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Filmkritik: "Skyfall"

James Bond feiert Auferstehung

Die erste Einstellung zeigt eine verschwommene Silhouette, einen Mann, verborgen hinter einer Milchglasscheibe. Die Tür geht auf, er kommt näher, und man erkennt die markanten Züge von Daniel Craig alias Bond, James Bond, und irgendwie weiß man schon an dieser Stelle: Jetzt wird alles wieder gut.

James-Bond-Filme bildeten einst ein eigenes Genre. Sie hatten die üblichen Agententhriller hinter sich gelassen und eine eigene Welt erschaffen. Die Bösen in dieser Welt waren abgefeimter und raffinierter als in anderen Filmen, und sie waren unendlich reich, so reich, dass sie sich riesige Luxusvillen, Yachten, Schlösser und nicht zuletzt die teuren Gadgets leisten konnten, die sie für ihre genialen Pläne benötigten, bei denen es immer darum ging, noch mehr Macht und Geld zu bekommen. Außerdem besaßen sie futuristische Kommandozentralen in Vulkankratern oder unter Wasser, riesige Komplexe, gestaltet von dem genialen Ken Adam.

Ihnen gegenüber stand die kleine Welt des britischen Geheimdiensts mit M an der Spitze, einem eher konservativen britischen Gentleman, der sich ständigen Beschwerden des Premierministers ausgesetzt sah. In seinem Vorzimmer saß die wunderbare Miss Moneypenny, die die Liebesabenteuer von Agent 007 mit einer Mischung aus Ironie und schmachtender Sehnsucht kommentierte. Ein weiteres unverzichtbares Mitglied des Bond-Kosmos war zudem Q, der ebenso geniale wie skurrile Entwicklungschef des MI6, der Bond stets griesgrämig in die neue Ausrüstung einwies. Und natürlich James Bond selbst, der Meister aller Sportarten, der König der Casinos, der Mann, der alles steuern konnte, was einen Motor hatte, für den Frauen in erster Linie schöne, zu erobernde Spielzeuge waren, weshalb die weiblichen Hauptdarsteller der Filme in den Rezensionen auch regelmäßig als "Bond-Girls" bezeichnet wurden.

Und dann kam "Casino Royale". Plötzlich gab es keinen Q mehr und keine Miss Moneypenny. Die Rolle von M hatte bereits zuvor Judi Dench übernommen, die die Geheimdienst-Chefin als kalte Technokratin spielte. Der durch einen Revolverlauf gefilmte Schuss in den Zuschauerraum, das Gun Barrel Image, von den Fans geliebter, unentbehrlicher Bestandteil jedes Bond-Vorspanns, war einfach gestrichen worden. Auf einmal ging es auch nicht mehr um die Rettung des Golds der Vereinigten Staaten vor der radioaktiven Verstrahlung, nicht mehr um Milliarden von Dollar und die Weltherrschaft, sondern um eine Summe von geradezu lächerlichen 115 Millionen. Der alte James Bond hätte dafür nicht einmal seine Golfrunde unterbrochen. Und auch Bond selbst hatte sich verändert, war weicher geworden, beinahe schon ein Metrosexueller. Er führte Beziehungsgespräche mit seinem Bond-Girl, was bei einem Sean Connery oder Roger Moore einigermaßen bizarr gewirkt hätte. Im Bestreben, die Serie zu renovieren und an die modernen Zeiten anzupassen, hatten die Macher, darunter der neue Drehbuchautor Paul Haggis ("Im Tal von Elah", "Million Dollar Baby"), den Bond-Filmen viel von ihrem speziellen Charme geraubt. Der folgende Film, "Ein Quantum Trost", war denn auch nicht nur wegen des idiotischen deutschen Titels einer der Tiefpunkte in der Bond-Geschichte, ein weitgehend beliebiger Actionfilm mit verworrener Handlung.

Womit wir endlich bei "Skyfall" wären. Es ist der reflektierteste Bond aller Zeiten und, trotz der Kopflastigkeit, einer der besten. Regisseur Sam Mendes, Oscar-Gewinner für "American Beauty", räumt auf und zeigt, wie ein moderner Bond-Film aussehen kann. Er macht aus "Skyfall" wieder einen echten Bond, mit allem was dazugehört: Miss Moneypenny, Q und das Gun Barrel Image tauchen wieder auf, und James Bond findet in einigen Szenen endlich wieder zu seiner alten Ironie zurück. Der machomäßige Umgang mit Frauen, bis in die 80er Jahre eine der hervorstechendsten Eigenschaften jedes Bond-Darstellers, ist natürlich passé, genauso wie die Reduzierung der Frauen auf schöne Gespielinnen. Doch alles andere ist, auf einem höheren Niveau, wieder an seinem Platz.

Interessant ist, wie nicht nur der Film in seinem Verlauf immer mehr zu einem klassischen Bond wird, sondern auch die Figur des James Bond selbst. Zu Anfang ist er in einem desolaten Zustand, körperlich am Ende, mit zitternden Händen, ein starker Trinker, der von seinen Vorgesetzten belogen und geopfert wird. Aber in der letzten Einstellung steht da wieder ein Mann, frisch, ausgeruht, dem sein Job offensichtlich Spaß macht, und der bereits einige Zeit zuvor auf die Frage nach seinem Hobby mit "Auferstehung" geantwortet hatte, was man in diesem Fall auch auf den gesamten Film übertragen kann.

Über die Handlung ist in den vergangenen Wochen schon viel geschrieben worden, daher nur so viel: Es geht um eine Festplatte mit Agenten-Namen, während einer wilden Verfolgungsjagd durch Istanbul gestohlen von einem Angestellten des psychopathischen Ex-MI6-Agenten und Computer-Nerds Silva. Er wird gespielt von Jarvier Bardem ("No Country for Old Men", "Vicky Cristina Barcelona"), und der macht aus der Rolle eine der besten Schurken-Darstellungen der Bond-Geschichte überhaupt. Als Hauptquartier hat er sich eine kleine Insel vor dem chinesischen Festland geschnappt, bebaut mit verfallenden Fabrikgebäuden. Das Finale findet dann jedoch in London und den schottischen Highlands statt, wobei auch der legendäre Aston Martin DB5 mit den eingebauten Maschinengewehren noch einmal zum Einsatz kommt.

"Skyfall" ist mit Abstand der bislang beste Bond-Film mit Daniel Craig und einer der besten Vertreter der Serie überhaupt. Sam Mendes zeigt, was ein guter Regisseur aus dem Stoff herausholen kann, und baut aus den Trümmern, die die beiden Vorgänger hinterlassen haben, mit Liebe zum Detail und viel Bewusstsein für die lange Tradition einen echten Genrefilm zusammen, der trotzdem wieder ganz auf der Höhe der Zeit ist. "Skyfall" hat keine erkennbaren Schwächen, ist intelligent, spannend und erzählt eine gute Geschichte. Volle Punktzahl.

Ein Video mit der Titelsequenz von "Skyfall", die sich erkennbar an die Vorbilder aus den 60er und 70er Jahren anlehnt, finden Sie hier.

"Skyfall" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Sonntag 04 November 2012 um 18:42 von Roland Freist

Bearbeitet: Samstag 12 Januar 2013 16:30

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