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Filmkritik: "Only God Forgives"

David Lynch goes Bangkok

Nicolas Winding Refns "Drive" war der coolste Film des vergangenen Jahres. Die Rolle des schweigsamen Stuntman schien speziell für Ryan Gosling geschrieben worden zu sein, der Plot um das hübsche Mädchen von nebenan, das vor seinem Verbrecher-Ehemann gerettet werden muss, war klassischer französischer Film noir. Alles passte, und ich freute mich auf "Only God Forgives", die nächste Zusammenarbeit zwischen Refn und Gosling.

Und dann das. Wie soll man diesen Film beschreiben? Es ist, als ob David Lynch einen Ausflug nach Asien gemacht hätte. Die Atmosphäre ist düster, die Räume sind dunkel. Meist ist nicht zu erkennen, wie der Hintergrund eines Zimmers aussieht. Die roten Lampen, die die Räume beleuchten, lassen die Szenerie oft aussehen wie eine Vision der Hölle. Die Figuren stehen oder sitzen einfach nur da und schweigen, die Kamera verweilt auf ihnen. Auf den Gesichtern ist keine Gefühlsregung erkennbar. Wenn sie überhaupt etwas sagen, dann erst nach langen Pausen. Wie gesagt: David-Lynch-Atmo pur.

Doch es gibt eine nachvollziehbare Geschichte, was Lynch wahrscheinlich nicht interessiert hätte. Die Brüder Julian (Ryan Gosling) und Billy (Tom Burke) führen in Bangkok einen Boxclub, der auch als Mantel für ihre Drogengeschäfte dient. Billy hat eine Vorliebe für minderjährige Frauen. Eines Tages nimmt er eine 14-jährige Prostituierte mit in seine Wohnung und ermordet sie. Der Kommissar, der die Untersuchung leitet (Vithaya Pansringarm), hält offensichtlich nicht viel von Gerichtsprozessen, sondern wendet sich an den Vater des Mädchens und überzeugt ihn, Billy seinerseits zu töten. Da Strafe jedoch sein muss, hackt der Polizist dem Vater anschließend die rechte Hand ab.

Damit könnte der Fall erledigt sein. Doch nun taucht die Mutter der beiden Brüder auf (Kristin Scott Thomas), um Billy zu beerdigen. Auch sie ist in das Drogengeschäft involviert und wie sich bald zeigt, die treibende Kraft dahinter. Trotz ihrer eleganten Erscheinung ist sie eine hartgesottene, vulgäre Person, die gleich nach der Ankunft wütend verlangt, dass Julian seinen Bruder rächen solle. Ödipale Motive werden angedeutet, teilweise sogar recht deutlich: Mutter lässt sich über die Schwanzlänge ihrer beiden Söhne aus (sie ist wirklich recht vulgär), begrüßt Julian wie eine Liebende mit "Ich habe dich vermisst. Hast du mich auch vermisst?", und sie streichelt zärtlich mit dem Finger seinen Bizeps. Julian verschont jedoch den Vater des ermordeten Mädchens und beauftragt stattdessen drei Killer, den Kommissar zu töten. Als der Anschlag misslingt, schraubt sich die Gewaltspirale immer höher.

Es gibt viele Gewaltszenen in diesem Film. Die Kamera widmet sich dabei vor allem den großen, blutenden Wunden der Opfer. Der Kommissar verwendet mit Vorliebe ein Schwert als Waffe, weshalb es immer wieder Großaufnahmen von aufgeschlitzten Bäuchen, durchstoßenen Hälsen und aufgerissenen Köpfen gibt. Hinzu kommt eine mehrere Minuten lange, schwer zu ertragende Folterszene, bei der Essstäbchen und Haarnadeln eine wichtige Rolle spielen.

Alles in diesem Film wirkt inszeniert, die Figuren, ihre Gespräche, die Gewalt. Die Protagonisten bewegen sich, als würden sie von Dämonen fremdgesteuert. Nur Julian zeigt Mitleid und menschliche Regungen, etwa als er in einer Szene die kleine Tochter des Kommissars verschont. "Only God Forgives" ist mit seiner Kälte und der in Zeitlupe gezeigten, blutigen Gewalt in hohem Maße abstoßend. Einige Kritiker fanden gerade das faszinierend, vor allem vor dem Hintergrund des großen Erfolgs von "Drive". Aber ein Film muss aus sich selber wirken, und da ist diese Art der Inszenierung wirklich Geschmackssache. Wegen der künstlerischen Vision gibt’s dennoch zwei Punkte, mehr jedoch ist nicht drin.

"Only God Forgives" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Donnerstag 25 Juli 2013 um 22:30 von Roland Freist

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