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Filmkritik: "Contagion"

Der Weg der Ansteckung

"Contagion" (deutsch: Ansteckung) ist ein Film mit einem unsichtbaren Hauptdarsteller. Es ist ein Virus, übergesprungen vom Schwein auf den Menschen, das erst zu einer Art Grippe und dann zum Tod führt. Die Nebenrollen sind mit prominenten menschlichen Darstellern besetzt: Gwyneth Paltrow als Patient Nummer 1, also der erste Mensch, der die Krankheit in sich trägt, Matt Damon als ihr Mann, offensichtlich immun gegen das Virus, Laurence Fishburn als Leiter der Centers for Disease Control in Atlanta, dem amerikanischen Äquivalent zum deutschen Robert-Koch-Instituts, seine Mitarbeiterin Kate Winslet, Marion Cotillard als Ermittlerin der WHO sowie Jude Law als ein Medizin-Blogger. Sie beobachten den Aufstieg und Fall des Virus, das von Hongkong in die USA und von dort aus in die ganze Welt weitergegeben wird. Es sind Opfer, Bekämpfer und auch Profiteure der Seuche, die Regisseur Steven Soderbergh hier zeigt. Manchmal erinnert der Aufbau ein wenig an die klassischen Katastrophenfilme: Eine Vielzahl von Charakteren wird vorgestellt, und der Film begleitet sie, so lang die Bedrohung anhält – das sind etwa sechs Monate. Doch die Personen begegnen sich nicht persönlich, ihre Lebenswege sind lediglich durch das unsichtbare Virus miteinander verbunden.

Die Story wird mit den üblichen Mitteln eines Seuchen-Thrillers erzählt. Es kommen die Landkarten mit den rot eingefärbten und sich in der Prognose von Tag zu Tag vergrößernden Infektionsgebieten zum Einsatz, die Statistiken zur Zahl der voraussichtlichen Todesfälle und die Schutzanzüge mit der eigenen Sauerstoff-Versorgung. Dazu sieht man Bilder von Hamsterkäufen, Plünderungen und Auseinandersetzungen der aufgebrachten Bevölkerung mit der Nationalgarde. Das alles kennt man bereits aus ähnlich gelagerten Filmen, trotzdem entwickelt "Contagion" eine gewisse Spannung. Es ist ein verzweifelter Kampf, den die Wissenschaftler ausfechten, gegen einen zunächst völlig unbekannten Gegner, der erst nach und nach seine Geheimnisse preisgibt. Dutzende von Seren werden entwickelt und an Rhesusaffen ausprobiert, bis endlich ein wirksamer Impfstoff gefunden ist.

Eine der Stärken des Films ist, dass er immer wieder quasi nebenbei zeigt, auf welchen Wegen sich das Virus ausbreitet. Eine Kaffeetasse, aus der ein Infizierter auf dem Flughafen getrunken hat, wird von einer Bedienung abgeräumt. Ein Mann verliert seinen Geldbeutel, jemand anderes hebt ihn auf und gibt ihn ihm zurück. Ein Vater steckt seinem Kind einen Kartoffelchip in den Mund. Das Virus, so erfahren wir, wird bereits bei einer einfachen Berührung weitergegeben. Ist es erst einmal auf der Hand, ist der Rest kein Problem mehr, wie Marion Cotillard erklärt, denn der Mensch fasst sich jeden Tag einige Tausend Mal ins Gesicht. Dank des internationalen Luftverkehrs kann sich das Virus zudem in kürzester Zeit über die ganze Welt ausbreiten.

Gut dargestellt sind auch die logistischen Probleme, die eine massenhaft verbreitete Krankheit aufwirft. Wo kann man Millionen von Kranken behandeln? Selbst in den USA stehen dafür nicht genug Krankenhaus-Kapazitäten bereit. Leerstehende Industriehallen müssen angemietet und innerhalb von ein oder zwei Tagen mit Betten und medizinischem Equipment ausgestattet werden. Wie kann man die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sichern, wenn alle Supermärkte entweder geschlossen oder geplündert sind? Wie kann man die Verteilung eines Impfstoffs möglichst gerecht organisieren?

Doch vielleicht liegt es gerade an dieser realistischen Darstellung, dass einen "Contagion" insgesamt recht kalt lässt. Der Film erinnert über weite Passagen an Reality-TV oder eine Fernseh-Dokumentation. Man wäre nicht überrascht, wenn eine Stimme aus dem Off käme, die die Vorgänge auf der Leinwand kommentieren würde. Es gibt keine menschliche Hauptperson, in die man sich hineinversetzen könnte – sobald der Film einer seiner Figuren etwa zehn Minuten gefolgt ist, wechselt er abrupt weiter zur nächsten. So erfährt man viel über die Geschichte einer Seuche und wie sie bekämpft wird, doch es berührt einen nicht. Und als dann in der letzten Szene gezeigt wird, wie der Erreger vom Tier auf den Menschen überspringen konnte, interessiert einen noch nicht einmal das mehr.

"Contagion" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 21 Oktober 2011 um 11:14 von Roland Freist

Bearbeitet: Samstag 12 Januar 2013 16:15

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