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Filmkritik: "Lincoln"

Abraham Lincoln, Sklavenbefreier

Für viele Amerikaner ist Abraham Lincoln der beste Präsident, den ihr Land jemals hatte. Während des Bürgerkriegs war er der Oberbefehlshaber der Truppen der Nordstaaten, und er schaffte die Sklaverei ab. In Steven Spielbergs "Lincoln" geht es um den Januar 1865. Der gerade erst für eine zweite Amtszeit gewählte Präsident will zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Er will den Krieg beenden, der in ein viertes Jahr zu gehen droht, und er will die Sklaverei durch einen Verfassungszusatz ein für alle Mal verbieten. Für letzteres benötigt er jedoch eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Repräsentantenhaus. Zwar sind dort seine Republikaner in der Überzahl. Um allerdings die Verfassung zu ändern, braucht Lincoln nicht nur sämtliche Stimmen aller republikanischen Abgeordneten, sondern darüber hinaus auch 20 Stimmen von den oppositionellen Demokraten.

Lincoln wird gespielt von Daniel Day-Lewis, einem Schauspieler, der bereits zwei Oscars als bester Hauptdarsteller gewonnen hat (für "Mein linker Fuß" und den düsteren "There Will Be Blood"). Und wie er den Präsidenten spielt, trifft er genau den Punkt, dass man sagt, ja, man hätte es selbst zwar nicht so ausdrücken können, aber so hatte man sich Lincoln vorgestellt. Groß, hager, stets leicht vornübergebeugt, müde von den Anstrengungen der Kriegsführung, aber unbeugsam, was die Frage der Sklaverei angeht. Day-Lewis präsentiert einen freundlichen, nachdenklichen Mann, der gern auf die Menschen zugeht, sie allerdings in Diskussionen nicht durch Argumente überzeugt, sondern mit Geschichten, die er entweder selbst erlebt oder bei anderen gehört hat. All das verleiht ihm ein Charisma, das ihn nahezu unangreifbar macht.

Doch trotz seines Titels handelt dieser Film in der Hauptsache nicht von Lincoln, sondern von der Art und Weise, wie es zum 13. Verfassungszusatz kam. Es geht um Politik, um die Kuhhändel und Bestechungen, die notwendig waren, um die 20 Stimmen von den Demokraten zu holen. Und es geht um Sprache: In ungeheuer wortgewaltigen Sätzen fliegen die Beleidigungen, Argumente, Unterstellungen, Lügen und Drohungen im Parlament und bei den internen Besprechungen hin und her. Lincoln selbst sitzt meist nur da, beobachtet die anderen Personen von unten aus seinen schlitzartig zusammengepressten Augen heraus, macht sich seine Gedanken und greift nur ein, wenn die gewünschte Richtung verloren zu gehen scheint. Er hat einige ausgezeichnete Redner auf seiner Seite. Der beste unter ihnen ist Thaddeus Stevens (Tommy Lee Jones), ein Abolitionist, der die Sklaverei radikal ablehnt und im Parlament während seiner mit Beleidigungen gespickten Reden regelmäßig Szenenapplaus erhält.

Für Lincoln heiligt der Zweck die Mittel. Auch er lügt, lässt seine Leute mit Bestechungen arbeiten und scheut sich nicht, die Abgeordneten mit ihrem Wunsch nach Frieden mit dem Süden zu erpressen, um die notwendigen Stimmen zusammenzubekommen. Das Parlament ähnelt hier einem Viehmarkt, wo jeder versucht, den anderen übers Ohr zu hauen.

"Lincoln" ist ein sehr guter Film, aber wie schon den letzten Werken von Steven Spielberg ("Tim und Struppi", "Gefährten") fehlen auch ihm etwas die Kraft und Dynamik, die seine besten Filme auszeichneten, angefangen von "Der weiße Hai" über "E.T." und "Jurassic Park" bis hin zu "Der Soldat James Ryan". Und die mittlerweile regelmäßig eine Spur zu süßliche Musik von John Williams wird auch immer schwerer erträglich. Keine Frage, dass "Lincoln" trotzdem einige der zwölf Oscars einheimsen wird, für die er nominiert ist (unter anderem für den besten Film und die beste Regie) und keine Frage auch, dass Daniel Day-Lewis mit dieser Leistung höchstwahrscheinlich seinen dritten Oscar gewinnen wird. Trotzdem ging es mir nun schon zum wiederholten Male so, dass ich gespannt darauf war, was dieser Regisseur aus einem Stoff machen würde, und dann leicht ernüchtert das Kino wieder verließ. Ein guter Film, keine Frage, aber trotzdem …

"Lincoln" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 25 Januar 2013 um 22:50 von Roland Freist

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