Er war witzig, durchaus auch spontan und wie immer leicht ironisch. Aber trotz seiner gefärbten Haare sah man ihm an, dass er nicht mehr der Frischeste ist. Crystal wird in ein paar Tagen 64, da sind andere Arbeitnehmer längst in Altersteilzeit. So wurde es dann eine eher laue und mittelmäßige Veranstaltung ohne große Überraschungen. Keiner fiel aus der Rolle, Skandale blieben aus. Die Dankesreden waren ausnahmsweise wirklich einmal angenehm kurz, es gab Tränen (Octavia Spencer bei Entgegennahme des Oscars für die beste Nebendarstellerin in "The Help"), einige ansatzweise witzige Auftritte (Jean Dujardin, Meryl Streep) und in der Halbzeitpause einen guten, wenn auch nicht sensationellen Auftritt vom Cirque de Soleil.

Die großen Abräumer waren wie erwartet "The Artist" (fünf Oscars für die beste Regie, den besten Film, den besten Hauptdarsteller, die beste Originalmusik und die besten Kostüme) und "Hugo Cabret" (ebenfalls fünf Oscars für die beste Kamera, die besten visuellen Effekte, die beste Art Direction, das beste Sound-Editing und den besten Soundmix). Ich hätte die beiden "großen" Oscars, also Film und Regie, ebenfalls an "Hugo Cabret" und Martin Scorsese gegeben, da der Film im Unterschied zu "The Artist" mit seinem Einsatz der 3D-Technik zukunftsweisend ist. Aber sei's drum. Insgesamt ging die Verteilung der Preise in Ordnung. Und die Tatsache, dass die Academy zwei sehr gewagte und mutige Filmprojekte – einen schwarzweißen Stumm- und einen intelligenten 3D-Film – belohnt hat, macht Hoffnung für die nächsten Kinojahre.

Der typische "Tatort" in 123 Sekunden

Geschrieben am Freitag 09 Dezember 2011 um 15:28 von Roland Freist

Der Autor, Moderator und Redakteur Philipp Walulis präsentiert jede Donnerstagnacht um 0 Uhr 40 bei Tele 5 seine Fernseh-Comedyshow "Walulis sieht fern". Von dort stammt der folgende Clip:

TV-Kritik: "True Blood"

Geschrieben am Donnerstag 10 November 2011 um 15:17 von Roland Freist

Vampire is the Nigger of the World

Eine Fernsehserie als soziologische Studie. "True Blood" nimmt einen der beliebtesten Werbesprüche für Horror- und Science-Fiction-Filme ernst und sagt: Sie sind unter uns. Doch im Unterschied zu den Genrefilmen stellt die Serie gleichzeitig die Frage, was es konkret für eine Gesellschaft bedeutet, wenn plötzlich eine gänzlich fremde Bevölkerungsgruppe in ihrer Mitte auftaucht.

Es geht um Vampire. Die erste Staffel von "True Blood" reißt die Vorgeschichte an: In Japan wurde ein preiswerter, vollwertiger Ersatz für menschliches Blut erfunden, der nun unter dem Markennamen True Blood in Flaschen abgefüllt und in verschiedenen Blutgruppen verkauft wird. Für die Vampire heißt das, dass ihr Überleben nicht mehr von einem ständigen Nachschub an natürlichem, vorzugsweise menschlichem Blut abhängig ist. Sie müssen nicht mehr als Illegale leben und auf die Jagd gehen, sondern können ihre Nahrung aus dem Supermarkt beziehen und in jeder Bar bestellen. Die Vampir-Gemeinschaft beschließt daraufhin, sich zu outen, und fordert ihre Bürgerrechte ein.

Die Serie spielt in einem kleinen Ort namens Bon Temps in Louisiana. Als dort die ersten Vampire auftauchen, entwickeln sich beispielhaft die Konflikte, die nach dem Outing die gesamten USA beschäftigen und die ab und zu im Hintergrund in Fernseh-Talkshows diskutiert werden: Es geht um die Angst der Menschen vor dem Unbekannten, um die Angst, wie die neuen Nachbarn die vertraute Umgebung verändern könnten. Es geht um Vorurteile und Rassismus – viele der Weißen im Ort fühlen sich bedroht von der Sexualität der einstigen Blutsauger, während die Schwarzen misstrauisch registrieren, dass einige der zumeist weißen Vampire in früheren Jahrhunderten Sklavenhalter waren. Es geht aber auch um Toleranz und, ganz kitschig, um die Liebe zwischen Sookie Stackhouse, einer jungen Kellnerin (Oscar-Preisträgerin Anna Paquin, "Das Piano") und Bill Compton (Stephen Moyer), einem Vampir, der trotz seines fortgeschrittenen Alters von mehreren Hundert Jahren immer noch aussieht wie ein Dreißigjähriger.

"True Blood" zeigt, wie sich Menschen und Vampire allmählich aneinander gewöhnen und wie sie lernen, miteinander zu leben. Weitere Figuren aus Fantasy-Welten tauchen auf und werden nach und nach akzeptiert: Sookie entpuppt sich als Gedankenleserin mit übernatürlichen Kräften, ihr Chef, der Kneipenwirt Sam Merlotte (Sam Trammell), ist ein Gestaltwandler, und ab Staffel 3 treten dann auch noch die prolligen Werwölfe in ihren Biker-Klamotten auf. Anstatt allerdings Krieg gegeneinander zu führen, wie sie es wohl in anderen TV- und Kino-Produktionen tun würden, üben sich die Gruppen im Zusammenleben – nicht freiwillig, sondern weil ihnen letztlich keine Wahl bleibt. Sie beginnen sogar, einander beizustehen und sich gegenseitig zu helfen: Als in der zweiten Staffel eine Mänade ihr Unheil treibt, ein Wesen aus der griechischen Mythologie, kann sie erst durch die Zusammenarbeit zwischen Menschen, Vampiren und dem Gestaltwandler besiegt werden. Natürlich brechen die Konflikte immer wieder auf, Verbrechen werden verübt, es gibt Tote. Doch auf der anderen Seite ist immer auch eine Entwicklung hin zum Besseren erkennbar.

In gewisser Weise setzt Produzent Alan Ball mit "True Blood" fort, was er mit "Six Feet Under" begonnen hatte – auch diese Serie beobachtete, wie sich eine Gruppe äußerst unterschiedlicher Charaktere miteinander arrangierte. Den morbiden Touch lieferte in diesem Fall ein Bestattungsinstitut.

Mänaden, Vampire, Werwölfe, Gestaltwandler, Gedankenleser – das ist selbst für Zuschauer mit einer Harry-Potter-Vorgeschichte starker Tobak. Dass "True Blood" damit durchkommt, liegt in erster Linie an der Szenerie. Der großartige Vorspann der Serie beschwört die schwülwarme Athmosphäre des von Sümpfen durchzogenen Louisiana und die Rückständigkeit der Provinz. Er weckt Assoziationen von geheimen afrikanischen Naturreligionen, grausamen Voodoo-Ritualen, christlichem Aberglauben, Wahnsinn, Verwesung und Tod. Unterstützt durch die drastischen Sex- und Gewaltdarstellungen der Serie und die Bilder von blutverschmierten, nackten Körpern entsteht der Eindruck einer Welt, in der alte, archaische Kräfte am Werk sind. Alles zusammen stimmt den Zuschauer ein auf eine Handlung, die ganz selbstverständlich Figuren aus den alten Mythologien auferstehen lässt, um zu untersuchen, wie Menschen heute ganz banal miteinander auskommen können.

RTL II zeigt derzeit mittwochs gegen 23 Uhr die dritte Staffel von "True Blood".

"True Blood" in der IMDB

Das Intro der Serie. Der Song heißt "Bad Things" und ist von Jace Everett:

Bearbeitet: Montag 14 Januar 2013 17:11

Der typische "Tatort" in 123 Sekunden

Geschrieben am Mittwoch 09 November 2011 um 15:28 von Roland Freist

Der Autor, Moderator und Redakteur Philipp Walulis präsentiert jede Donnerstagnacht um 0 Uhr 40 bei Tele 5 seine Fernseh-Comedyshow "Walulis sieht fern". Von dort stammt der folgende Clip:

TV-Kritik: "Bones"

Geschrieben am Mittwoch 19 Oktober 2011 um 11:12 von Roland Freist

Das Matriarchat im Leichenhaus

In den ersten Folgen war "Bones" lediglich eine originell gemachte Krimiserie mit guten Dialogen, eine Mischung aus Detektivserie und "CSI", was sich auch in den Hauptfiguren manifestierte, dem FBI-Agenten Seeley Booth (David Boreanaz) und der forensischen Anthropologin Dr. Temperance "Bones" Brennan (Emily Deschanel).

Doch je länger die Serie lief, desto mehr wurde die Krimihandlung zur Nebensache. Zwar hielten sich die Drehbücher immer noch an die üblichen Krimistandards, doch die Aufklärung über die Hintergründe der Todesfälle sowie die Überführung und Ergreifung des Mörders waren zunehmend nur noch dazu bestimmt, den Geschichten eine Struktur zu geben. Spannung kommt bis heute nur selten auf, die Charakterzeichnung von Täter und Opfer bleibt zumeist blass. Niemand schaut sich "Bones" wegen der Kriminalfälle an.

Was die Serie sehenswert und manche Folgen zu einem echten Vergnügen macht, ist die Interaktion zwischen den Hauptfiguren. Die meisten von ihnen arbeiten im (fiktiven) Jeffersonian Institute in Washington, D. C. – Bones selbst, ihre Vorgesetzte Dr. Saroyan, Angela, Hodgins sowie die von Folge zu Folge wechselnden Praktikanten. Es herrscht eine Stimmung wie in einer Wohngemeinschaft, die wirklich ausgezeichneten Dialoge springen von einem Satz zum nächsten vom Beruflichen ins Private und wieder zurück. Dieser Kontrast aus Leichen im fortgeschrittenen Verwesungszustand und den über sie gebeugten Jeffersonian-Mitarbeitern, die sich über ihre Beziehungsprobleme unterhalten, sorgt immer wieder für hochgradig komische Momente.

Hinzu kommt die Konstellation mit dem weiblichen Dreigestirn aus Bones, Saroyan und Angela an der Spitze des Instituts. Bei "Bones" kann man einem modernen, gut funktionierenden Matriarchat bei der Arbeit und im alltäglichen Leben zusehen. Die Männer besetzen lediglich die sympathischen Nebenrollen: Hodgins, der Nerd und geniale Entomologe, sowie die wunderbaren, ebenfalls ziemlich nerdigen Praktikanten des Instituts. Dr. Goodman, der in der ersten Staffel die Leitung des Instituts innehatte, wirkte dagegen immer wie ein Fremdkörper und wurde zu Beginn der zweiten Staffel zu Recht ausgetauscht.

Booth, die männliche Hauptfigur, übernimmt in dieser Serie den Part, den ansonsten immer die Frauen ausfüllen. Mit seinen oftmals emotionalen Reaktionen bildet er das Gegengewicht zu den nüchtern und sachlich denkenden und handelnden Wissenschaftlerinnen. Während es zwischen Bones und Saroyan in früheren Folgen immer mal wieder Eifersüchteleien um die Machtpositionen im Institut gab, scheint Booth überhaupt keinen Vorgesetzten zu haben und an einem Aufstieg in höhere Dienstränge völlig desinteressiert zu sein. Seine einzige Respektsperson ist wieder eine Frau, die Staatsanwältin Caroline Julian. Im Unterschied zu den Frauen, und vor allem zu Bones, die es mit ihren Büchern offenbar zu einigem Wohlstand gebracht hat, bezieht er auch kein hohes Einkommen.

Bones und Booth sind das Paar, das die Serie trägt. Es ist ein altes, einfaches Rezept: Nimm ein möglichst gegensätzliches Paar, füge sie zu einem Team zusammen, lass sie Sympathien füreinander entwickeln, und du bekommst eine zwischenmenschliche Spannung, die die Handlung jahrelang tragen kann. Bei "Bones" traten ab der zweiten Staffel zunehmend auch die Nebenfiguren ins Rampenlicht, man konnte den Schauspielern zusehen, wie sie zusammen mit den Drehbuchautoren die Rollen entwickelten. Das Traumpaar Bones/Booth ist seither zwar immer noch das Herzstück der Serie, doch mittlerweile ist es eingebunden in eine Familie.

Es gab und gibt immer wieder schwächere Folgen von "Bones". Zumeist sind es die, in denen dann doch wieder die Krimihandlung im Vordergrund steht. Aber dann spürt man, dass wieder ein Ruck durch die Mannschaft ging, sich alle etwas zusammenrissen und erneut ein echtes Highlight fabrizierten, mit neuen, überraschenden Geschichten aus der Jeffersonian-Familie, guten, schön albernen Gags und einem wieder einmal besonders unappetitlichen Leichenfund.

RTL zeigt donnerstags derzeit die sechste Staffel von "Bones", in den USA läuft bereits Nummer Sieben. Ob es eine achte Staffel geben wird, ist noch ungewiss.

"Bones" in der IMDB

Das Team stellt sich vor:

Bearbeitet: Montag 14 Januar 2013 17:12

TV-Tipp: "Burn Notice"

Geschrieben am Montag 14 Februar 2011 um 18:03 von Roland Freist

In den Nischen der Privatsender finden sich immer wieder echte Perlen der US-Serienproduktion. Vox hat bereits seit einigen Jahren ein gutes Gespür für außergewöhnliche Serien gezeigt. Leider ließ es der Sender oftmals an der notwendigen Werbung fehlen, so dass vieles davon nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit lief. Andererseits können sich natürlich nur so kleine, exklusive Fanzirkel bilden, deren Angehörige sich stolz als early adopters fühlen dürfen.

So verhält es sich auch mit "Burn Notice", einer Krimiserie, die Vox am Montagabend kurz nach 22 Uhr ausstrahlt. Eine Burn Notice ist laut der Erklärung des eloquenten Protagonisten Michael Westen (Jeffrey Donovan) eine Art Kündigungsschreiben für Geheimagenten. Das ist dann auch der Ausgangspunkt der ersten Staffel: Westen wurde nach mehreren Jahren im Dienst der CIA gefeuert, seine Kreditkarten funktionieren nicht mehr, seine Identität wurde gelöscht. Der ehemalige Spion sitzt in Miami fest und schlägt sich Woche für Woche als eine Art Privatdetektiv durch, allerdings einer der etwas ruppigeren Art. Michael Westen beschattet keine untreuen Ehepartnern und sucht auch nicht nach entlaufenen Teenagern, sondern er löst Probleme mit Drogenhändlern, Kidnappern und dem organisierten Verbrechen. Dabei helfen ihm immer wieder seine Erfahrung und seine Ausbildung aus der Zeit bei der CIA. Neben dieser Auftragstätigkeit verfolgt er aber auch ein größeres Ziel: Westen will wieder zurück zur CIA und versucht herauszufinden, wer ihn aus welchen Gründen kaltgestellt hat. Das gibt der Serie eine schöne, locker verfolgte Storyline.

Was "Burn Notice" von anderen Produktionen mit ähnlicher Thematik abhebt, ist die Ironisierung des Geschehens, die durch Michaels ständige Kommentare aus dem Off zustande kommt – eine Technik, die so ähnlich auch "Magnum" verwendete, das damit Hollywoods schwarze Serie zitierte und teilweise auch parodierte. Als stünde er vor einer Klasse von CIA-Kadetten, erklärt Michael Westen in schulmeisterlichem Ton, wie man etwa ein effektives Verhör durchführt, eine Fabrik ausräuchert, Bomben baut, Wanzen setzt (Tipp: möglichst im Handy platzieren, so ist schon mal die Stromversorgung gesichert) oder sich selbst vor Überfällen und Abhören schützt. So habe ich beispielsweise gelernt, dass Geheimdienste gerne Wohnungen abhören, indem sie mit einem Laserstrahl die Schwingungen der Fenster abtasten und wieder in Sprache umsetzen. Was man dagegen tun kann? Michael Westen empfiehlt, sich bei wichtigen Gesprächen einfach mit dem Rücken ans Fenster zu lehnen. Dadurch würden die Schwingungen praktisch vollständig unterdrückt. So einfach ist das. Und weil es so einfach ist, haben diese Tipps auch etwas sehr Komisches.

Die Serie wäre aber nur halb so gut ohne Michaels kleine Familie. Da ist zum einen seine Ex-Freundin Fiona (Gabrielle Anwar), ein ehemaliges IRA-Mitglied, klein, tough, sexy und mit einer Vorliebe für Sniper-Gewehre und Sprengstoff. Hilfe kommt auch von seinem alten Kumpel Sam, einem ewig Bier trinkenden Goldkettchenträger mit Kontakten zum FBI. Sam wird gespielt Bruce Campbell, der in den 80er Jahren als Hauptdarsteller der "Tanz der Teufel"-Filme von Sam Raimi Kultstatus erlangte und hier endlich mal wieder in einer größeren Rolle zu sehen ist. Und schließlich gibt es da noch Michaels Mutter Madeline, eine kettenrauchende Frührentnerin, wunderbar voller Besorgnis gespielt von Sharon Gless, ehemals die blonde Hälfte des Polizisten-Duos "Cagney & Lacey". Das sind natürlich Charaktere wie aus einem Comic-Buch, und es besteht die Gefahr, dass die gesamte Serie in eine oberflächliche Aneinanderreihung von Action-Szenen und coolen Sprüchen abdriftet. Doch die Drehbuchautoren arbeiten sehr diszipliniert und halten "Burn Notice" immer in der feinen Balance zwischen einer ernsthaften Krimiserie und einer Parodie.

In Deutschland zeigt Vox derzeit die dritte Staffel von "Burn Notice", in den USA ist man bei Staffel Nummer sechs angekommen. Es ist also zu hoffen, dass die Serie noch eine Weile bei uns zu sehen sein wird.

"Burn Notice" in der IMDB

Der amerikanische Trailer:

Bearbeitet: Sonntag 20 Februar 2011 21:40

"24" und wie es die Welt sah

Geschrieben am Mittwoch 06 Oktober 2010 um 11:29 von Roland Freist

Es ist wieder einer dieser Tage. Zum achten Mal geht der ehemalige CTU-Agent Jack Bauer gerade wieder auf Terroristen-Jagd, und diesmal ist es nach dem Willen der Serienmacher auch das letzte Mal. Und das ist nur folgerichtig: Denn "24" fasste wie keine andere TV-Produktion der letzten Jahre die gesellschaftliche Stimmung und die Entwicklungen während der ersten zehn Jahre des 21. Jahrhunderts zusammen. Das kommende Jahrzehnt wird – hoffentlich – von anderen Themen geprägt werden.

"24" zeigte die Terrorfurcht in den USA (und erklärte sie für begründet), sah frühzeitig die Rückkehr der Folter voraus, begleitete den Siegeszug des Internet auf immer neue Mobilgeräte und setzte bereits Anfang des Jahrzehnts darauf, dass es in absehbarer Zeit einen afroamerikanischen Präsidenten geben würde. In ihrer präzisen Beschreibung einer Epoche ist "24" vergleichbar mit "Miami Vice", das die pastellfarbene Melancholie der 80er Jahre vergleichbar gut wiedergegeben hatte. Wenn ich in einigen Jahren jemandem diese letzten zehn Jahre beschreiben sollte, würde ich ihm eine Staffel "24" auf DVD in die Hand drücken.

Die Serie wäre jedoch ohne Jack Bauer nur die Hälfte wert gewesen. Kiefer Sutherland spielte ihn als einen zunehmend desillusionierten Spezialagenten, der sich von Staffel zu Staffel immer weniger um Ethik und Moral oder gar Gesetze scherte. Ohne zu zögern entführte, folterte und mordete er. Dabei war er jedoch keineswegs der klassische Outlaw, dem am Ende alles verziehen wird, weil er Erfolg hat. Bauer war sich seiner Schuld jederzeit bewusst und bereit, die Konsequenzen zu tragen. Aber man spürte die zunehmende Distanz, die er zu seinem Land und seinen politischen Repräsentanten aufbaute, zumal diese sich immer wieder als hochgradig korrupt erwiesen.

"24" war in Deutschland kein Erfolg, und das, obwohl vor allem RTL 2 zu Anfang viel Werbung gemacht und mit unterschiedlichen Ausstrahlungszeiten und -Modi experimentiert hatte. Vielleicht lag es daran, dass die Angst vor Terroranschlägen in Deutschland erheblich geringer war als in den USA, vielleicht aber auch an einer gewissen Überfrachtung der Serie mit Anschlägen, Entführungen, Feuergefechten und Atombomben. Das ist schade, da Machart und Konzept etwas völlig Neues waren und Serie bis in die Nebenrollen mit zahlreichen erstklassigen Schauspielern besetzt war. Möglicherweise wird "24" erst in einigen Jahren die volle Anerkennung als das Zeitdokument finden, das es zweifellos darstellt.

"24" in der IMDB

Der deutsche Trailer zur achten Staffel:

Bearbeitet: Sonntag 20 Februar 2011 21:49

TV-Kritik: "Boston Legal"

Geschrieben am Montag 07 Juni 2010 um 16:38 von Roland Freist

Republikaner und Demokraten vor Gericht

Heute Abend läuft auf Vox die letzte Folge von "Boston Legal", daher noch einige Worte zum Abschied. Außergewöhnlich war bereits das Konzept, in einer Anwaltsserie Politik und Comedy derart eng miteinander zu verbinden. Wenn sich die beiden Hauptfiguren, der konservativ-republikanische Denny Crane (William Shatner) und der demokratische Alan Shore (James Spader), am Ende jeder Folge bei Whisky und Zigarre auf der Terrasse der Kanzlei trafen, hoch über den Dächern von Boston, besprachen sie nicht nur ihre Fälle und privaten Auseinandersetzungen, sondern immer auch die politisch-gesellschaftlichen Probleme der USA. Die Schlussplädoyers von Shore, meist der Höhepunkt der jeweiligen Folge, formulierten scharfe Anklagen gegen die Todesstrafe, gegen die Kluft zwischen Arm und Reich, Rassismus, die Macht der Großkonzerne, Umweltzerstörung und vieles mehr. Meist stimmten die Geschworenen dann zugunsten von Shores Mandanten. Diese politischen Aspekte hätten bei einer normalen Anwaltsserie die Zuschauer vermutlich scharenweise zum Umschalten bewegt, wenn "Boston Legal" nicht von der ersten Folge an mit einem anarchischen Humor gearbeitet hätte, der leider in den ersten Staffeln öfter auch mal ins Zotige abglitt.

Für die bizarren Momente in der Serie sorgte zuverlässig William Shatner, der für "Boston Legal" seinen bislang einzigen Golden Globe (als bester Nebendarsteller) und dazu noch einen Emmy gewann. Sein Denny Crane ist eine großartige Figur: Der erfolgreichste Strafverteidiger von Boston, der von seinen knapp 6000 Fällen keinen einzigen verloren hat, steinreich, mit einem kaum zu überschätzenden Einfluss in der Stadt, wird langsam aber sicher senil, wiederholt als einziges Argument vor Gericht und anderswo einfach nur noch seinen Namen und beginnt, sich im Laufe der Serie immer mehr in einen pubertären Jugendlichen zurück zu verwandeln – zum großen Entsetzen nicht nur der übrigen Gesellschafter der Kanzlei, sondern auch seiner Mandanten und Gegner im Gerichtssaal. Trotzdem wurde Denny Crane in der Serie nicht als Karikatur eines alten Mannes mit Gedächtnisverlust gezeichnet, sondern die Macher zeigten immer wieder auch das Mitgefühl seiner Freunde und Kollegen, genauso wie die Verzweiflung von Crane selbst, der um seinen gesundheitlichen Zustand wusste.

Und noch weitere Merkmale heben "Boston Legal" aus der Masse heraus: Es war die einzige populäre Serie, deren Hauptfiguren allesamt bereits jenseits der 50 waren. Dass die sie umgebenden Anwaltsgehilfen und angestellten Anwälte deutlich jünger waren, liegt in der Natur der Sache und führte letztlich nur dazu, dass diese Figuren mit einer bemerkenswert hohen Frequenz von Staffel zu Staffel ausgetauscht wurden. Während der vierten Staffel thematisierten die Drehbuchschreiber zudem immer wieder den parallel zur Ausstrahlung laufenden Wahlkampf von Obama gegen McCain, bis Denny Crane in der letzten Folge zugab, dass sogar er für den Demokraten gestimmt hatte. Kein Wunder also, dass es heute Abend in der letzten Folge zur Hochzeit zwischen Crane und Shore kommt. Damit erhält dann auch die wohl am längsten dauernde TV-Liebesbeziehung zwischen zwei Hetero-Männern einen würdigen Abschluss.

"Boston Legal" in der IMDB

Einfach nur ... Denny Crane:

Bearbeitet: Freitag 29 November 2013 17:57

TV-Kritik: "Lost"

Geschrieben am Dienstag 25 Mai 2010 um 17:01 von Roland Freist

"Lost", aus und Schluss

Nach sechs Jahren lief letztes Wochenende im amerikanischen Fernsehen die letzte Folge von "Lost", also die Folge, von der man sich erhofft hatte, dass endlich alles erklärt werden würde, alle noch verbleibenden Rätsel gelöst würden. Wenn man sich jedoch die Nacherzählungen in den amerikanischen und deutschen Medien durchliest (siehe etwa hier den Artikel im Independent oder auch hier das Special auf Spiegel Online - Achtung, beide Male herrscht höchste Spoiler-Alarmstufe), dann kam es so, wie man es eigentlich auch erwarten musste - viele Fragen bleiben bis zum Schluss ungeklärt. Zu erwarten war das, da es ja gerade das Prinzip der Serie war, offene Fragen mit immer neuen Fragen und Geschichten zu beantworten. Das erklärt aber auch, warum "Lost" mit zunehmender Dauer immer mystischer wurde. Denn irgendwann gerät man eben an einen Punkt, an dem nur noch die großen Fragen der Menschheit übrig bleiben, die Fragen nach Gut und Böse und nach einem Leben nach dem Tod, um dem heillosen Chaos aus den verschiedenen Handlungssträngen in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft einen Rahmen zu geben. Ansonsten hätten sich die Geschichten voneinander gelöst, wäre "Lost" aufgrund der Detailfülle in seine Einzelteile zerborsten.

Diese immer stärkere Hinwendung zum Mystischen ist zum einen schade, denn dieses Gebräu aus Inseln, die ihren Standort wechseln können, angriffslustigen Rauchfahnen, Zeitreisen, wiederauferstandenen Toten und Spontanheilungen ist natürlich ziemlicher Quatsch. Einerseits. Andererseits hatte man die Figuren eben doch lieb gewonnen, vor allem da man sie in den epischen Rückblenden während der ersten beiden Staffeln so gut kennengelernt hatte. Und deshalb ging man mit Jack, Kate, Sawyer, Hurley, Locke, Sayid, Jin und Sun dann doch schon mal bis zum Ende der fünften Staffel. Die sechste Staffel läuft vermutlich nächstes Frühjahr auf Kabel 1.

Und das ist es hoffentlich auch, was bleiben wird: Dass eine Serie, die sich so ausführlich um ihre Charaktere kümmert - immerhin gab es ja zu jeder Hauptfigur gleich mehrere Folgen, die sich ihr in Rückblenden widmeten - eine ganz eigene Spannung entwickeln und zumindest in den USA zu einem Publikumserfolg werden kann. Auf dass sich andere ein Beispiel daran nehmen.

"Lost" in der IMDB

Der britische Channel 4 produzierte zum Serienstart von "Lost" einen aufwändigen Trailer mit den Schauspielern am Set des abgestürzten Flugzeugs. Sie führen einen bizarren Totentanz auf, der mit der Musik von Portishead noch eindringlicher wirkt:

Die Serie begann dann spektakulär, mit einem der teuersten Pilotfilme aller Zeiten. Und in der ersten Einstellung, man erinnert sich, öffnet sich Jacks Auge:

Wie es dann in den folgenden fünf Staffeln weiterging, erklärt das folgende rasante Video in acht Minuten und 15 Sekunden:

Bearbeitet: Freitag 29 November 2013 17:54

Oscar-Verleihung 2010

Geschrieben am Montag 08 März 2010 um 15:37 von Roland Freist

Was für eine langweilige Veranstaltung. Das lag zum einen an der Moderation. Anders als in den vorangegangenen Jahren führte diesmal ein Duo durch den Abend. Doch so witzig Steve Martin und Alec Baldwin allein durchaus sein können, zusammen sprang der Funke nur selten über. Sie waren nicht aufeinander eingespielt, lasen nahezu sämtliche Texte vom Teleprompter ab und versemmelten auf diese Weise so manche Pointe. Dazu waren die Gags gerade zu Beginn eher flach. Die Vorstellung der Gewinner etwa durch Ben Stiller, als Na’vi geschminkt, oder durch Tina Fey und Robert Downey Jr. war deutlich unterhaltsamer.

Zum anderen kam nie echte Spannung auf. Zu klein war dieses Jahr der Kreis der potenziellen Gewinner, zu klar, wer in welcher Kategorie das Rennen machen würde. Denn die Jury hatte sich nicht zu überraschenden Entscheidungen durchringen können. Dass "The Hurt Locker" zum Schluss mit sechs Auszeichnungen vor "Avatar" mit drei Oscars stehen würde, war zu erwarten. Die technische Brillanz von James Camerons SF-Blockbuster konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass "The Hurt Locker" die interessantere Geschichte erzählte. Leider ging die Liebe zu Filmen mit guter Story und vielschichtigen Charakteren nicht so weit, dass die Academy "Up in the Air" als besten Film prämiert hätte.

Die größte Überraschung war somit schließlich die Entscheidung in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film". Erwartet hatte man, dass entweder "Das weiße Band" von Michael Haneke oder das französische Knast-Drama "Un prophète" das Rennen machen würde, allenfalls hatte man noch dem israelischen Beitrag "Ajami" Chancen eingeräumt. Der Oscar für den argentinischen Film "El secreto de sus ojos" ("The Secret in Their Eyes") kam daher völlig unerwartet.

Der beste Witz an einem vier Stunden langen Abend gelang schließlich Steve Martin, eine Minute, bevor die Übertragung zu Ende ging. "Diese Sendung war so lang, dass 'Avatar' mittlerweile in der Vergangenheit spielt", sagte er. Recht hat er.

Die Liste der Nominierten und Gewinner finden Sie auf jeder Nachrichten-Website, morgen in Ihrer Tageszeitung oder einfach hier.

Bearbeitet: Donnerstag 11 November 2010 17:12

Erster Eindruck: "FlashForward"

Geschrieben am Dienstag 02 März 2010 um 15:56 von Roland Freist

Ein Blick in die Zukunft

Zeitreise-Filme und -Serien haben einen ganz eigenen Reiz. Denn neben die Frage, wie ein Ereignis vonstattengehen wird, tritt die Frage, ob es sich überhaupt ereignen wird. Denn wenn den Protagonisten eine Reise in die Vergangenheit erlaubt wird, können sie dort den Verlauf der Geschichte so verändern, dass sich ihre Gegenwart – beziehungsweise, aus der Vergangenheit gesehen, ihre Zukunft – komplett anders gestaltet, als es zum Zeitpunkt ihrer Abreise der Fall war. Im extremsten Fall beeinflussen sie ihre eigenen Vorfahren dergestalt, dass es gar nicht erst zu ihrer eigenen Zeugung kommt, ihre eigene Existenz also unmöglich wird, wodurch dann natürlich wiederum die Zeitreise und damit die Möglichkeit zum Beeinflussen der Eltern entfällt – es entsteht eine Art unendlicher Kreislauf, das berühmte Zeitreisen-Paradoxon.

Wenn die Protagonisten hingegen in die Zukunft sehen können, so entsteht Spannung durch die Frage, ob diese Zukunft veränderbar ist oder ob das Schicksal der Erde und jedes Menschen fest vorgezeichnet ist. So auch bei „FlashForward“, einer neuen amerikanischen Serie, deren Pilotfolge am Montag bei Pro 7 lief. Gleich zu Beginn fällt dort die gesamte Weltbevölkerung in eine Art kollektiven Kurzschlaf, der genau zwei Minuten und 17 Sekunden dauert. Mehr als 800 Flugzeuge stürzen ab, Autos kollidieren, Brände brechen aus – was eben so geschieht, wenn Personen an verantwortlicher Stelle ein kurzes Nickerchen einlegen. Und fast alle Menschen haben während dieser Schlafperiode Visionen von einem Tag, der genau sechs Monate in der Zukunft liegt.

Eine Abteilung des FBI um den Agenten Mark Benford (Joseph Fiennes) soll ermitteln, wer hinter der Schlafattacke steckt. Gleich zu Anfang findet er heraus, dass anscheinend nicht alle Menschen Visionen gehabt haben, darunter auch sein Kollege Demetri Noh. Bedeutet das, dass der in sechs Monaten tot sein wird? Und dann entdecken die Agenten auf dem Überwachungsvideo aus einem Football-Stadium einen Mann, der offenbar wach war, während um ihn herum alle einen Blackout hatten. Und er sieht so aus, als sei er von der Situation nicht überrascht worden.

Nach dem Willen von ABC soll „FlashForward“ der Nachfolger des zumindest in den USA erfolgreichen "Lost" werden, dessen letzte Staffel gerade ausgestrahlt wird. Die Serie ist daher ähnlich aufgebaut, rund um eine Handvoll von Personen, die nach und nach näher vorgestellt werden. An die spektakuläre Pilotfolge von "Lost" kam "FlashForward" zwar nicht heran, das Grundgerüst ist jedoch vielversprechend. Allerdings spürt man hier und da auch die allzu routinierte Handschrift von Produzent Brannon Braga, der bereits bei "Star Trek: The Next Generation", "Voyager", "Enterprise" und dem gefloppten "Threshold" seine Finger im Spiel hatte. In den USA hat die Serie während der Ausstrahlung der ersten zehn Folgen bereits massiv Zuschauer verloren. Dafür lief sie jedoch in England, Italien und Spanien recht erfolgreich. Die Ausstrahlung der kompletten ersten Staffel ist damit wohl gesichert, ob es eine zweite geben wird, steht derzeit jedoch noch in den Sternen.

"FlashForward" in der IMDB

Der amerikanische Trailer:

Bearbeitet: Sonntag 20 Februar 2011 22:20

Erster Eindruck: "Stargate Universe"

Geschrieben am Donnerstag 25 Februar 2010 um 17:44 von Roland Freist

Das Tor zu einem anderen Schiff

An das Original-"Stargate" musste ich mich erst gewöhnen, zu dröge kamen mir viele Folgen zu Anfang vor. Dann aber, nach einigen Wochen, wurde die Serie zu einem festen Bestandteil meines Mittwochabends, für die ich sogar den Video- beziehungsweise später den DVD-Rekorder anwarf, wenn ich eine Folge zu verpassen drohte. Das Spin-off "Stargate Atlantis" ließ jedoch meiner Meinung nach in der Qualität stark nach, weshalb ich die Serie einige Jahre nicht mehr verfolgte. Als ich schließlich vor einiger Zeit mangels besserer Alternativen wieder etwas regelmäßiger reinschaltete, hatte ich – auch wegen der Ausstrahlungspolitik von RTL II – einige Mühe, mich wieder zurechtzufinden. Ging es jetzt gerade gegen die Goa’uld, die Wraith oder die Ori? Und was ist mit Ba’al? Ist das jetzt unser Freund?

Ich hoffte nun, dass mit dem neuesten Ableger "Stargate Universe", der letzten Mittwoch mit einer Doppelfolge startete, wieder etwas Klarheit in die Serie kommen würde. Was auch geschah, Umgebung und Personen haben sich komplett verändert. Die neue Umgebung ist ein Antiker-Schiff, das, offenbar unbemannt und vor langer Zeit programmiert, Milliarden von Lichtjahren entfernte Galaxien erkundet. Die menschliche Besatzung besteht aus den Flüchtlingen von einer Planetenbasis, die sich bei einem Angriff durch ein Stargate auf das Schiff gerettet haben. Das war jedoch nur möglich, da es einem Teenager gelungen ist, ein altes mathematisches Problem zu lösen, das bislang die Aktivierung von Chevron 9 auf dem Stargate und damit den Transport über so weite Entfernungen verhindert hatte. Das Rätsel hatten die menschlichen Wissenschaftler übrigens in ein Computerspiel eingebaut, womit die Produzenten ganz offensichtlich eine neue Generation von jüngeren Zuschauern anzulocken hoffen.

Wir haben also: einen neuen Chef, gespielt von Robert Carlyle (bekannt geworden durch seine Rolle als Begbie in "Trainspotting", in "The Rise of Evil" hat er aber auch schon mal Adolf Hitler verkörpert), ein riesiges, noch zu erkundendes Schiff, einen genialen, leicht dicklichen und etwas nervigen Nerd und eine menschliche Besatzung, die ein paar Dutzend Leute umfasst. Die Ausgangssituation erinnert also ein wenig an "Stargate Atlantis", doch hoffentlich entwickelt sich die Serie etwas besser. Gefallen hat mir die düstere Atmosphäre, weniger gefallen hat mir, dass die Rolle des genialen Wissenschaftlers schon wieder von einem leicht skurrilen Typen übernommen wird – denn das ist dieser Junge offensichtlich. Auch einige Ungereimtheiten in der Handlung trüben das Bild: Warum kann die menschliche Besatzung auf dem Schiff nicht einfach wieder durch das Stargate gehen und zumindest einen Stützpunkt in der Milchstraße erreichen? Und zumindest bislang nehme ich Robert Carlyle die Rolle des Schiffscaptains noch nicht ab. Man wird sehen, wie er und die Serie sich entwickeln.

"Stargate Universe" in der IMDB

Der deutsche Trailer, lange Version:

Der englische Trailer, lange Version in HD-Qualität:

Bearbeitet: Freitag 29 November 2013 17:03

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