« Everybody wants to kill Bruce | Zurück zur Startseite dieses Blogs | Filmkritik: "Oblivion" »

Filmkritik: "Dead Man Down"

Die Rache der Entmieteten

Die ungarische Armee muss ein Ausbildungsniveau haben, dass ein Dutzend Soldaten ausreichen dürften, um einen Krieg zu gewinnen. Das ging mir durch den Kopf, während ich "Dead Man Down" sah. Denn der Protagonist dieses Streifens, der von Colin Farrell gespielte Victor, beherrscht den Umgang mit Revolvern, Sturmgewehren, Sprengsätzen und Handgranaten so gut, dass er reihenweise böse Jungs erschießen kann, ohne selbst auch nur eine Schramme abzubekommen. Und als ihn seine Verbündete, eine Frau namens Beatrice (Noomi Rapace) fragt, wo er das denn gelernt habe, erklärt er ihr knapp, er sei bei der ungarischen Armee gewesen. Im Hauptberuf ist Victor ansonsten Ingenieur. Und das Gespräch über seine Kampfkünste ist leider nicht die einzige Stelle, an der man während dieses Films hängenbleibt. Produzent und Drehbuchautor J. H. Wyman hat in den vergangenen Jahren die Mysterie-Serie "Fringe" produziert und teilweise auch geschrieben. Und genauso wie bei dieser Serie gibt es auch bei "Dead Man Down" etliche Momente, in denen man ins Grübeln gerät.

Immerhin ist Victor gebürtiger Ungar, damit ist zumindest die Ausbildung bei der ungarischen Armee erklärt. Vor einigen Jahren wanderte er mit Frau und Kind in die USA aus. Bei einer Entmietungsaktion der rüden Art wurde seine Tochter von einem Schlägertrupp des Hausbesitzers getötet, später ermordeten die gleichen Männer auch seine Frau und richteten Victor so zu, dass sie ihn für tot hielten. War er aber nicht, und nun will er Rache nehmen. Dazu hat er sich in die Bande des Hausbesitzers eingeschlichen, eines Mannes namens Alphonse (Terrence Howard). Nun beginnt er mit der Unterstützung seines Schwiegervaters (F. Murray Abraham), die Männer einen nach dem anderen zu erledigen. Eines Tages wird er dabei von seiner Nachbarin, der bereits erwähnten Beatrice, beobachtet und mit dem Handy gefilmt. Sie wurde vor einiger Zeit von einem Betrunkenen angefahren, seither ist ihr Gesicht von Narben übersäht. Der Autofahrer erhielt jedoch lediglich eine kurze Haftstrafe von drei Wochen. Sie will Rache und erpresst nun Victor mit ihrem Film. Er soll für sie den Fahrer ermorden, anderenfalls will sie mit dem Video zur Polizei gehen.

Fragen tauchen auf: Wie kann es sein, dass sich niemand mehr an Victor erinnert, den renitenten Mieter, den man monatelang aus dem Haus vertreiben wollte? Wieso kam der Gangster in Victors Wohnung und wieso brachte er ihn ausgerechnet dort und noch dazu am Fenster um, so dass Beatrice alles gut sehen konnte? Und wieso betreibt er einen solchen Aufwand, um die Gangster zu ermorden? Er schickt ihnen Teile eines Puzzles, das zum Schluss ein Foto von ihm und seiner Familie ergibt. Ein solches Verhalten passt eher zu soziopathischen Serienkillern. Je länger man über solche Fragen nachdenkt, desto weniger gefällt einem dieser Film. Und wenn man sich dann dem Sog von Handlung und Bildern erst einmal entzogen hat, fällt einem auch auf, dass die Dialoge zum Schluss hin das Niveau eines Grundschul-Lesebuchs erreichen.

Dabei sind einige Sachen recht gut gelungen. Der dänische Regisseur Niels Arden Oplev hatte vor einigen Jahren die Millennium-Trilogie von Stieg Larsson verfilmt, die stark darunter litt, dass etliche der Schauspieler kein internationales Niveau aufwiesen. Noomi Rapace, die Darstellerin der Lisbeth Salander, machte da allerdings eine Ausnahme und konnte sich seither auch in Hollywood etablieren. In "Dead Man Down" zeigt sie ein weiteres Mal, wie wandlungsfähig sie ist – ihre Beatrice ist ein völlig anderer Charakter als die freakige Lisbeth und wesentlich unsicherer und verängstigter als ihre Elizabeth Shaw aus "Prometheus". Um sie herum tauchen etliche Gesichter auf, die vielleicht nicht zu den ganz großen amerikanischen Charakterdarstellern gehören, die jedoch gut und professionell ihren Job erledigen.

Der Film ist in düsteren Farben gehalten, selten sah New York so unattraktiv aus wie hier. Es gibt einige originelle, effektvolle Kameraeinstellungen, die Gesichter sind oft von eindrucksvollen Halbschatten verdeckt. Und bei den Actionszenen können die Stunt- und Kameraleute mal wieder ihr ganzes Hollywood-Können ausspielen. Doch außer der düsteren Stimmung und einigen guten darstellerischen Leistungen bleibt von "Dead Man Down" kaum etwas zurück. Als der Film vorbei war und das Licht wieder anging, stand einige Reihen weiter eine Dreiergruppe auf, schweigend, bis dann der einzige Kommentar kam: "Naja."

"Dead Man Down" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Donnerstag 04 April 2013 um 23:30 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 27 April 2014 22:44

*
blog comments powered by Disqus

« Everybody wants to kill Bruce | Zurück nach oben | Filmkritik: "Oblivion" »

Impressum/Kontakt