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Filmkritik: "Argo"

Hollywood in Teheran

Es gibt eine Stelle in diesem Film, an der es sinngemäß heißt: Dieser Plan wird funktionieren, weil die ganze Welt diese Typen aus Hollywood für verrückt genug hält, so etwas tatsächlich durchzuziehen. Nämlich einen Film zu drehen in einem Land, das mit den USA gerade einen schweren politischen Konflikt ausfechtet und das nach der Erstürmung der amerikanischen Botschaft Dutzende von Geiseln genommen hat. Aber selbst im Iran, und um den geht es hier, weiß jedermann, dass Hollywood cool genug ist, sich um solche Nebensächlichkeiten nicht groß zu scheren.

"Argo" erzählt eine Geschichte aus dem Jahr 1979/80. Nachdem die konservative Revolution von Ayatollah Chomeini gesiegt hatte, war Schah Mohammad Reza Pahlavi in die USA geflohen. Die wütende Bevölkerung im Iran forderte seine Auslieferung, was der amerikanische Präsident Jimmy Carter verweigerte. Schließlich kam es zur Erstürmung der Botschaft in Teheran. Während der Großteil der Botschaftsangehörigen gefangengenommen wurde und mehr als ein Jahr als Geiseln ausharren musste, konnten sechs von ihnen unbemerkt fliehen. Der kanadische Botschafter Ken Taylor (Victor Garber) gewährte den Amerikanern Unterschlupf in seinem Haus, aber niemand wusste, wie man sie außer Landes bringen sollte.

Da kam der CIA-Agent Tony Mendez (Ben Affleck) auf eine Idee: Er würde die versteckten Amerikaner als Teil eines kanadischen Filmteams auf der Suche nach Drehorten ausgeben. Damit diese Tarnung auch weitergehenden Recherchen der Iraner standhalten könnte, gründete er zuvor in Hollywood zusammen mit dem Maskenbildner John Chambers (John Goodman) und dem Produzenten Lester Siegel (Alan Arkin) eine Produktionsgesellschaft. Mit dem Geld der CIA kaufte er das Drehbuch zu einem billigen Science-Fiction-Thriller namens "Argo", mietete Räume an, ließ Storyboards zeichnen, eine aufwendige Pressekonferenz abhalten und Anzeigen im Branchenblatt Variety schalten. Und so unwahrscheinlich es klingt: Es funktionierte. Die iranische Kulturbehörde kaufte ihnen die Geschichte ab, und schließlich konnte Mendez mithilfe gefälschter kanadischer Pässe zusammen mit seinen Landsleuten unbehelligt ausreisen.

Der Film basiert auf einer wahren Geschichte, die Joshuah Bearman 2007 unter dem Titel "How the CIA Used a Fake Sci-Fi Flick to Rescue Americans From Tehran" in der amerikanischen Wired veröffentlicht hat. Regisseur und Hauptdarsteller Ben Affleck hat daraus einen spannenden Abenteuerfilm gemacht. Obwohl es natürlich in erster Linie um Politik geht, hat er darauf verzichtet, einen Politthriller zu drehen. Lediglich am Anfang wird auf Basis einiger alter Fernsehbilder die Vorgeschichte des Konflikts erläutert, danach geht es nur noch um die Täuschungsaktion. Viele Details im Umfeld der Geiselnahme lässt Affleck einfach weg, beispielsweise die gescheiterte Operation Eagle Claw, mit der die Gefangenen in einem militärischen Einsatz befreit werden sollten. Stattdessen konzentriert er sich völlig auf die sechs Personen im Haus des kanadischen Botschafters sowie auf die schwierige Vorbereitung der Aktion bei der CIA und in Hollywood.

Das Geschehen wurde an einigen Stellen dramatisiert, etwa der Aufruhr im Basar von Teheran, als die vermeintlichen Filmleute Fotos von der Location machen wollen, oder auch die in letzter Sekunde verhinderte Identifizierung der Gruppe am Flughafen. Einige der besten Szenen spielen jedoch in Hollywood, Goodman und Arkin führen hier voller Wonne den ganzen Sarkasmus und den Slang der Filmbranche vor.

In "Argo" feiert Hollywood sich selbst. Die Filmbranche wird so gezeigt, wie sie sich selbst am liebsten sieht: Als eine Gruppe von zynischen Geschäftemachern, die jedoch im Krisenfall für ihr Land wirklich alles tun würden. Ein wenig erinnert das an "Wag the Dog" und den dort von Dustin Hoffman gespielten Filmproduzenten. Ein ähnlicher Erfolg könnte auch "Argo" werden, denn der Film ist ungemein spannend, witzig und hervorragend inszeniert. Mein Tipp: Regie-Oscar für Ben Affleck.

"Argo" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Dienstag 13 November 2012 um 16:50 von Roland Freist

Bearbeitet: Samstag 12 Januar 2013 16:30

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