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Filmkritik: "Possession – Das Dunkle in dir"

Der jüdische Exorzist

Kinder lieben Kisten. Sie lieben sie, weil sie darin ihre geheimen Erinnerungsstücke aufbewahren oder, in den größeren Versionen, sich selbst ein Versteck bauen können, eine Zuflucht, die nur ihnen gehört. Insofern ist es kein Wunder, dass die vielleicht zehnjährige Emily (Natasha Calis) die dunkelbraune Holzkiste, die sie auf einem Flohmarkt findet, unbedingt haben will. Sie ist mit einer hebräischen Inschrift versehen und mit einem verborgenen Mechanismus fest verschlossen. Im Kontext eines Horrorfilms wäre es also ratsam, den Kasten lieber verschlossen und bei seinem Vorbesitzer zu lassen. Geschieht aber natürlich nicht.

Emily lebt zusammen mit ihrer älteren Schwester Hannah (Madison Davenport) abwechselnd bei ihrer Mutter Stephanie (Kyra "The Closer" Sedgwick) und ihrem Vater Clyde (Jeffrey Dean Morgan), die Eltern sind seit etwa einem Jahr geschieden. Nachdem sie endlich herausgefunden hat, wie die Kiste zu öffnen ist, findet sie darin einige Blechgefäße gefüllt mit seltsamen Artefakten, ein überdimensionaler Backenzahn ist ebenso dabei wie eine große Motte aus Metall und ein altertümlicher Ring, den sie von fortan ständig trägt. Kurz darauf wird sie verhaltensauffällig, wird aggressiv und zum Ausgangspunkt für die ersten übernatürlichen Ereignisse, bei denen vor allem Motten eine große Rolle spielen. Nachdem ihr Vater die Holzkiste als die Ursache erkannt hat, schleppt er sie zu einem jüdischen Gelehrten. Der übersetzt die hebräische Inschrift und erklärt ihm, dass in der Kiste ein Dibbuk eingesperrt gewesen sei, ein Geist aus der jüdischen Mythologie, der in die Körper von Lebenden fahre und sie zugrunde richte. Zum Abschied gibt ihm der Professor die Adresse eines jüdischen Exorzisten, der den Dibbuk aus dem Körper von Emily vielleicht wieder heraustreiben könne.

"Possession" ist eine modernisierte und ins jüdische Milieu übertragene Version von "Der Exorzist", dem vielleicht besten Horrorfilm aller Zeiten. Wieder ist es eine Tochter aus dem gehobenen Mittelstand, in die der Dämon fährt, wieder zeigt das Mädchen ein zunehmend feindseliges Verhalten, und es gibt erneut den Versuch, dem Rätsel mithilfe eines Computer-Tomografen auf die Spur zu kommen – was dieses Mal sogar gelingt. Die Verbildlichung des Grauens ist jedoch eine der schwächsten Szenen des Films und wirkt unfreiwillig komisch. Und es gibt natürlich wieder einen Geistlichen, der den Kampf mit dem Bösen aufnimmt. Man erfährt jedoch nur wenig über ihn, über sein Leben und seine Motivation. Anders als der junge Priester aus dem "Exorzist" bleibt er als Figur sehr blass.

Der Film enthält einige schöne Huch-Momente, also Szenen, in denen Musik und Kameraführung das Unheil ankündigen, das dann blitzschnell zuschlägt. Regisseur Ole Bornedal zitiert zudem in einer feinen Sequenz seinen bekanntesten Film bislang, den Leichenhallen-Horror "Nachtwache".

In Deutschland wurde "Possession" zum ersten Mal im Rahmen des Fantasy Filmfests gezeigt. Am Ende der Vorstellung äußerten sich die hinteren Reihen mit lauten Gähngeräuschen – für abgebrühte Fantasy-Freunde hält der Film tatsächlich nicht viel Neues bereit. Doch wer einfach mal wieder einen handwerklich sauberen Gruselfilm sehen will, ist mit diesem hier nicht schlecht bedient.

"Possession" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Donnerstag 08 November 2012 um 14:33 von Roland Freist

Bearbeitet: Samstag 12 Januar 2013 16:30

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