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Filmkritik: "The Homesman"

Zurück in den Osten

Immer wenn man glaubt, das Genre gebe nun endgültig nichts mehr her, kommt ein kleiner, feiner Western und beweist das Gegenteil. Tommy Lee Jones zeigt mit seinem zweiten großen Spielfilm nach "Three Burials – Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada" wie ein moderner Western aussehen kann.

Es beginnt schon damit, dass die Hauptperson eine Frau ist. Mary Bee Cuddy, großartig gespielt von der zweimaligen Oscar-Preisträgerin Hilary Swank ("Million Dollar Baby"), ist eine alleinstehende Farmerin in der weiten Landschaft von North Dakota. Sie ist eine starke Persönlichkeit, diszipliniert, mit festen Grundsätzen, aber auch viel christlicher Nächstenliebe. Ihr gelingt, was viele Farmer in der Umgebung nicht schaffen, nämlich aus dem kargen Land so viel herauszuholen, dass sie davon leben kann. Ihr einziges Unglück ist, dass sie keinen Mann findet, der sie heiraten will. Sie ist Anfang 30 und befürchtet, als alte Jungfer zu enden.

In dem winzigen Kaff, zu dem ihre Ranch gehört, sind in kurzer Zeit drei Frauen wahnsinnig geworden. In kurzen Rückblicken zeigt der Film, wie sie an der Armut und Hoffnungslosigkeit ihres Lebens verzweifeln und kaputt gehen. Bei einer ist es die verdorbene Ernte, die ihr und ihrem Mann nichts mehr zum Leben übrig lässt und sie in eine Art stille Verzweiflung schickt. Bei der zweiten sind in kurzer Zeit alle drei Kinder gestorben, die dritte hat ihr eigenes Kind umgebracht. Der Pfarrer (John Lithgow) sucht nun jemanden, der die drei zu einer Gemeinde in Iowa bringt, von wo aus sie in ein Sanatorium verlegt werden sollen. Doch die Männer des Ortes drücken sich vor der gefährlichen Fahrt, bei der auf weiten Strecken die Gefahr besteht, dass entweder Banditen oder Indianer die Reisenden ausrauben und ermorden. Schließlich meldet sich Cuddy.

Sie packt die Frauen in einen kleinen, abschließbaren Wagen, spannt ihre beiden Maultiere davor und zieht los. Eigentlich wollte sie nicht allein fahren, doch keiner will sie begleiten. Doch durch Zufall trifft sie auf George Briggs (Tommy Lee Jones), der, weil er sich unrechtmäßig auf einer verlassenen Farm eingenistet hat, gehängt wurde. Cuddy schneidet ihn los und nimmt den Deserteur und Herumtreiber mit auf die Reise.

Während der nun folgenden Fahrt räumt "The Homesman" gründlich mit den alten Western-Mythen auf. Nicht nur, weil Cuddy und Briggs nach Osten unterwegs sind, während Hollywood seine Helden traditionell in den goldenen Westen schickte. Er zeigt die Landschaft so, wie es in weiten Teilen des Mittleren Westens eben aussieht: Eine öde Prärie, auf der kaum etwas wächst und wo der Blick sich an keinem Gebirge oder sonstigen Naturformationen orientieren kann. Weit und breit ist kein grüner Strauch oder gar Baum zu sehen, alles ist tot und verdorrt. Die Indianer, denen sie unterwegs begegnen, interessieren sich lediglich dafür, ob sie etwas von Wert dabei haben. Das Pferd, das Briggs ihnen im Tausch für die Weiterreise überlässt, werden sie wahrscheinlich aufessen, erklärt er seiner Begleiterin.

Überhaupt Briggs: Tommy Lee Jones spielt ihn als illusionslosen, alten Kämpen, der gelernt hat, dass er am besten durchs Leben kommt, wenn er sich aus den Angelegenheiten seiner Mitmenschen heraushält. Er interessiert sich ausschließlich für die 300 Dollar, die Cuddy ihm für die Fahrt bezahlen will. Als sich die beiden während der wochenlangen Reise dann doch ein wenig annähern, sieht es so aus, als würde er sogar so etwas wie Sympathie für sie entwickeln. Doch das geht schnell vorbei.

"The Homesman" ist kein großer, aber ein sehenswerter Film. Er ist toll fotografiert von Rodrigo Prieto, der in den letzten Jahren unter anderem bei "Argo" und "The Wolf of Wallstreet" die Kamera führte. Dazu kommt der Cast, der vor großen Namen nur so strotzt – neben den bereits Genannten tauchen unter anderem noch William Fichtner, James Spader und Meryl Streep in Nebenrollen auf.

Der Film zertrümmert systematisch das Bild, das Hollywood einst vom Westen aufgebaut hat. Durch einige abrupte Wendungen verhindert er zudem sehr wirkungsvoll, dass man sich mit den beiden Hauptfiguren identifizieren kann. Tommy Lee Jones vermeidet allerdings, vermutlich ganz bewusst, den Aufbau eines neuen, zeitgemäßeren Mythos. Und so lässt "The Homesman" den Zuschauer zum Schluss mit einem Gefühl der Leere zurück.

"Homesman" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Dienstag 23 Dezember 2014 um 18:53 von Roland Freist

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