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Filmkritik: "Die Tribute von Panem – The Hunger Games"

Brot und Spiele

Man könnte mittlerweile schon beinahe ein eigenes Genre "Reality-TV-Filme" aufmachen. In diese Kategorie einsortieren ließen sich neben dem visionären deutschen "Millionenspiel", entstanden zu einer Zeit, als es den Begriff Reality-TV noch gar nicht gab, Filme wie "Running Man" mit Arnold Schwarzenegger, "Die Truman Show" oder jetzt eben "Die Tribute von Panem – The Hunger Games" von Regisseur Gary Ross. Immer geht es um die Auswüchse des modernen Fernsehens, um seine Rolle zur Befriedigung niedrigster Bedürfnisse wie Voyeurismus und unterdrückter Aggression. Ob das psychologisch tatsächlich so funktioniert, sei dahingestellt. Wichtig ist nur, dass das Fernsehen gezeigt wird als eine Institution, die für die Quote und damit für Geld alle moralischen und ethischen Bedenken beiseite wischt.

"The Hunger Games" spielt in einer unbestimmten Zukunft. Nordamerika, das nun Panem heißt, wurde aufgeteilt in zwölf Distrikte, die von einer zentralen Hauptstadt regiert werden. Alljährlich muss jeder Distrikt per Los zwei Jugendliche bestimmen, die als so genannte Tribute in die Hauptstadt geschickt werden, um an den Hungerspielen teilzunehmen, einem Kampf Jeder gegen Jeden, der in einem Waldgebiet ausgetragen wird und bei dem es nur einen Überlebenden geben darf. Jede Bewegung der Kämpfer, jeder Mord an einem Konkurrenten wird mit versteckten Kameras live im Fernsehen übertragen, in einer Show, die seit 74 Jahren den Höhepunkt des TV-Jahres bildet.

Der Film beginnt mit der Auswahl der beiden Jugendlichen aus Distrikt 12. Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) meldet sich freiwillig, um ihre kleine Schwester zu retten, deren Name bei der Verlosung gezogen wurde. Das zweite Los, es muss immer einen weiblichen und einen männlichen Tribut geben, fällt auf Peeta (Josh Hutcherson), einen gutaussehenden Jungen, der Katniss bereits seit längerer Zeit heimlich angehimmelt hatte. Diese Szenen in der ländlichen Umgebung von Distrikt 12 sehen aus, als stammten sie aus einem deutschen Heimatfilm der 30er Jahre: Die Mädchen tragen Zöpfe und einfache, helle Kleider, die Jungen spießige Stoffhosen und weiße Kurzarmhemden. Das ist ein krasser Kontrast zum Outfit der Menschen in der Hauptstadt, wo die Tribute in den folgenden Tagen trainiert und dem Publikum vorgestellt werden: Hier dominieren bizarre, grellbunte Frisuren und plüschige Klamotten, und die Menschen wirken als seien sie Teil eines immerwährenden, altmodischen Maskenballs. Wir verstehen: In Panem hat sich eine Feudalgesellschaft etabliert, die reiche, dekadente Hauptstadt lebt von der Ausbeutung der Provinz. Und es ist das Fernsehen, das für die Spiele sorgt, mit denen wie im alten Rom die Bevölkerung ruhiggestellt wird.

Doch die Medienkritik und die gesellschaftlichen und ethischen Fragen bilden lediglich den Hintergrund für die Geschichte von Katniss. Der Film ist ganz auf sie fixiert, begleitet sie zu den Personen, die sie bei der Vorbereitung auf den Wettkampf unterstützen, zu ihrem Modeberater Cinna, überzeugend gespielt von Lenny Kravitz, und zu ihrem persönlichen Ratgeber Haymitch (Woody Harrelson), einem zumeist betrunkenen, desillusionierten, ehemaligen Gewinner der Hungerspiele. Auch danach, als es endlich losgeht und das blutige Massaker unter den Jugendlichen beginnt, bleibt die Kamera bei Katniss. Und Jennifer Lawrence ist genau die richtige Besetzung für diese Rolle. Ohne sich groß verrenken zu müssen, bringt sie die Angst und Unsicherheit, aber auch die Entschlossenheit ihrer Figur glaubwürdig rüber.

"The Hunger Games" ist ein interessanter Film, bei dem einen die spannenden Jagdszenen im Wald mit der etwas langatmigen Einleitung versöhnen. Doch am Schluss hat man den Eindruck, man habe die entschärfte Version eines Films gesehen, der ursprünglich für ein erwachsenes Publikum gedacht war. Regisseur und Produzenten haben offensichtlich darauf geachtet, die Blut- und Gewaltszenen so weit zu entschärfen und zu schneiden, dass der Film eine Freigabe ab 13 (USA) beziehungsweise zwölf Jahren bekommt und so auch für Jugendliche zugänglich ist. Das Ergebnis ist eine Art Märchenfilm mit der Story eines Horrorschockers. Irgendetwas passt hier nicht.

1999 erschien der japanische Film "Battle Royale", dessen Grundstruktur – Jugendliche werden in einer zukünftigen Gesellschaft gezwungen, bis zum Tod gegeneinander zu kämpfen – weitgehend mit der von "The Hunger Games" übereinstimmt. Ohne dessen lakonisch inszenierte Gewaltszenen verherrlichen zu wollen – "Battle Royale" hat eine strikte 18er Freigabe – ein wenig von seiner Kraft und Konsequenz würde man sich auch für "The Hunger Games" wünschen. Denn der wirkt über weite Strecken wie ein Erlebnisbericht aus dem Pfadfinderlager.

"Die Tribute von Panem – The Hunger Games" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Samstag 24 März 2012 um 16:18 von Roland Freist

Bearbeitet: Samstag 12 Januar 2013 16:22

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