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Filmkritik: "All is Lost"

Der alte Mann und das Meer

Wohl nur selten hat man so mitgefiebert mit einer Filmfigur, von der man so wenig erfährt. Der mittlerweile 77-jährige Robert Redford spielt einen namenlosen Segelboot-Kapitän, der bei einer Fahrt auf dem Indischen Ozean eines Nachts von einem lauten Krachen geweckt wird. Ein treibender Frachtcontainer, vermutlich von einem Schiff gefallen, hat sein Boot gerammt und ein Loch in die Seitenwand gerissen. Zwar liegt es oberhalb des Meeresspiegels, trotzdem schwappt immer wieder Wasser hinein und drückt den Segler langsam nach unten.

Der Käpt’n bleibt ruhig und besonnen, keinen Moment gerät er in Panik. In einem ersten Schritt trennt er Boot und Container voneinander, anschließend gelingt es ihm, das Leck mit einem Reparaturkit notdürftig abzudichten. Leider ist wegen der Feuchtigkeit die Wasserpumpe des Boots nicht einsatzbereit (wobei man sich fragt, zu was eine Wasserpumpe gut sein soll, die bei eindringendem Wasser nicht mehr funktioniert). Doch mithilfe eines zurechtgeschnitzten Holzstocks kann er zumindest manuell pumpen. Nur das Funkgerät und das Satellitentelefon bleiben tot, trotzdem scheint zunächst alles noch einmal gut gegangen zu sein. Doch dann rollt vom Horizont der erste Donner eines aufkommenden Unwetters heran.

Wer ist dieser Mann? Wir erfahren so gut wie nichts über ihn. Es gibt Hinweise, dass er Familie hat oder zumindest hatte – das lässt sich schließen aus dem Text eines Briefs, der er zu Beginn aus dem Off vorliest. Außerdem hat er einen Sextanten an Bord, den er offensichtlich geschenkt bekommen hat. Dem Paket liegt eine Grußkarte bei, die er jedoch nicht lesen will.

Der Film ist ein Ein-Personen-Stück, in dem so gut wie nicht gesprochen wird. Das Erzähltempo ist mittelschnell, auf hektische Actionszenen hat Regisseur J. C. Chandor ("Margin Call") verzichtet. Der Rhythmus passt sich dem Ozean an, mit seinem Wechsel zwischen ruhigen, nahezu windstillen Phasen und dramatischen Unwettern. Immer wenn man meint, dass es der Segler jetzt geschafft hat, braut sich neues Unheil zusammen. Auf den diversen Höhepunkten des Films gelingen Kameramann Frank G. DeMarco beeindruckend klaustrophobische Bilder von dem in seine Kabine eingeschlossenen Mann.

Redford verschmilzt förmlich mit diesem Charakter, man kann sich gut vorstellen, dass er sich hier zu einem guten Teil selber spielt. Er trifft klare, logische Entscheidungen, dennoch wird die Lage immer schlimmer. Man versetzt sich in ihn hinein und überlegt sich, ob man sich genauso unter Kontrolle hätte wie er. Und als er später dann doch kurzzeitig zusammenbricht, kann man es nur zu gut verstehen. Das ist große Schauspielkunst. "All is Lost" ist generell sehenswert, doch Robert Redford in einer der besten Rollen seines Lebens veredelt ihn noch einmal.

"All is Lost" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Donnerstag 09 Januar 2014 um 21:55 von Roland Freist

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