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Filmkritik: "Snowpiercer"

Die Bahn kommt

Die Eisenbahn ist das Transportmittel der Zukunft. Das ist eine von mehreren Erkenntnissen, die man aus "Snowpiercer" ziehen kann, dem neuen Film des Südkoreaners Bong Joon-ho ("Mother"). Und es ist beileibe nicht die einzige Überraschung, die er bereithält.

Die Story spielt im Jahr 2031. Vor 18 Jahren hat die Menschheit eine Substanz namens CW-7 in den Himmel geblasen, mit der sie die globale Klimaerwärmung aufhalten wollte. Dabei ist sie allerdings ein wenig über das Ziel hinausgeschossen: Die Erde kühlte sich in der Folge so stark ab, dass die gesamte Oberfläche zu einem Eispanzer gefror. Nahezu sämtliche Pflanzen, Tiere und Menschen starben.

Die vermutlich letzten menschlichen Überlebenden sitzen in einem Zug und umrunden damit die Welt. Konstruiert wurde er von dem Eisenbahnliebhaber Wilford (Ed Harris), der sich damit den Traum eines Luxuszugs für die Reichen dieser Welt erfüllte. Er hat auch den Bau des Schienennetzes vorangetrieben, das nahezu sämtliche Kontinente miteinander verbindet. Zwischen Asien und Nordamerika hat er beispielsweise unter der Beringstraße einen Tunnel gebaut.

Der Zug fährt diese Strecken seit 18 Jahren ohne anzuhalten ab. Er bildet ein geschlossenes Ökosystem und ist gegen die Umwelt isoliert, so dass er sowohl tropischen Temperaturen wie auch arktischer Kälte trotzen kann. Die Nahrung wird in Aquarien und Gewächshäusern an Bord produziert.

Moment: Wenn Sie jetzt sagen, das ist doch Unsinn, dann haben Sie recht. Es wäre tatsächlich eine unglaubliche Verschwendung von Energie und zudem äußerst aufwendig, einen vollbesetzten Zug ständig rund um die Welt zu schicken. Eine feste Siedlung in der Nähe des Äquators würde erheblich weniger Ressourcen verschlingen und zudem die Möglichkeit für Erweiterungen eröffnen. Aber egal. In diesem Film fährt man Zug.

In diesem Zug herrscht eine Klassengesellschaft, wobei sich die erste von zweiten Klasse deutlich stärker unterscheidet als das bei der Deutschen Bahn der Fall ist: Ganz hinten sitzen die Armen dicht gedrängt wie in einem Gefängnis. Dort ist es dreckig und dunkel, kein Fenster lässt Licht herein. Als einzige Nahrung teilen die bewaffneten Wachen Proteinbrocken aus, dunkle, geleeartige Quader, die offensichtlich genauso übel schmecken wie sie aussehen. Jedes Anzeichen von Widerstand wird sofort mit brutalen Strafen erstickt. Von Zeit zu Zeit nehmen die Wachen auf Befehl einer Ministerin Mason (Tilda Swinton) den Frauen ihre Kinder weg.

Eines Tages findet ein Mann namens Curtis (Chris Evans, "Captain America") einen Weg, um die Wachen zu überwältigen und aus dem Gefängniswagen auszubrechen. Zusammen mit den anderen Gefangenen und mit Unterstützung eines Security-Experten (Kang-ho Song) sowie seiner Tochter (Ah-sung Ko) kämpft er sich Wagen um Wagen und von einer Gesellschaftsschicht zur nächsten nach vorn beziehungsweise oben. Aus den Elendsquartieren gelangen sie über die Behausungen der Arbeiter und Bauern sowie der Mittelschicht bis hin zu den Treffpunkten der Schönen und Reichen. Hinter jeder der gepanzerten Waggontüren, die sie öffnen, wartet eine neue Welt mit neuen Überraschungen auf sie. Der Zugführer ganz vorn ist natürlich Wilford, der von den Passagieren eine schon beinahe religiöse Verehrung erfährt und sich auch wie ein Gott aufführt. Der Zug soll damit ein Sinnbild für die menschliche Existenz sein, was auch durchaus funktioniert. Trotzdem bleibt die Frage, warum man sich nach dem Ende der Zivilisation ständig von einem Ort zum nächsten bewegen muss, wenn überall die gleiche, menschenfeindliche Eislandschaft wartet.

Davon einmal abgesehen, ist "Snowpiercer" aber zunächst einmal ein spannender, aufregend inszenierter Actionfilm. Eine Szene spielt komplett im Dunkeln, als der Zug durch einen Tunnel fährt, man hört lediglich die Kampfgeräusche. Ein anderes Mal, in einer langgestreckten Kurve, ergibt sich ein Duell zwischen Curtis und einem Killer, die sich durchs Fenster zwischen vorderem und hinterem Zugteil ins Visier nehmen. Man spürt in den Bildern und der blutigen Ästhetik der Kämpfe die Innovationskraft des neuen koreanischen Kinos, zu dessen wichtigsten Regisseuren Bong Joon-ho gehört.

"Snowpiercer" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 04 April 2014 um 11:33 von Roland Freist

Bearbeitet: Donnerstag 12 März 2015 22:20

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