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"24" und wie es die Welt sah

Es ist wieder einer dieser Tage. Zum achten Mal geht der ehemalige CTU-Agent Jack Bauer gerade wieder auf Terroristen-Jagd, und diesmal ist es nach dem Willen der Serienmacher auch das letzte Mal. Und das ist nur folgerichtig: Denn "24" fasste wie keine andere TV-Produktion der letzten Jahre die gesellschaftliche Stimmung und die Entwicklungen während der ersten zehn Jahre des 21. Jahrhunderts zusammen. Das kommende Jahrzehnt wird – hoffentlich – von anderen Themen geprägt werden.

"24" zeigte die Terrorfurcht in den USA (und erklärte sie für begründet), sah frühzeitig die Rückkehr der Folter voraus, begleitete den Siegeszug des Internet auf immer neue Mobilgeräte und setzte bereits Anfang des Jahrzehnts darauf, dass es in absehbarer Zeit einen afroamerikanischen Präsidenten geben würde. In ihrer präzisen Beschreibung einer Epoche ist "24" vergleichbar mit "Miami Vice", das die pastellfarbene Melancholie der 80er Jahre vergleichbar gut wiedergegeben hatte. Wenn ich in einigen Jahren jemandem diese letzten zehn Jahre beschreiben sollte, würde ich ihm eine Staffel "24" auf DVD in die Hand drücken.

Die Serie wäre jedoch ohne Jack Bauer nur die Hälfte wert gewesen. Kiefer Sutherland spielte ihn als einen zunehmend desillusionierten Spezialagenten, der sich von Staffel zu Staffel immer weniger um Ethik und Moral oder gar Gesetze scherte. Ohne zu zögern entführte, folterte und mordete er. Dabei war er jedoch keineswegs der klassische Outlaw, dem am Ende alles verziehen wird, weil er Erfolg hat. Bauer war sich seiner Schuld jederzeit bewusst und bereit, die Konsequenzen zu tragen. Aber man spürte die zunehmende Distanz, die er zu seinem Land und seinen politischen Repräsentanten aufbaute, zumal diese sich immer wieder als hochgradig korrupt erwiesen.

"24" war in Deutschland kein Erfolg, und das, obwohl vor allem RTL 2 zu Anfang viel Werbung gemacht und mit unterschiedlichen Ausstrahlungszeiten und -Modi experimentiert hatte. Vielleicht lag es daran, dass die Angst vor Terroranschlägen in Deutschland erheblich geringer war als in den USA, vielleicht aber auch an einer gewissen Überfrachtung der Serie mit Anschlägen, Entführungen, Feuergefechten und Atombomben. Das ist schade, da Machart und Konzept etwas völlig Neues waren und Serie bis in die Nebenrollen mit zahlreichen erstklassigen Schauspielern besetzt war. Möglicherweise wird "24" erst in einigen Jahren die volle Anerkennung als das Zeitdokument finden, das es zweifellos darstellt.

"24" in der IMDB

Der deutsche Trailer zur achten Staffel:

Geschrieben am Mittwoch 06 Oktober 2010 um 11:29 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 20 Februar 2011 21:49

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