« Filmkritik: "Star Wars: Das Erwachen der Macht" | Zurück zur Startseite dieses Blogs | "Star Wars" ohne "Star Wars" »

Filmkritik: "Carol"

Eine Liebesgeschichte aus den 50ern

Als Patricia Highsmith 1953 ihren zweiten Roman mit dem Titel "Salz und sein Preis" abgeschlossen hatte, traute sie sich nicht, ihn unter ihrem eigenen Namen zu veröffentlichen. Stattdessen stand auf dem Umschlag das Pseudonym Claire Morgan. Und obwohl das Buch ein großer Erfolg wurde, outete sich Highsmith erst in den 80er Jahren als die wahre Verfasserin. Kein Wunder, denn der Roman behandelt ein Thema, das in den 50er Jahren noch weitgehend tabu war, nämlich die Liebe zwischen zwei Frauen. Todd Haynes ("Velvet Goldmine") hat ihn nun unter dem Titel "Carol" in die Kinos gebracht.

Ich habe das Buch nicht gelesen und weiß daher nicht, inwieweit die Verfilmung der literarischen Vorlage entspricht. Der Film verzichtet jedenfalls auf flammende Appelle gegen die Unterdrückung von Homosexualität in der amerikanischen Gesellschaft. Stattdessen erzählt er eine einfache Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen und zeigt, welche Auswirkungen eine solche Beziehung damals haben konnte.

Therese (Rooney Mara, "Verblendung") ist Verkäuferin in einem New Yorker Kaufhaus, Carol (Cate Blanchett) die Frau eines reichen Unternehmers, mit dem sie eine kleine Tochter hat. Zum ersten Mal begegnen sie sich kurz vor Weihnachten in der Spielwarenabteilung, es ist vermutlich das Jahr 1952. Ganz langsam und tastend beginnen sie, sich einander anzunähern. Sie sind vorsichtig, keine von beiden ist sich sicher, ob die andere genauso empfindet wie sie selbst. Und etwas zu sagen, wagen sie beide nicht. Nicht so sehr, weil sie Angst vor den Reaktionen ihrer Umwelt haben – so wie der Film es darstellt, war New York auch damals schon ein recht liberales Pflaster –, sondern vor allem, weil sie sehr verschieden sind: Therese ist jung, schüchtern, sie lebt in einfachen Verhältnissen und weiß noch nicht, was sie mit ihrem Leben machen soll. Carol dagegen ist schätzungsweise 20 Jahre älter als sie, mondän, glamourös, selbstsicher. Das Geld ihres Mannes ermöglicht ihr ein Leben im Luxus, sie trägt teure Kleider, auffälligen Schmuck und lässt sich von einem Chauffeur in die Stadt fahren.

Carol lebt seit einiger Zeit in Scheidung. Sie hat zuvor bereits lesbische Beziehungen gehabt, das weiß auch ihr Mann. Sie ist die Verführerin in dieser Beziehung, und Therese erkennt mehr und mehr, dass sie mit ihr zusammen sein will. Sie ist ein hübsches Mädchen und hat daher ein paar männliche Verehrer. Doch als sie sich in Carol verliebt, weiß sie, dass dies das Richtige für sie ist. Nach den Weihnachtsfeiertagen beschließen die beiden Frauen dann, zusammen in Urlaub zu fahren. Doch Carols Noch-Ehemann Harge (Kyle Chandler) will sich nicht so einfach ausbooten lassen. Er schickt Carol und Therese einen Detektiv hinterher, der das Paar beobachtet. Anschließend erpresst Harge seine Frau mit den abgehörten und aufgezeichneten Schlafzimmergesprächen und droht, ihr das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter entziehen zu lassen.

"Carol" würde auch mit einem heterosexuellen Paar funktionieren. Das Besondere an diesem Film ist zum einen, dass er die Normalität einer lesbischen Liebe betont, die sich in Nichts von der zwischen Mann und Frau unterscheidet. Und zum anderen ist es einfach ein sehr schöner, ruhiger und langsamer Film über die Liebe. Er verzichtet bewusst darauf, zusätzliche Nebenhandlungen und Dramatik einzubauen, und konzentriert sich stattdessen auf seine beiden Hauptfiguren, wobei die Geschichte während der ersten beiden Drittel aus der Sicht von Therese erzählt wird, erst im Schlussdrittel und nach dem gemeinsamen Ausflug wechselt die Perspektive zu Carol.

Dennoch wurde Cate Blanchett für ihre Darstellung für einen Golden Globe für die beste Hauptrolle nominiert, und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie auch auf der Vorschlagsliste für den Oscar auftauchen wird. Verdient hätte sie den Preis, keine Frage. Ihre Carol ist eine Frau, die gelernt hat, hinter einer Maske zu leben, die sie niemals ablegt. Es gibt immer wieder Momente, Szenen in diesem Film, in denen das perfekte Bild, das sie abgibt, leichte Risse bekommt und ihr Innenleben durchscheinen lässt. Und Rooney Mara steht ihr in nichts nach. Wie sie im Laufe des Films immer sicherer wird und beginnt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, was sich dann auch in ihrer Haltung und ihrem Umgang mit anderen Menschen ausdrückt, das ist schon toll gespielt.

"Carol" ist ein einfacher Liebesfilm, der zufällig von der Beziehung zwischen zwei Frauen handelt. Es ist kein großer, aufsehenerregender Film, doch genau damit wird er seinem Thema am besten gerecht.

"Carol" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Sonntag 20 Dezember 2015 um 23:03 von Roland Freist

*
blog comments powered by Disqus

« Filmkritik: "Star Wars: Das Erwachen der Macht" | Zurück nach oben | "Star Wars" ohne "Star Wars" »

Impressum/Kontakt