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Filmkritik: "The Hateful 8"

Zoff im Miederwarenladen

Der Western hat in den letzten Jahren ein kleines Comeback erlebt. Filme wie "True Grit" von den Coen-Brüdern oder "Three Burials" und "The Homesman" von Tommy Lee Jones zeugen davon, dass das Genre immer noch Fans hat, dass es Regisseure gibt, die Spaß daran haben, die Kino-Impressionen ihrer Jugend in einer modernen Form aufzuarbeiten. Nun hat sich auch Quentin Tarantino in diese Riege eingereiht. "The Hateful 8" ist der erste echte Western, den er gedreht hat. Denn der 2012 erschienene "Django Unchained" war dann doch eher ein Südstaaten- und Rassismusdrama.

Der Film ist zum größten Teil ein Kammerspiel: In Minnies Miederwarenladen, einer einsam gelegenen Blockhütte in den Bergen von Wyoming, suchen acht Männer Schutz vor dem nahenden Schneesturm: John Ruth (Kurt Russell), genannt "Der Henker", ist ein Kopfgeldjäger, der die intensiv gesuchte Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) an sich gekettet hat, um sie nach Red Rock zu bringen, wo eine Belohnung von 10.000 Dollar auf sie ausgesetzt ist. Unterwegs hat er Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson), ebenfalls ein Kopfgeldjäger, und den zukünftigen Sheriff von Red Rock aufgegabelt, einen Mann namens Chris Mannix (Walton Goggins). Dazu kommt noch der Kutscher O. B. (James Parks).

In der Hütte, die eher an eine Bar als an ein Fachgeschäft für Damenbekleidung erinnert, warten bereits Bob der Mexikaner (Demián Bichir), der vorgibt, die Ladeninhaber Minnie und Sweet Dave zu vertreten, Oswaldo Mobray (Tim Roth), der zukünftige Henker von Red Rock, der Cowboy Joe Gage (Michael Madsen) und der ehemalige Konföderierten-General Sanford "Sandy" Smithers (Bruce Dern). John Ruth, eindeutig das Alphatier unter den Anwesenden, beginnt die Lage zu erkunden, auch Marquis Warren ist voller Misstrauen. Die Männer beginnen sich zu unterhalten, es geht um den vor einigen Jahre beendeten Sezessionskrieg zwischen den Nord- und Südstaaten, um Abraham Lincoln und die Sklaverei. Mehr und mehr wird deutlich, dass hier etwas nicht stimmt und mindestens eine Person nicht die ist, für die sie sich ausgibt. Doch wegen des Schneesturms müssen die hasserfüllten Acht voraussichtlich zwei oder drei Tage zusammen in Minnies Miederwarenladen ausharren.

Die digitale Version des Films, die in den meisten Kinos gezeigt wird, hat eine Länge von 167 Minuten. Auf Zelluloid, im selten verwendeten 70-Millimeter-Format, läuft er sogar mehr als drei Stunden. Beides ist in diesem Fall zu lang, die Handlung gibt das nicht her. Tarantino füllt den Rest mit seinen berühmten Dialogen, die jedoch in den letzten Jahren etwas langatmig geworden sind. Zudem ist nicht jeder Schauspieler dafür geeignet, minutenlange Gespräche zu führen. Kurt Russell etwa, die alte Klapperschlange, war immer dann am besten, wenn er nur ab und zu mal ein paar lakonische Bemerkungen zwischen den Zähnen hervorpresste.

Auch dieses Mal gibt es übrigens wieder einen Christoph-Waltz-Part, nur wird er diesmal gespielt von Tim Roth, der die Rolle des ewig quasselnden Sonderlings ebenfalls gut ausfüllt. Schauspielerisch am besten ist jedoch Jennifer Jason Leigh, die mit viel komödiantischem Talent in die Rolle der illusionslosen, heimtückischen Mörderin schlüpft und dafür zu recht für einen Oscar nominiert wurde. Samuel L. Jackson und Michael Madsen, die bei Tarantino-Filmen quasi zum Inventar gehören, füllen ihre Rollen mit gewohnter Routine aus.

Ein wenig trifft das auch auf den gesamten Film zu: Ihm fehlen ein wenig die Überraschungsmomente. Sobald sich alle in der Hütte versammelt haben, weiß man bereits, dass es am Schluss zu einem Shootout kommen wird, und dass es blutig wird. Ist bei Tarantino immer so, vor allem bei seinen letzten Filmen. Doch davon lässt sich heute niemand mehr beeindrucken, und dem Film bringt es wenig, ganz gleich, wie viel Blut und Hirnmasse die Maskenbildner auch auf den Darstellern verteilen.

Die Bilder jedoch sind toll. Kameramann Robert Richardson liefert vor allem zu Beginn beeindruckende Landschaftsaufnahmen, so, wie man es von einem Western erwartet. Aber auch die internen Szenen sind gut geworden, atmosphärisch sehr dicht, in den dunklen Räumlichkeiten blinken an verschiedenen Stellen immer wieder leuchtende rote, gelbe und blaue Farbkleckse auf.

"The Hateful 8" spielt vor dem Hintergrund des gerade erst überstandenen Bürgerkriegs. Er zeigt eine Gesellschaft voller Misstrauen, Rassismus und Hass, ehemalige Soldaten und Verbrecher, die keine Hemmungen haben zu töten. Doch die Geschichte, die er erzählt, ist sehr simpel, ähnlich wie in „Kill Bill“, der den Rachefeldzug einer betrogenen Frau begleitete. Es ist immer noch ein guter Film, auch wenn er um mindestens 30 Minuten zu lang ist und man zudem die Leichtigkeit früherer Tarantino-Werke vermisst.

"The Hateful 8" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Dienstag 02 Februar 2016 um 16:20 von Roland Freist

Bearbeitet: Donnerstag 25 Februar 2016 12:02

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