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Filmkritik: "Dame König As Spion"

Schach mit dem KGB

Spione sind heute einfach nicht mehr das, was sie mal waren. In den Zeiten des Kalten Kriegs, als es die Sowjetunion und ihren gefürchteten KGB noch gab, machten Agenten-Thriller mehr Spaß. Die CIA und der britische MI6 hatten einen ebenbürtigen Gegner, gegen den man manchmal gewann, der ihnen aber auch immer mal wieder eine Niederlage beibrachte. Das Agentendasein ließ sich noch romantisch verklären, vor allem, wenn es um den englischen Geheimdienst ging, mit seinen distinguierten Intellektuellen in der Londoner Zentrale und den einsamen Wölfen hinter den feindlichen Linien. Bei den heutigen Hightech-Attacken fällt das schwer.

In "Dame König As Spion" lässt der schwedische Regisseur Tomas Alfredson die gute, alte Zeit des Spionage-Thrillers auferstehen. Die Buchvorlage von John Le Carré, erschienen 1974, erzählt eine Geschichte aus den frühen 70er Jahren: Control (John Hurt), der Chef des MI6, hat den Verdacht, dass ein Mann aus dem Führungskreis des Geheimdiensts ein Maulwurf ist und für Karla arbeitet, den legendenumwobenen Leiter des KGB. Er beginnt, heimlich Informationen über seine Mitarbeiter zu sammeln, und weist den fünf Männern, die infrage kommen, zur Tarnung die Namen von Spielkarten zu. (Im englischen Original sind es Berufsbezeichnungen aus einem Abzählreim: "Tinker, tailor, soldier, sailor, rich man, poor man, beggarman, thief". Erst in der deutschen Übersetzung wurden daraus Spielkarten, passender wäre wohl der Kinderreim "Kaiser, König, Edelmann, Bürger, Bauer, Bettelmann" gewesen.)

Zu Beginn des Films bekommt er die Nachricht, dass ein ungarischer Offizier überlaufen und den Namen des Verräters nennen will. Doch der Agent, den Control daraufhin nach Budapest schickt, gerät in eine Falle. Die gesamte Aktion endet in einer Blamage für den MI6, Control und sein Vertrauter George Smiley (Gary Oldman), die graue Eminenz des Dienstes, werden zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Doch Control hatte zuvor noch den zuständigen Minister informiert. Und der will den Doppelagenten enttarnen. Er beauftragt Smiley, den Verräter zu finden. Es beginnt ein intellektuelles Duell, eine Art Fernschach, zwischen Smiley und Karla. Beide beobachten sich seit vielen Jahren und kennen die Schwachstellen des anderen. Smiley treibt zum einen mit einem kleinen Team außerhalb des Geheimdiensts die Ermittlungen voran, zum anderen versucht er, Karlas schwachen Punkt – den stets lauernden Zweifel – für sich zu nutzen. Karla wiederum, der nur in einer kurzen Szene zu sehen ist, greift direkt Smileys Schwachstelle an, nämlich die schwierige Beziehung zu seiner Frau Ann.

Gary Oldman gibt etwas überraschend einen sehr guten George Smiley ab. Der Schauspieler, der früher sehr überzeugend durchgeknallte Typen wie den Drogenfahnder Norman Stansfield aus "Leon – Der Profi" oder den größenwahnsinnigen Zorg aus "Das fünfte Element" gespielt hat, ist hier äußerst beherrscht und wortkarg. Er arbeitet vor allem mit den Augen, kultiviert einen durchdringenden Blick, der durch eine große, schwarze Hornbrille noch verstärkt wird. Nur manchmal erkennt man an einem leichten Zucken in den Augenwinkeln, unter welcher Spannung er steht. Die Figur des George Smiley schien bislang maßgeschneidert für Alec Guinness, der den Agenten in einer BBC-Verfilmung des Romans verkörperte. Doch Oldman bringt noch einmal eine ganz eigenständige Interpretation des Charakters.

Man muss sich konzentrieren, um der Story folgen zu können. Der Film enthält etlliche Rückblenden, Personen erzählen Geschichten, die wichtige Hinweise auf die Identität des Maulwurfs liefern, hinzukommen auf britischer und sowjetischer Seite zahlreiche Täuschungsmanöver. Dennoch gelingt es den Drehbuchautoren Bridget O’Connor und Peter Straughan ("Männer die auf Ziegen starren"), die rund 400 Seiten der Romans in zwei Stunden Film zusammenzufassen. Eine komplizierte Aufgabe, da die Handlung vor allem durch die Dialoge vorangetrieben wird – Actionszenen gibt es so gut wie nicht. Damit der Zuschauer nachvollziehen kann, warum zum Schluss ausgerechnet diese Person als Maulwurf präsentiert wird, mussten die Autoren die Informationen zuvor in der richtigen Reihenfolge in die Gespräche aufnehmen und ständig überlegen, ob das, was dieser Charakter in dieser Situation sagt, überhaupt schon verständlich ist. Kein Wunder, dass das Drehbuch für den Oscar nominiert ist, genauso übrigens wie Gary Oldman und die Filmmusik.

Damit dieser Film funktioniert, muss man sich auf ihn einlassen, man muss vor allem mitdenken, darf sich durch das Geflecht aus Lügen, verwischten Spuren und Doppelagenten nicht verwirren lassen. Dann jedoch wird "Dame König As Spion" zu einem spannenden, atmosphärisch dichten Vergnügen.

"Dame König As Spion" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Mittwoch 08 Februar 2012 um 17:01 von Roland Freist

Bearbeitet: Dienstag 14 August 2012 17:56

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