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Filmkritik: "Die Tribute von Panem – Mockingjay: Teil 1"

Die Spiele sind vorbei

In der deutschen Übersetzung der Romanvorlage wird Mockingjay mit Spotttölpel übersetzt (to mock = spotten, ein jay ist ein Eichelhäher, im Slang aber auch ein Depp oder Tölpel), was wie eine Beleidigung klingt, tatsächlich aber einen (fiktiven) Vogel bezeichnet, das Symbol der Widerstandsbewegung von Panem. Der deutsche Verleih hat gut daran getan, den Begriff zumindest für den Titel einfach aus dem Englischen zu übernehmen, denn im Deutschen klingt es so, als gäbe es in diesem Film etwas zu lachen. Und davon ist der dritte Teil der "Tribute von Panem" weit entfernt.

Tatsächlich ist dies der bislang düsterste Teil der Panem-Reihe, die wohl aufgrund des großen Erfolgs der beiden ersten Filme zur Tetralogie gemacht wurde und so die Einnahmen des Filmstudios auch für das nächste Jahr sichert. Nachdem Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) am Ende des zweiten Teils mit einem Pfeil die Kuppel über der Arena für die Hunger-Games zerschossen hatte, brachen in mehreren Distrikten Aufstände auf. Die Zentralmacht im Kapitol reagierte auf Befehl von Präsident Snow (Donald Sutherland) mit brutaler Gewalt und zerstörte den gesamten Distrikt 12, die Heimat von Katniss. Zu Beginn von "Mockingjay" befindet sie sich zusammen mit den restlichen Überlebenden in einem unterirdischen, turmartigen Gebäude, einem geheimen Bunker, genannt Distrikt 13, wo auch die neue Präsidentin Alma Coin (Julianne Moore) residiert. Seit der letzten Ausgabe der Hungerspiele ist Katniss bereits das Aushängeschild der Rebellion, hält sich jedoch im Hintergrund. Coin und Plutarch Heavensbee (Philipp Seymour Hoffman), der ehemalige oberste Spielleiter, wollen jedoch, dass sie aktiver wird. Nach einem schweren Luftangriff des Kapitols auf eine Sanitärstation beginnt sie endlich, ihre Rolle zu akzeptieren. Mit ihrem Vorbild als Motivation gehen die Rebellen zum Gegenangriff über.

Dieser dritte Film der Reihe hat mit den ersten beiden nicht mehr viel gemein. Aus den Hunger-Games ist blutiger Ernst geworden, die Spielshow hat sich in Realität verwandelt. "Mockingjay" ist seinem Wesen nach ein Kriegsfilm, und was er an blutüberströmten und zerfetzten Leichen zeigt ist hart an der Grenze dessen, was die FSK Zwölfjährigen noch zu sehen erlaubt. Trotzdem ist der Film deutlich besser als Teil 2, das Tempo wurde erhöht, der Politik weniger Raum gegeben. Stattdessen haben sich die beiden neuen Drehbuchautoren Peter Craig ("The Town") und Danny Strong (vor allem als Schauspieler bekannt, unter anderem aus "Buffy") dazu entschlossen, den Hauptfiguren mehr Emotionen zuzugestehen, was die Handlung gleichzeitig interessanter wie auch glaubwürdiger macht. Dass das Ende unbefriedigend ist und nach der Auflösung im vierten und letzten Teil schreit, liegt in der Natur eines so brutal auseinandergeschnittenen Plots.

Jennifer Lawrence liefert als Katniss Everdeen erneut eine gute, solide Leistung ab. Mit dem Oscar im Rücken ist sie zu einer ruhig agierenden, selbstbewussten Schauspielerin geworden. Sie tritt hier zwei Stunden lang vermeintlich ungeschminkt auf, das Makeup hat ihr sogar die kleine Narbe auf der Stirn gelassen. Umso leichter fällt es ihr, das junge, unauffällige Mädchen zu geben, das durch die Umstände in eine Führungsrolle gedrängt wird, um die es sich nie beworben hatte. Ihr alter Partner Peeta ist Gefangener des Kapitols und hat nur einige Kurzauftritte. Liam Hemsworth dagegen, der wieder ihren Verlobten Gale spielt, hat dieses Mal zwar viel Screentime, dennoch gelingt es ihm erneut, weitgehend blass zu bleiben. Philipp Seymour Hoffman zeigt in den letzten Bildern, die vor seinem Tod entstanden sind, noch einmal, wie gut er selbst grob konturierte Nebenrollen zum Leben erwecken konnte. Und der Newbie Julianne Moore bringt genau die Ruhe und Anspannung zusammen, wie man sie sich bei einer Rebellen-Präsidentin vorstellt. Donald Sutherland schließlich ist ein sehr schön diabolischer Diktator.

Nach dem misslungenen zweiten Film hatte ich nicht viel Hoffnung für Teil 3 der "Tribute". Doch der Wechsel der Drehbuchschreiber hat viel bewirkt, "Mockingjay" wirkt erheblich frischer und ist weitgehend frei von Langeweile. Bleibt zu hoffen, dass das große Finale im kommenden Jahr das gleiche Niveau erreicht oder sogar noch eine Schippe drauflegt.

"Die Tribute von Panem – Mockingjay: Teil 1" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Donnerstag 20 November 2014 um 23:01 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 23 November 2014 16:59

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