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Filmkritik: "Star Wars: Das Erwachen der Macht"

Auf der Suche nach Mr. Luke

"Star Wars" ist mehr als eine Filmreihe, es ist ein Mythos. Der erste Film gehört zu den einflussreichsten Werken der Filmgeschichte, das gilt sowohl für die Machart, die Handlung und Figuren wie auch für die technische Umsetzung, bei der George Lucas seiner Zeit weit voraus war. Gleichzeitig markiert der Film ganz nebenbei auch noch den Beginn des professionellen Merchandising und den Beginn des heutigen Blockbuster-Kinos mit seinen Milliarden-Umsätzen.

Blickt man auf die Geschichte der Filme und ihre Wirkung auf die Popkultur zurück, so wird deutlich, welches Risiko es bedeutete, einen weiteren "Star Wars" zu drehen. Nahezu jeder Erwachsene, der in einem westlichen Industriestaat aufwuchs und heute nicht älter als, sagen wir mal, 60 Jahre ist, kennt Luke Skywalker, Darth Vader, Yoda, Prinzessin Leia, Han Solo, R2-D2 und C-3PO und die ganzen anderen Charaktere, viele sind in der Lage, ganze Dialogzeilen zu rezitieren ("Dieses Schiff machte den Korsalflug in weniger als 12 Parsec") und die Bezeichnungen von Planeten und Raumschiffen herzusagen. Für viele sind diese Filme Teil ihrer eigenen Geschichte, und es war klar, dass sie äußerst empfindlich reagieren würden, wenn man ihre Erinnerungen an die Figuren und die Handlung zerstören würde.

Regisseur J. J. Abrams hat bei "Star Wars: Das Erwachen der Macht" alles getan, um den Mythos nicht zu beschädigen. Das hat zwar dazu geführt, dass der Film nicht so gut geworden ist, wie er hätte sein können. Doch auf der anderen Seite besteht kein Zweifel daran, dass es eines der finanziell erfolgreichsten Filmwerke aller Zeiten werden wird, weshalb einige Personen auf der Vorstandsetage bei Disney vermutlich deutlich ruhiger schlafen werden. Und den Reaktionen im Netz zufolge sind selbst die Hardcore-Fans mit dem Ergebnis ganz zufrieden.

"Das Erwachen der Macht" spielt etwa 30 Jahre nach dem Ende von "Episode VI – Die Rückkehr der Jedi-Ritter". Luke Skywalker ist verschwunden, niemand weiß wohin. Aber alle sind auf der Suche nach ihm, auf der Seite der Guten die junge Schrottsammlerin Rey (Daisy Ridley), der desertierte, ehemalige Stormtrooper Finn (John Boyega) und der Droide BB8, der aussieht wie ein Fußball mit Hütchen und in seinem Speicher eine Karte verbirgt, die angeblich den Weg zu Skywalkers Aufenthaltsort weist. Sie werden bald unterstützt von Han Solo (Harrison Ford) und dem Wookie (Peter Mayhew), die sie wiederum beim Widerstand einführen, wo immer noch Prinzessin Leia (Carrie Fisher) das Zepter schwingt, die allerdings mittlerweile lieber "General" genannt werden will.

Aber auch die Bösen suchen nach Skywalker. Nach dem Zerfall des Imperiums hat sich eine neue Organisation namens Erste Ordnung gebildet, angeführt von einem Wesen namens Snoke (Andy Serkis in einer weiteren Monsterrolle), und dem Darth-Vader-Lookalike Kylo Ren (Adam Driver). Sie bekämpfen die Neue Republik und wollen verhindern, dass eine neue Kaste von Jedi-Rittern entsteht.

Um die Fans nicht zu verschrecken, hat sich Abrams für den konservativen Weg entschieden: Für die Fortsetzung der Saga hat er Szenen und komplette Einstellungen aus den vorangegangenen Filmen kopiert, vor allem aus Episode IV. Alles ist wieder da: Der Wüstenplanet mit dem frustrierten Jugendlichen, in diesem Fall Rey, der Millennium Falke, die Bar mit den außerirdischen Musikern, die X-Wing-Jäger, Sternenzerstörer, der Todesstern, Lichtschwertkämpfe, C-3PO und R2-D2 (aus heutiger Sicht eine Art früher Computer-Nerd), der Rebellen-Offizier mit den Fischaugen, sogar die komplette Eingangssequenz inklusive Musik und Laufband. Teilweise wurden sogar die, nun ja, Luftkämpfe zwischen den Rebellen und den Schiffen des Imperiums bis ins letzte Flügelwackeln noch einmal nachgedreht. Abrams und sein Drehbuchautor Lawrence Kasdan hatten noch nicht einmal Hemmungen, den Vater-Sohn-Konflikt von den Originalen zu übernehmen, wenn auch die Konstellation dieses Mal eine andere ist. Über weite Strecken funktioniert der Film wie ein Star-Wars-Quiz: Man sitzt im Kino und fragt sich, welche Szene da schon wieder kopiert wird. Etwas mehr Mut, wie ihn Abrams bei der Wiederauflage von "Star Trek" gezeigt hat, hätte dem Film sicher gutgetan.

Auf der anderen Seite ist "Das Erwachen der Macht" brillante Unterhaltung und auch ein unwiderstehlicher Verführer. Er erweckt die alten Erinnerungen wieder zum Leben und man fühlt sich wohl. Zumal er technisch und erzählerisch souverän und auf höchstem Niveau agiert – das Tempo der Schnitte wurde an die heutigen Sehgewohnheiten angepasst, die Actionszenen sind perfekt choreographiert, die Einleitung ist genauso lang wie sie sein soll, es kommt keine Minute Langeweile auf. Die Bilder der Raumschiffe, Gebäude und Waffen sind detailreicher als bei den früheren Filmen, es gibt zahlreiche neue, originelle Nutz- und Raubtiere. Abrams hat jedoch wohlweislich darauf verzichtet, die Special Effects zu sehr in den Vordergrund zu stellen, sein Augenmerk gilt den Charakteren und der Story. Die 3D-Darstellung ist allerdings mal wieder überflüssig. In Erinnerung bleibt lediglich ein Bild von einem Sternenzerstörer, der in den Kinosaal hineinzuragen scheint. Alles andere hätte in hellerem 2D genauso seine Wirkung entfacht.

Die darstellerischen Leistungen sind durchwachsen. Harrison Ford wirkt in einigen Szenen wie ein bereits etwas trotteliger Opa, und man hat oftmals den Eindruck, dass er nicht mehr viel Begeisterung für diese Rolle aufbringen konnte. Die junge und bislang weitgehend unbekannte englische Schauspielerin Daisy Ridley, die neue Hauptfigur der Reihe, spielt dagegen sehr überzeugend eine junge Frau, die gelernt hat, sich als Waise allein in der Welt durchzusetzen. Ihr Sidekick John Boyega als Finn hingegen fremdelt noch ein wenig mit seiner Rolle. Doch das Potenzial ist eindeutig da. Unter den Nebenfiguren fällt noch Oscar Isaac ("Inside Llewyn Davis") als Rebellenpilot Poe Dameron angenehm auf, Isaac kann hier mal wieder seinen grandiosen Charme entfalten.

"Das Erwachen der Macht" ist deutlich besser als die Episoden I bis III, die sich zwar ebenfalls bei den Originalen bedienten, jedoch niemals deren Ausstrahlung erreichten. Im Unterschied zu ihnen fühlt sich der siebte Teil wieder an wie die ersten drei Filme aus den 70er und 80er Jahren, er wirkt auch frischer und insgesamt so, als wären da einige echte Fans an die Sache herangegangen. Zudem hat Abrams auch ein deutlich besseres Gespür für die Gestaltung emotionaler Szenen als George Lucas, was insbesondere bei der Begegnung von Han Solo und Leia deutlich wird.

Disney hat vor drei Jahren für mehr als vier Milliarden Dollar Lucasfilm übernommen. Dieses Geld soll natürlich wieder hereinkommen und möglichst auch vermehrt werden, und dafür hätten sie sich keinen Besseren als J. J. Abrams suchen können. Wie kein zweiter Regisseur derzeit ist er in der Lage, Kinomythen zu revitalisieren, das hat er nicht nur bei "Star Trek", sondern auch bei der Steven-Spielberg-Hommage "Super 8" gezeigt. "Das Erwachen der Macht" ist bislang sein Meisterstück. Der Film zeigt aber auch, dass das Konzept auch Grenzen hat und einen Verzicht auf Originalität und Eigenständigkeit mit sich bringt.

"Star Wars: Das Erwachen der Macht" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Samstag 19 Dezember 2015 um 17:10 von Roland Freist

Bearbeitet: Mittwoch 29 November 2017 17:03

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