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Archiv vom August 2015

TV-Kritik: "Orange is the New Black"

Geschrieben am Samstag 29 August 2015 um 18:15 von Roland Freist

"Orange" ist das neue Gold

Gefängnisserien genauso wie -filme folgen üblicherweise dem immer gleichen Muster: Die Hauptperson wird uns ausführlich vorgestellt, wir erfahren, was sie warum getan hat, wie sie geschnappt und verurteilt wurde, und bekommen Einblicke in ihre Vergangenheit. Im Gefängnis wiederum lernt diese Person ein oder zwei Freunde kennen, auch von denen erfahren wir einige Details aus ihrem Leben. Der Rest der Mithäftlinge jedoch bleibt uns fremd, sie sind unserer Hauptperson gegenüber gleichgültig bis feindselig eingestellt. Wer sie sind, woher sie kommen, und warum einige von ihnen der Protagonistin gegenüber feindselig eingestellt sind, bleibt meist im Dunkeln.

"Orange is the New Black" ist eine Gefängnisserie neuen Typs, denn sie interessiert sich nicht nur für die wenigen, positiv besetzten Hauptpersonen, sondern für die Charaktere sämtlicher Insassen des fiktiven Frauengefängnisses in Litchfield, New York, in dem die Serie spielt. Der Zuschauer gewinnt über Rückblenden nach und nach Einblicke in die Vergangenheit nicht nur der Inhaftierten, sondern auch der Gefängniswärter, die sie beaufsichtigen. Und zumindest in der ersten Staffel ahnt man mehr, als dass man weiß, warum die Frauen einsitzen. Man lernt ihr früheres Umfeld kennen, sieht jedoch nicht die Taten, die zur Verurteilung führten.

Die Serie begleitet die Managerin Piper Chapman (Taylor Schilling), die während ihrer College-Zeit für ihre damalige Freundin Alex Vause (Laura Prepon) einmalig 150.000 Dollar Drogengeld in die USA schmuggelte und prompt erwischt wurde. Zehn Jahre lang kam es nicht zur Anklage. Doch dann, kurz vor Ende der Verjährungsfrist, wurde Piper doch noch zu 15 Monaten verurteilt und landet eben in Litchfield. Sie hat größte Schwierigkeiten, sich an das Leben im Knast zu gewöhnen. Es gibt ein Regelwerk, das ihr niemand erklärt, stattdessen lassen die anderen Gefangenen genauso wie die Wärter sie immer wieder auflaufen. Doch mit der Zeit erobert sie sich ihren Platz. Und dann stellt sie fest, dass auch ihre Ex-Freundin Alex in Litchfield einsitzt.

Neben der in Deutschland kaum bekannten, aber ausgezeichnet spielenden Taylor Schilling fallen besonders Laura Prepon ("Die wilden 70er"), TV-Veteran Michael Harney als Gefängniswärter und natürlich Kate Mulgrew, bekanntgeworden als Captain Janeway vom Raumschiff Voyager und in Litchfield als russischstämmige Chefin der Küchenbrigade beschäftigt, ins Auge.

Eine der wesentlichen Handlungsschienen, die in anderen Serien und Filmen ebenfalls oft vernachlässigt wird, ist zudem die Geschichte des zurückgebliebenen Partners der Hauptperson. Die Entwicklung von Pipers Verlobtem Larry Bloom, gespielt von Jason Biggs ("American Pie"), während ihrer Haft wird genauso ausführlich geschildert wie die Geschichte ihrer Mitgefangenen.

"Orange is the New Black" entstand nach dem gleichnamigen Buch von Piper Kerman, die darin ihre realen Erlebnisse im Gefängnis erzählte. Konzipiert wurde die Serie von Jenji Kohan, die bereits für die grandiose Serie "Weeds" verantwortlich zeichnete. "Orange" wurde produziert von Netflix und ist in Deutschland online und auf DVD erhältlich.

"Orange is the New Black" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Samstag 29 August 2015 18:25

Filmkritik: "Codename U.N.C.L.E."

Geschrieben am Montag 17 August 2015 um 11:31 von Roland Freist

Very amusing

Amüsant. Das ist das Wort, das es am besten trifft. "Codename U.N.C.L.E." ist amüsant. Ein Spionage-Thriller aus der Zeit des Kalten Kriegs, inszeniert mit viel englischer Distanziertheit und einer Menge Ironie.

Die Geschichte wird größtenteils aus der Sicht des CIA-Agenten Napoleon Solo (Henry Cavill) erzählt, eines unverschämt gutaussehenden Mannes von britischer Eleganz. Im Jahr 1963 soll er die junge Automechanikerin Gaby Teller (Alicia Vikander) aus Ostberlin in den Westen schmuggeln. Ihr Vater Udo Teller (Christian Berkel) ist ein berühmter Wissenschaftler, der an der Entwicklung der Atombombe mitgearbeitet hat, und nun verschwunden ist. Über sie und ihren Onkel Rudi (Sylvester Groth) hofft die CIA, den Aufenthaltsort von Teller zu erfahren. Doch der KGB hat von der Aktion Wind bekommen und ebenfalls einen seiner besten Männer geschickt. Der stämmige Illya Kuryakin (Armie Hammer) verfolgt Solo und Gaby Teller in einer brillant gefilmten und hervorragend inszenierten Verfolgungsjagd quer durch das nur trüb erleuchtete, nächtliche Ostberlin bis hin zur Mauer. Deutsche Kinobesucher werden sich dabei vor allem über das Wettrennen zwischen einem Trabbi und einem Wartburg freuen. Die Flucht gelingt. Doch als Solo und Gaby am nächsten Morgen in ihrem Westberliner Hotel erwachen, wartet nicht nur Kuryakin bereits auf sie. Ihre Vorgesetzten von CIA und KGB sind ebenfalls vor Ort und eröffnen ihnen, dass sie zusammenarbeiten sollen, da die Suche nach Teller senior zu wichtig sei. Und tatsächlich hat ihn die unberechenbare italienische Millionärserbin Victoria Vinciguerra (Elizabeth Debicki) gekidnappt, damit er ihr eine Atombombe baue.

Regisseur Guy Ritchie erzählt diese Story in einem Tonfall irgendwo zwischen James Bond und "Die Zwei". Es ist der gleich Tonfall, den er auch in seinen beiden Sherlock-Holmes-Filmen anschlägt. Er konstruiert keine herausragenden Spannungsspitzen, der Film wird aber auch nie langweilig. "Codename U.N.C.L.E." ist durchgehend ein klein wenig over the top, keine echte Satire auf 60er-Jahre-Spionagefilme, aber auch nicht wirklich ernst gemeint. Der Film basiert auf der TV-Serie "Solo für O.N.K.E.L." und erzählt ihre Vorgeschichte, nämlich wie die Hauptfiguren zusammenkommen. Man kann davon ausgehen, dass es ein Sequel geben wird.

Als Zuschauer hat man zwei Stunden lang Spaß. Dazu trägt nicht zuletzt die gut getroffene 60er Jahre Atmosphäre bei, die Set-Designer und Kostümbildner haben ganze Arbeit geleistet. Besonders die heute sehr fremdartig anmutenden Kleider und Ohrringe von Gaby Teller haben es mir angetan. Und Kameramann John Mathieson, der zuvor unter anderem "Gladiator" gedreht hatte, gelingen einige wirklich eindrucksvolle Einstellungen. "Codename U.N.C.L.E." ist gutes, witziges, unterhaltsames Actionkino, ohne besondere Ambitionen, aber auch ohne echte Schwächen.

"Codename U.N.C.L.E." in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Donnerstag 06 April 2017 23:21

Filmkritik: "Mission: Impossible – Rogue Nation"

Geschrieben am Montag 10 August 2015 um 0:11 von Roland Freist

Mein Name ist Hunt, Ethan Hunt

Wenn dieser Film eine Botschaft hat, dann diese: Ethan Hunt ist der bessere James Bond. Er beherrscht sämtliche Fortbewegungsmittel dieser Welt wie kein zweiter, er ist stark, sportlich, intelligent und kennt sämtliche Tricks. Er lässt die Finger vom Alkohol und neuerdings auch von den Frauen. Ethan Hunt ist die Art von Geheimagent, wie sie den modernen Zeiten entspricht.

"Mission: Impossible – Rogue Nation" ist mittlerweile schon der fünfte Film der Reihe, die Tom Cruise auf Basis einer Fernsehserie aus den 60ern auf sich zugeschnitten hat. Die jedes Mal wechselnden Regisseure und Drehbuchautoren sorgen dafür, dass sich die Filme stetig verändern und weiterentwickeln und es dem Publikum nicht langweilig wird – ein Trick, den die Macher von James Bond erfolgreich vorexerziert haben. Vom Geheimagenten im Dienst Ihrer Majestät hat "Mission: Impossible" aber auch gelernt, dass immer eine gewisse Selbstironie dabei sein muss, wenn die Hauptfigur tatsächlich rundum cool wirken soll.

Das größte Manko von "Rogue Nation" ist die unnötig wirre Geschichte, die der Film in hohem Tempo erzählt. Autor und Regisseur Christopher McQuarrie ("Jack Reacher", "Walküre") greift ein Element auf, das bisher nur am Ende des vierten Teils kurz angesprochen wurde, in der Original-Serie jedoch eine große Rolle spielte: Eine Geheimorganisation namens Syndikat, eine Art böses Spiegelbild von Ethan Hunts IMF (Impossible Mission Force), verübt weltweit Terroranschläge und bringt Menschen um, ohne dass die CIA Verbindungen zwischen diesen Ereignissen herstellen könnte. CIA-Direktor Alan Hunley (Alec Baldwin) löst die IMF daher auf, was der Mastermind des Syndikats, ein sinistrer Mann namens Solomon Lane (Sean Harris) offensichtlich auch so geplant hatte. Was er jedoch ebenso wenig weiß wie die CIA, ist, dass der britische Geheimdienst eine Agentin in seine Organisation eingeschleust hat, eine Frau mit dem überaus passenden Namen Ilsa Faust. Die schwedische Schauspielerin Rebecca Ferguson ist eine echte Entdeckung, ihre Ilsa ist kein Bond- beziehungsweise Hunt-Girl, das vor allem hübsch aussehen muss, sondern eine Frau mit viel Ausstrahlung, die weiß was sie tut. In der Folge stellt sich dann auch heraus, dass es gar nicht so sicher ist, dass sie für die Briten arbeitet, sie könnte genauso gut eine Doppel- oder sogar Tripel-Agentin sein. Wie auch immer: Ethan Hunt geht es in den rund zwei Stunden des Films in erster Linie darum, einen Beweis für die Existenz des Syndikats zu finden, um so seinen Chef davon zu überzeugen, die Auflösung der IMF rückgängig zu machen.

Diese Story liefert das Grundgerüst für irre, perfekt inszenierte Verfolgungsjagden zu Fuß, mit dem Auto oder per Motorrad, die Schauplätze sind Wien, London und Marokko. Wir lernen die neuesten Hightech-Authentifizierungssysteme kennen, die nicht nur Stimmen, Irismuster und Fingerabdrücke erkennen, sondern sogar den Gang eines Menschen analysieren, und wir lernen, dass man sie genauso austricksen kann wie ihre Vorgänger. Es gibt ein paar schöne Reminiszenzen an die früheren Teile: Die Gesichtsmasken sind wieder da, und das letzte Geheimnis steckt in einem nicht vernetzten, durch mehrere Abwehrringe geschützten Supercomputer. Und dieses Mal kommt auch wieder das komplette IMF-Team zum Einsatz, neben Ethan Hunt also auch die beiden Hacker-Genies Benji Dunn (Simon Pegg) und Luther Stickell (Ving Rhames) sowie der wie immer etwas undurchsichtige William Brandt (Jeremy Renner).

"Mission: Impossible – Rogue Nation" ist schnörkelloses Actionkino auf höchstem Niveau. Was man jedoch vermisst, das sind die Souveränität und der Spaß an der Sache, die den ersten und vierten Teil auszeichneten. Alles wirkt ein wenig verkrampft und kalkuliert. Wollte man eine Hitliste der "Mission: Impossible"-Filme aufstellen, so stünde "Rogue Nation" auf Platz 3, hinter Teil 1 und 4, aber vor den Teilen 2 und 3. Ein sehenswerter Sommer-Blockbuster ist der Film jedoch auf jeden Fall.

"Mission: Impossible – Rogue Nation" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Mittwoch 02 Dezember 2015 18:04

Filmkritik: "Pixels"

Geschrieben am Dienstag 04 August 2015 um 18:20 von Roland Freist

Sind Aliens dumm?

Vor fünf Jahren tauchte auf Youtube ein schöner Kurzfilm namens "PIXELS" auf, den ich damals auch hier in diesem Blog vorstellte. Regisseur Patrick Jean zeigte darin, wie die, nun ja, Figuren aus den alten Arcade-Spielen zunächst New York und schließlich den gesamten Erdball zerstören. Donky Kong und Pac Man, aber auch die fallenden Tetris-Steine und weitere Darsteller aus der alten Spielhallenautomatenwelt erschienen genauso wie man sie in Erinnerung hatte, nämlich als grellbunte, pixelige Mächte, die alles vernichten wollen, was sich ihnen in den Weg stellt. "PIXELS" war originell, machte Spaß und war nach zweieinhalb Minuten vorbei. In der mehr als zwei Stunden langen Version, die jetzt in die Kinos gekommen ist, nutzt sich die Idee jedoch sehr schnell ab und macht überhaupt keinen Spaß mehr.

Anders als ein Youtube-Video braucht ein kinotauglicher Spielfilm eine Story und muss beispielsweise erklären, warum die Erde plötzlich von Gegnern in niedriger Bildschirmauflösung attackiert wird. "Pixels" macht dafür eine Raumsonde verantwortlich ist, die in den 80er Jahren mit Beispielen der irdischen Jugendkultur bestückt und in den Weltraum geschossen wurde, auf dass außerirdische Zivilisationen, sollten sie sie zufällig finden, einen Eindruck vom Leben auf der Erde bekommen. Ab diesem Punkt, er ist im Film sehr früh erreicht, müsste auf der Leinwand eigentlich eine Tafel erscheinen mit dem Text: Ab hier bitte Gehirn ausschalten. Denn tatsächlich tauchen in der Gegenwart plötzlich Aliens auf, die alles falsch verstanden haben und die Arcade-Spiele als eine Art Herausforderung ansehen: Sie gegen die Menschheit, der Gewinner bekommt die Erde.

(Berücksichtigt man die Geschwindigkeit der von der Erde ausgeschickten Raumsonden, so müsste die Nachricht seit den frühen 80er Jahren etwa bis zur Umlaufbahn von Uranus oder Neptun vorgedrungen sein, was bedeuten würde, dass dort die Aliens zuhause sind. Aber wie gesagt: Gehirn ausschalten.)

Im Kino kam bei mir kurz der Gedanke auf, dass es vielleicht ganz gut ist, dass die Sonde Spiele wie Donky Kong oder Tetris mitgenommen hat und nicht Titel wie World of Warcraft oder Call of Duty. Leider war keine Zeit, diesen Gedanken weiter zu verfolgen, denn die Handlung entwickelte sich mit gutem Tempo weiter. Zumindest das muss man "Pixels" lassen.

Kommen wir zur Hauptperson. Adam Sandler spielt den Nerd Sam Brenner, Anfang der 80er Jahre einer der besten Arcade-Spieler der Welt. Heute arbeitet er als Elektrofachmann und schließt bei Kunden Heimvideo-Anlagen an. Sein alter Kumpel Cooper (Kevin James) hingegen hat es bis zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gebracht und bittet ihn nun um Hilfe gegen den Angriff der Aliens. Gemeinsam mit Freunden und Rivalen aus alten Spielhallentagen, darunter Josh Gad und Peter Dinklage ("Game of Thrones"), machen sie sich auf, gegen die Gegner aus dem All anzutreten. Und da in einem solchen auf Jugendliche zielenden Film immer auch eine schöne Frau mitspielen und es eine Liebesgeschichte geben muss, ist auch Michelle Monaghan ("Source Code") mit dabei.

Das Schlimmste an "Pixels" ist, dass es dem ansonsten sehr routinierten Regisseur Chris Columbus ("Mrs. Doubtfire", "Harry Potter und der Stein der Weisen") nicht gelingt, dem Geschehen auf der Leinwand auch nur ein klein wenig Plausibilität zu verleihen. Alle paar Minuten muss man sich dazu zwingen, über einen weiteren äußerst unwahrscheinlichen und jeglicher Erfahrung widersprechenden Schwenk in der Handlung hinwegzusehen. Bereits die Grundidee des Films erschließt sich nicht – sind Aliens tatsächlich so dumm? Doch dann geht es weiter mit den trotteligen Auftritten von Kevin James als Präsident, Cheating bei Donkey Kong und seltsamen Effekten bei der Alien-Invasion – "Pixels" macht sich noch nicht einmal ansatzweise die Mühe, irgendetwas davon zu erklären.

Vermutlich war der Film als großer, grellbunter Spaß gedacht, mit ein paar Anklängen an "Ghostbusters". Doch der Humor bewegt sich auf einem auch für Adam Sandler recht niedrigen Niveau. Es gibt einige witzige Momente, doch zum Lachen regen sie nicht an. Nahezu sämtliche Figuren verhalten sich ohne Not wie Idioten. Das soll wohl lustig sein, ist es aber nicht. Und obwohl die von den Aliens vorgegebenen, verschiedenen Spielvarianten und der Best-of-Five-Modus des Wettkampfs eigentlich für einige Spannungsspitzen sorgen könnten, ist davon nichts zu spüren. Hinzu kommt, dass die Special Effects eher lustlos ausgeführt sind. Dass die 3D-Darstellung mal wieder überflüssig ist und dem Geschehen keine weitere Ebene hinzufügt, daran hat man sich mittlerweile leider schon gewöhnt.

Es ist fraglich, ob ein anderes Team aus diesem Stoff einen besseren Film hätte machen können. Die Computer-Spiele haben sich weiterentwickelt, Pac Man und Co. sind nur noch für Nostalgiker interessant. Wenn sie durch die Straßen von New York ziehen und alles, was sich ihnen in den Weg stellt, in kleine Würfel verwandeln, so ist das heute nur noch putzig, leicht anachronistisch und leider auch etwas langweilig.

"Pixels" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

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