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Filmkritik: "A Most Violent Year"

Gibt es ein richtiges Leben im falschen?

Konnte ein Unternehmer in den 70er und 80er Jahren in New York sauber bleiben? In einer Zeit, als die Mafia dort noch ganze Straßenzüge beherrschte, Gewerkschaften kontrollierte und die Verbrechensrate immer neue Höchststände erreichte? Ist es in einer solchen Umgebung möglich, ohne Bestechung und gewalttätige Drohungen erfolgreich zu sein? Das sind einige der Fragen, die "A Most Violent Year" stellt, und sie lassen sich natürlich verallgemeinern.

Abel Morales (Oscar Isaac, "Inside Llewyn Davis") versucht es zumindest. Er hat sich vom Transportarbeiter hochgearbeitet und die Firma seines Schwiegervaters übernommen, die Haushalte in ganz New York mit Heizöl beliefert. Doch in letzter Zeit werden seine Tankwagen immer häufiger überfallen. Die Räuber stehlen das Öl und lassen die Wagen anschließend irgendwo stehen. Für Morales kommt das zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt: Er ist gerade dabei, ein Stück Land zu kaufen, das seine neue Unternehmensbasis werden soll. 40 Prozent der Kaufsumme hat er anbezahlt, der Rest ist innerhalb von 30 Tagen fällig, sonst ist die Anzahlung verloren. Doch seit er regelmäßig beraubt wird, macht er Verluste.

Da bei den Überfällen immer wieder die Fahrer der Tankwagen verletzt werden, verlangt die mächtige Transportarbeiter-Gewerkschaft in Gestalt ihres Chefs Bill O‘Leary (Peter Gerety), dass Morales sie mit Revolvern ausrüstet. Doch davon will dieser nichts hören. Als sich die Fahrer mit Hilfe der Gewerkschaft selbst bewaffnen, kommt es zu einem Zwischenfall, bei dem der junge, engagierte Julian (Elyes Gabel) sich mit der Waffe gegen die Angreifer wehrt. Als wegen des Schusswechsels die Polizei anrückt, flüchtet er gemeinsam mit dem Gangster. Der Fall macht Schlagzeilen, woraufhin die Bank Morales das Darlehen verweigert, mit dem er die Restsumme für das Grundstück bezahlen wollte. Seine Frau Anna (Jessica Chastain) drängt ihn, die Hilfe ihrer kriminellen Familie anzunehmen. Ein Staatsanwalt (David Oyelowo, "Selma"), der die mafiösen Verstrickungen des Transport-Gewerbes aufklären soll, ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Die Lage spitzt sich immer weiter zu.

Die ganze Zeit erwartet man, dass es zu der gewalttägigen Explosion kommt, die der Titel des Films anzukündigen scheint. Ohne dass es explizit ausgesprochen wird, scheint die Lösung von Morales' Problemen in ungesetzlichen Maßnahmen zu liegen. Seine gesamte Umgebung, inklusive seines Anwalts (Albert Brooks), gibt ihm mehr oder weniger deutlich zu verstehen, dass es anders wohl nicht gehen wird. Zumal sich herausstellt, dass alle Personen um ihn herum sich bereits strafbar gemacht oder ihn zumindest hintergangen haben, seine Ehefrau inklusive. Der Film zeigt, wie Morales dennoch und zunehmend verzweifelt versucht, seine Vorstellung von einem sauber geführten Unternehmen durchzusetzen.

Der Regie von J. C. Chandor ("Margin Call", "All is Lost"), der auch das Drehbuch geschrieben hat, ist es zu verdanken, dass aus "A Most Violent Year" keine Parabel mit Holzhammer-Moral geworden ist. Dazu sind die Figuren zu differenziert gezeichnet, vieles spielt sich in einer Grauzone zwischen Recht und Unrecht ab. Man sieht, wie Abel Morales um seine Überzeugung und sein Bild von einem seriösen Geschäftsmann kämpft, wie er mit den Versuchungen kämpft, die wegen seiner ständig dramatischer werdenden Lage immer verlockender werden. Er bemüht sich, diesen Geist auf seine Angestellten zu übertragen, und muss mit ansehen, welche furchtbaren Auswirkungen das hat. Oscar Isaac stattet diesen Mann mit einer kalten Entschlossenheit aus, die manchmal etwas Rätselhaftes bekommt. Müsste er nicht irgendwann ausrasten? Jessica Chastain gibt an seiner Seite eine hervorragende Tochter aus kriminellen Kreisen ab, die ihrem Mann recht deutlich zu verstehen gibt, dass sie ein Scheitern seiner Unternehmer-Karriere nicht akzeptieren wird.

Die Gewalt in "A Most Violent Year" ist eher unterschwellig, ständig präsent, doch sie wird nie exzessiv zelebriert. Dies ist kein blutiger Film, brutale Szenen bleiben dem Zuschauer weitgehend erspart. Er steht in der Tradition von Scorseses oder Coppolas New Yorker Gangsterfilmen aus den 70er Jahren, zeigt jedoch einen Mann, der um jeden Preis verhindern will, dass das dort geschilderte Milieu Gewalt über sein Leben bekommt.

"A Most Violent Year" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Montag 30 März 2015 um 18:27 von Roland Freist

Bearbeitet: Mittwoch 02 Dezember 2015 18:10

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