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Filmkritik: "Source Code"

Acht Minuten bis zur Ewigkeit

Erinnert sich noch jemand an die Serie "Seven Days"? An den ehemaligen CIA-Agenten Frank Parker, der in jeder Folge bis zu sieben Tage in die Vergangenheit geschickt wurde, um Verbrechen oder Katastrophen zu verhindern? Etwas Ähnliches geschieht auch in "Source Code". Obwohl – eigentlich ist es ja keine Zeitreise, die der Film beschreibt, sondern …

An dieser Stelle eine kurze Warnung: Wer mehr als die ersten, sagen wir mal, zehn Minuten der Handlung erzählt, muss wohl oder übel einige Geheimnisse verraten, die der Film der größeren Spannung wegen zunächst noch für sich behält. Also, ab hier schrillt der Spoiler-Alarm.

Colter Stevens (Jake Gyllenhaal), ein Hubschrauber-Pilot, der zuletzt in Afghanistan stationiert war, erwacht in einem Vorortzug kurz vor Chicago. Ihm gegenüber sitzt eine Frau, die er nie zuvor gesehen hat, er findet heraus, dass ihr Name Christina Warren (Michelle Monaghan) ist. Er ist verwirrt, weiß nicht, wie er hierhergekommen ist und warum ihn diese Frau, die ihn offensichtlich sehr gut kennt, fortwährend "Sean" nennt. Er geht auf die Toilette, die Kamera folgt ihm und zoomt die Details heran: der Kaffee, den eine Frau aus Versehen auf seinen Schuh tropfen lässt, die Blicke, die ihm folgen, Menschen, die telefonieren oder in ihr Notebook starren, alles könnte wichtig sein. Stevens schließt die Kabine, schaut in den Spiegel – ein fremdes Gesicht sieht ihn an. Sein Führerschein sagt ihm, dass es einem Sean Fentress gehört, einem Lehrer. Kurz darauf explodiert im Zug eine Bombe, Stevens stirbt ...

... und wacht wieder auf, diesmal in seinem eigenen Körper. Er ist eingesperrt in einer engen Metallkabine, die in einem ziemlich schlechten Zustand ist. Überall lecken Flüssigkeiten heraus, zeitweise fällt die Frischluftzufuhr aus. Über ein Videosystem spricht eine Frau mit ihm. Sie heißt Colleen Goodwin (Vera Farmiga), ist vom Militär und erklärt ihm, dass der Zug, in dem er eben saß, einige Stunden zuvor tatsächlich in die Luft gesprengt worden sei. Es habe keine Überlebenden gegeben. Man habe jedoch die letzten acht Minuten der Erinnerungen von einem der Passagiere retten können, eben von Sean Fentress. Colter Stevens erfährt weiterhin, dass die Militärwissenschaftler ihn – und hier verschwimmt die Logik doch ziemlich – in diese Erinnerungen mit irgendwelchen quantentheoretischen Tricks hineinversetzt haben. Es handelt sich also nicht um eine Zeitreise, sondern um eine Projektion. Alles, was Stevens dort macht und tut, hat auf die Realität keinerlei Auswirkungen, denn er befindet sich ja in einer Aufzeichnung. Seine Aufgabe ist es lediglich, die Bombe und auch den Bombenleger zu finden und diese Informationen an die Militärs in der Realität von Colter Stevens weiterzugeben, um weitere Anschläge zu verhindern. Da die Aufzeichnung immer wieder abgespielt werden kann, hat er eine praktisch unbegrenzte Zahl von Versuchen. Trotzdem muss er sich beeilen, denn die nächste Bombe wartet schon.

Die folgenden Wiederholungen der acht Minuten vor der Explosion haben etwas von "Und täglich grüßt das Murmeltier". Genau wie damals Bill Murray kann sich Stevens an die vorherigen Versuche erinnern, er lernt dazu, beginnt Beziehungen zu den Figuren in der Projektion aufzubauen, wohl wissend, dass sie allesamt bereits tot sind. Oder nicht? Doch solche Fragen sollte man sich bei diesem Film lieber nicht stellen. Denn was würde beispielsweise passieren, wenn Stevens in der Projektion die Bombe entschärft? Der Film weiß darauf eine Antwort, überzeugend ist sie allerdings nicht.

Doch es ist auch nicht diese Zeitreisen- oder Projektions-Story, die "Source Code" auszeichnet, sondern die Art und Weise, wie sich Colter Stevens in dieser zunächst fremden Welt zurechtfindet. Sean Fentress, dessen Körper er benutzt, hatte eine Beziehung zu Christina, aber beide wussten offenbar nicht so genau, wie die genau aussah. Auf der anderen Seite wird ihm nach und nach klar, und das ist auch für den Zuschauer ein Schock, was es mit dieser Metallkammer auf sich hat, von der aus er immer wieder in die letzten acht Minuten von Sean Fentress‘ Leben eintaucht. Es braucht mehrere Anläufe, bis Stevens in beiden, nun ja, Realitäten weiß, was zu tun ist. Es ist spannend, diesen Prozess mitzuverfolgen, vor allem da der Kenntnisstand des Zuschauers immer dem des Hauptdarstellers entspricht. Genau wie Colter Stevens beginnt er zu Beginn des Films bei Null und tastet sich dann langsam vor.

Wie bereits in "Moon" konfrontiert Regisseur Duncan Jones seinen Protagonisten auch in "Source Code" mit einer Wirklichkeit, die zunächst verborgen und dann umso verwirrender ist. Doch sobald Stevens die Realität akzeptiert hat, findet er auch einen Ausweg. Alles wird gut.

"Source Code" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Donnerstag 02 Juni 2011 um 22:45 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 16:18

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