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Filmkritik: "Silver Linings"

Romantik und Football

"Silver Linings" ist eine romantische Komödie, wie sie im Prinzip auch das deutsche Fernsehen produzieren könnte. Wäre da nicht der Background der Hauptfiguren – über Menschen, die sich in psychologischer Behandlung befinden, einen teilweise durchaus witzigen Film zu drehen, das würden sich ARD und ZDF vermutlich nicht trauen. Zum Glück geht das aber in Hollywood.

Pat Solitano (Bradley Cooper, bekannt aus "Hangover") hatte seine Frau Nikki (Brea Bee) beim Sex mit einem anderen Mann entdeckt und seinen Nebenbuhler brutal zusammengeschlagen. Da er bereits zuvor unkontrollierte Wutanfälle hatte, wurde er in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen, wo bei ihm eine bipolare Störung diagnostiziert wurde. "Silver Linings" beginnt damit, dass seine Mutter Dolores (Jacki Weaver) ihn nach acht Monaten Behandlung dort abholt.

Pat lebt nun bei ihr und seinem Vater Pat Senior (Robert de Niro), der sein Geld mit Wetten auf das lokale Football-Team, die Philadelphia Eagles, verdient. Er will keine Medikamente mehr nehmen und seine Wutanfälle stattdessen mit Sport in den Griff bekommen, was allerdings nicht so recht funktioniert. Pat würde auch gerne wieder Kontakt zu seiner Frau aufnehmen, die allerdings hat erwirkt, dass er sich mindestens 150 Meter von ihr fern halten muss.

Bei einer Einladung zum Abendessen lernt Pat Tiffany kennen (Jennifer Lawrence, "Die Tribute von Panem"), eine junge Frau, die vor einiger Zeit ihren Mann bei einem Autounfall verloren hat und ebenfalls eine psychologische Behandlung durchlaufen hat. Tiffany kennt Pats Noch-Ehefrau und ist bereit, ihr Briefe von ihm zu überbringen, was die gerichtliche Verfügung eigentlich verbietet. Dafür verlangt Tiffany jedoch etwas von ihm: Sie benötigt für einen Wettbewerb einen Tanzpartner, diese Rolle soll jetzt Pat übernehmen.

Als romantische Komödie setzt "Silver Linings" nicht auf One-Liner und auch nicht auf Situationskomik. Der Witz des Films liegt in erster Linie in den Dialogen, schnellen und direkten Wortwechseln, wobei sich vor allem Pat und Tiffany dadurch auszeichnen, dass sie kein Blatt vor den Mund nehmen. Eine der schönsten Szenen spielt sich während des erwähnten Abendessens ab, als die beiden sich fachmännisch über die Wirkung verschiedener Psychopharmaka austauschen. Die Gespräche sind zudem so aufgebaut, dass der Angesprochene immer den letzten Satz des Sprechers wiederholt, beinahe so wie früher bei "Derrick" ("Frau Oberstudienrat, wir müssen Ihnen leider sagen, Ihr Mann ist tot." "Mein Mann ist tot?" "Ja, er ist tot. Wir vermuten, er wurde ermordet." "Ermordet? Wie ist das geschehen?" "Das wissen wir noch nicht." "Das wissen Sie noch nicht?" "Nein. Frau Oberstudienrat: Hatte Ihr Mann Feinde?" "Feinde?" usw. usf.). Wenn solche Dialoge mit verschärfter Geschwindigkeit abgespult werden, hat das eine durchaus komische Wirkung.

Während der ersten zwei Drittel des Films passt sich der Erzählrhythmus sehr gekonnt der nervösen Unruhe von Pat an – man fühlt sich beinahe genauso unbehaglich wie er, alles geschieht viel zu schnell, es gibt keinen Moment, um mal tief Luft zu holen und zu entspannen. Je mehr Ruhe in die Handlung kommt, desto ruhiger wird auch der Filmrhythmus, und der Humor des großen Finales kommt zur Geltung.

"Silver Linings" wurde für acht Oscars nominiert, unter anderem als bester Film. Auch die vier Hauptdarsteller wurden für den Preis vorgeschlagen, wobei vor allem Jennifer Lawrence überzeugen kann. Ihr gelingt es mühelos, die Katniss Everdeen aus den "Tributen von Panem" vergessen zu machen und zu einem komplett anderen Typ Frau zu werden. Sehr faszinierend. Außerordentlich gefreut hat es mich, dass sich Robert de Niro nach all den Flops und bestenfalls mittelmäßigen Filmen der letzten Jahre noch einmal aufgerafft hat und hier eine überzeugende, differenziert gezeichnete Vaterfigur anbietet. Seine Oscar-Nominierung ist seine erste seit "Kap der Angst" aus dem Jahr 1991.

"Silver Linings" ist sicher kein außergewöhnliches Meisterwerk, bringt aber bei der Machart und den Figuren einiges an Originalität mit. Es ist kein Film der Monster-Gags, trieft andererseits aber auch nicht vor Sentimentalität. Das Ende ist vorhersehbar und auch einigermaßen kitschig, was aber bei einem Film dieses Typs einfach dazugehört.

"Silver Linings" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Samstag 12 Januar 2013 um 16:49 von Roland Freist

Bearbeitet: Samstag 12 Januar 2013 17:20

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