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Filmkritik: "Captain America"

Ein Hänfling rettet Amerika

Nazis! Wunderwaffen! Okkultismus! Dazu ein Held in einem albernen Ganzkörperanzug, der als einzige Waffe einen Schild akzeptiert, den er wie einen Frisbee benutzt – was bitteschön braucht ein Superheldenfilm mehr? Vor allem, wenn er wie "Captain America" noch eine gewisse Ironie beweist und offensichtlich mit viel Liebe zu phantasievollen Designs gestaltet wurde. Dies ist einer der besseren Titel aus der offenbar nicht enden wollenden Reihe von Marvel-Comic-Verfilmungen.

Die angesprochene Ironie liefert allerdings nicht allein die Filmversion. Bereits in der Heftvorlage ist Steve Rogers (Chris Evans) ein Hänfling, dünn, asthmageplagt und mindestens einen Kopf kleiner als die Durchschnitts-Amerikaner um ihn herum. Es ist das Jahr 1941. Zu Beginn der Geschichte sehen wir, wie er gerade zum fünften Mal versucht, die Musterungsprüfung zu bestehen. Wieder einmal vergeblich. Doch diesmal kommt ihm der Zufall zu Hilfe: Der fürs Militär arbeitende Wissenschaftler Dr. Abraham Erskine (Stanley Tucci) hat Rogers beobachtet und erkannt, dass dieser Junge genau das Versuchskaninchen ist, das er braucht. Er will mit einem neuen Medikament und sehr viel Elektrizität – "halb Brooklyn wird eine Weile ohne Strom sein" – aus normalen Menschen Supersoldaten mit übermenschlichen Kräften machen, was ihm in der Folge mit Rogers auch gelingt. Anstatt jedoch das Ergebnis, einen Bodybuilder mit einer geschätzten Größe von 1,90, an die Front zu verfrachten, beschließt die Armee in Gestalt des knarzigen Colonel Phillips (Tommy Lee Jones), aus dem potenziellen Superhelden die Werbefigur Captain America zu machen, die, begleitet von einer Balletttruppe, den US-Bürgern Kriegsanleihen verkaufen soll.

Dass Rogers später dennoch in den Kampf geschickt wird, ist gewissermaßen das Verdienst des Bösen in dieser Geschichte, eines deutschen Offiziers namens Johann Schmidt (Hugo Weaving, der Agent Smith aus "Matrix"), der die geheime Nazi-Wissenschaftsabteilung Hydra leitet und Hitler als Schwächling verachtet. Mit einem mystischen, leuchtenden Würfel, der angeblich von den nordischen Gottheiten stammt, bauen er und sein Wissenschaftsknecht Dr. Arnim Zola (Toby Jones) eine nie versiegenden Energiequelle, die nicht nur Waffen von der Pistole bis zum Panzergeschütz einen mächtigen Bums verleiht, sondern auch Schmidt in Red Skull verwandelt, einen Superschurken mit einem Totenkopf, der im gleichen satten Rot leuchtet wie der Kopf von Uli Hoeneß bei einem 0:3 der Bayern.

Die Figur des Captain America war ursprünglich für die Kriegspropaganda erfunden worden. Dafür ist der Film überraschend unpathetisch. Natürlich gibt es da diesen Steve Rogers, der aus innerer Überzeugung heraus immer wieder erklärt, dass er unbedingt für sein Land kämpfen will. Doch allein schon die Werbeauftritte mitsamt den Ballettszenen in der Provinz machen die romantische Soldaten- und Heldenverklärung zu einem Witz. Zwar bleiben immer noch genügend Szenen übrig, in denen die Hauptfigur in waghalsigen Stunts und unter Einsatz seines Lebens seine durchweg kernigen, sympathischen GI-Kameraden vor dem Tod rettet. Aber das ist dann auch schon wieder so übertrieben, dass es an eine Parodie grenzt.

"Captain America" ist nicht sonderlich spannend, aber gut gemacht und amüsant. Die Atmosphäre der 40er Jahre ist schön nachempfunden, außerdem hat die Design-Abteilung tolle Artefakte geschaffen: Futuristische Nazi-Motorräder, ein U-Boot, das aussieht wie ein Jet, ein riesiges Nurflügel-Flugzeug mit propellergetriebenen, fliegenden Bomben, mysteriöse Strahlenwaffen, versteckte Forts und Fabriken – allein schon das Set-Design muss einen Riesenspaß gemacht haben. Und auch der fertige Film macht Spaß. Regisseur Joe Johnston ("Jumanji", "Jurassic Park III") ist es gelungen, die vielen kleinen Fettnäpfchen, die bei einer solchen Geschichte lauern, souverän zu umgehen. Das Ergebnis kann sich im wahrsten Sinne des Wortes wirklich sehen lassen.

Zum Schluss noch ein Tipp: Bleiben Sie während des Abspanns sitzen, denn danach gibt es noch einen Trailer für "The Avengers", next year’s superhero movie.

Und noch ein Tipp: Sehen Sie sich den Film wenn möglich in 2D an. Die Tickets sind günstiger, und Sie haben nicht die ganze Zeit über den Eindruck, hinter einer grau getönten Glasscheibe zu sitzen.

"Captain America" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 19 August 2011 um 21:22 von Roland Freist

Bearbeitet: Freitag 19 August 2011 21:53

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