« Filmkritik: "A Most Wanted Man" | Zurück zur Startseite dieses Blogs | Filmkritik: "Gone Girl – Das perfekte Opfer" »

Filmkritik: "Under the Skin"

Der Film mit dem Motorradfahrer from Hell

Dies ist ein Film, auf den man sich einlassen muss, wenn er gefallen soll. "Under the Skin" lässt viele Fragen einfach unbeantwortet, viele Details muss der Zuschauer einfach so akzeptieren, wie sie sind. Die Geschichte wird eher angedeutet als erzählt, viel gesprochen wird ohnehin nicht. Visuelle Effekte ersetzen oftmals die Erklärung, was da gerade passiert oder warum es passiert. Und das Ende ist genauso unbefriedigend wie der Anfang.

Denn die Heldin der Geschichte, eine bis zum Schluss namenlose Frau, muss zu Beginn erst noch geschaffen werden. Dass es sich um einen Schöpfungsakt handelt, erraten wir aus dem Soundtrack, in dem man eine Stimme zu erkennen meint, die versucht, Wörter zu bilden. Die Bilder dazu sind abstrakt, nicht zuordbar. Doch dann ist da plötzlich die Iris eines menschlichen Auges, und siehe da, es gehört Scarlett Johansson. Zunächst ist sie nackt, doch dann trägt sie plötzlich eine Pelzjacke und darunter eine leuchtend rote Bluse. Zusammen mit ihren schwarzen Haaren und dem grellrot geschminkten Mund ergibt sich der Eindruck eines verführerischen Teufels. Sie ist ganz offensichtlich nicht auf der Erde aufgewachsen. Doch ob es sich bei ihr um ein Alien oder doch eher um einen Dämon handelt, von der Art, mit der sich die beiden Jungs in "Supernatural" immer herumschlagen müssen, wird nicht aufgeklärt. Ich tippe auf die zweite Möglichkeit, denn da ist noch ein Gehilfe, ein Motorradfahrer in voller Montur und mit einer Sportmaschine, der hinter ihr aufräumt, Leichen einsammelt, Spuren beseitigt. Er wirkt wie ein dienstbarer Geist, geschickt aus der Hölle, um sie bei ihrer Aufgabe zu unterstützen.

Und er hat gut zu tun. Denn Johansson hat eine Mission, die sie möglichst lange unerkannt fortsetzen soll: Sie fährt in einem weißen Lieferwagen durch Schottland und spricht Männer an, horcht sie aus, was sie so machen, wohin sie wollen, ob es jemanden gibt, der auf sie wartet. Sobald sie einen alleinstehenden Typen gefunden hat, den niemand so bald vermissen wird, lockt sie ihn mit ihren Reizen in ihr Zuhause, ein baufälliges Haus, in dem ein riesiger schwarzer Raum wartet, eigentlich viel zu groß, als dass er in das kleine, baufällige Gebäude hineinpassen könnte. Sie geht voraus, legt ihre Kleider ab, er folgt ihr und tut das gleiche. Doch während sie über den spiegelnden Boden laufen kann wie Jesus übers Wasser, taucht er mit jedem Schritt immer tiefer in eine dunkle, ölige Flüssigkeit ein. Die Opfer versinken und scheinen sich aufzulösen. Was der Sinn des Ganzen ist, bleibt ungeklärt. Irgendwann sieht man in einer Szene, wie die Flüssigkeit samt der teilweise aufgelösten Opfer durch einen feurig roten Schacht abfließt. Wohin? Tja.

Doch der Aufenthalt auf der Erde verändert Johansson. Sie gabelt einen Mann mit verunstaltetem Gesicht auf, das er unter einer Kapuze versteckt. Sie erkennt seine Einsamkeit, bekommt Mitleid, und sie lässt ihn laufen. Danach ist nichts mehr wie es war. Sie wechselt die Kleidung und flieht. Doch dann gerät sie an den falschen Mann.

Scarlett Johansson ist genau die Richtige für diese Rolle. Sie besitzt diesen leicht abwesenden Blick, der sie immer aussehen lässt, als sei sie nicht ganz bei der Sache und hinge insgeheim ihren eigenen Gedanken nach. Das prädestiniert sie für ein Wesen, offenbar künstlich erschaffen, das keine Vergangenheit hat und nur dem eingepflanzten Befehl folgt, junge Männer zu erbeuten, ohne dass sie selber den Sinn dahinter erkennen könnte. Und erst im letzten Akt des Films wird sie sich ihres eigenen Selbst und ihres Körpers bewusst.

"Under the Skin" wird als Science-Fiction- und Horror-Film vermarktet und lief auf dem diesjährigen Fantasy Filmfest. Doch es ist ein Horror, der ohne Erschrecken oder Grauen auskommt. Das Wort Mystery trifft es daher besser. Es ist eine recht einfache Geschichte, die hier erzählt wird, und die Erzählung ist, ehrlich gesagt, zeitweise ein wenig langweilig. Es dauert ewig, bis Johansson wieder einen geeigneten Kandidaten gefunden hat, den sie mit nach Hause nehmen kann. Dazwischen fährt sie durch das zumeist regennasse Glasgow und durch Highland-Landschaften, die von einem grauen Himmel erdrückt werden. Die wenigen Dialoge lösen nicht die Rätsel, die die Handlung umgeben. Dem Zuschauer bleibt nichts anderes übrig, als sich dem Fluss der Bilder anzuvertrauen. Diese Erzählweise ist das eigentlich Besondere an "Under the Skin". Sie sorgt dafür, dass man erst im Nachhinein, wenn man die Bilder noch einmal Revue passieren lässt, die Hinweise auf das tatsächliche Geschehen sieht und versteht. Und dann wird dieser Film auf einmal doch noch zu einem guten.

"Under the Skin" kommt in Deutschland am 10. Oktober auf DVD und Bluray heraus und läuft ansonsten ausschließlich in einigen ausgesuchten Programmkinos. Er wurde nicht synchronisiert und wird im englischen Original gezeigt (wobei die schottischen Darsteller nahezu unverständlich sind). Orte und Termine erfährt man auf der Website http://undertheskin-film.de.

"Under the Skin" in der IMDB

Der englische Trailer:

Geschrieben am Freitag 26 September 2014 um 21:26 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 28 September 2014 10:32

*
blog comments powered by Disqus

« Filmkritik: "A Most Wanted Man" | Zurück nach oben | Filmkritik: "Gone Girl – Das perfekte Opfer" »

Impressum/Kontakt