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Filmkritik: "Django Unchained"

Gesprengte Ketten

Es dauerte gerade einmal fünf Sekunden, dann hatte er mich. Die erste Einstellung zeigt eine menschenleere Steinwüste, Musik setzt ein, ein klassischer Westernsong (das Original-Thema aus dem 60er-Jahre-"Django"), dann werden in flammend roter Schrift der Filmtitel und die Mitwirkenden vorgestellt, ganz wie es sich gehört. Die Atmosphäre stimmt, jetzt kann's losgehen.

Quentin Tarantinos "Django Unchained" ist ein Western, mit starker Tendenz zum Spaghetti-Western, also zu den Filmen von Sergio Leone oder Sergio Corbucci. Er erzählt die Geschichte des Sklaven Django (Jamie Foxx), der in einer spektakulären Anfangssequenz von dem deutschstämmigen Kopfgeldjäger Dr. King Schultz (Christoph Waltz) befreit wird. Django soll die drei Brittle-Brüder identifizieren, per Steckbrief gesuchte Verbrecher, die ihn und seine Frau Broomhilda (Kerry Washington) einst gefoltert hatten und mittlerweile auf der Farm eines weißen Großgrundbesitzers arbeiten, gespielt von dem alt gewordenen Don Johnson. Als Belohnung will Schultz Django etwas Geld geben, außerdem verspricht er, dass er zusammen mit ihm nach Broomhilda suchen wird, die als Sklavin verkauft wurde.

Und er hält Wort: Nachdem sie die drei Brüder gefunden, erschossen und die Belohnung kassiert haben, bringt Schultz Django das Handwerk, aber auch die Kaltblütigkeit eines Kopfgeldjägers bei. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg nach Mississippi, wo sie Broomhilda auf der Farm von Calvin Candie (Leonardo DiCaprio) aufspüren, einem Großgrundbesitzer mit einer Vorliebe für Mandingo-Kämpfe, bei denen Schwarze aufeinander gehetzt werden, bis einer von beiden tot ist.

"Django Unchained" erzählt im Grunde zwei Geschichten: In der ersten geht es um die Befreiung von Django, seine Entwicklung von einem eingeschüchterten Sklaven zu einem selbstbewussten, freien Mann und seine Rache an den Brittle-Brüdern. Dieser Teil ist klassischer Tarantino: unterhaltsam, mit vielen witzigen Momenten, und einigen sehr brutalen Szenen.

Die zweite Geschichte handelt von der Suche nach und der Befreiung von Broomhilda. Und hier entdeckt man einen ganz neuen Tarantino: Voller Wut und bemerkenswert humorlos attackiert er die Sklaverei und zeigt am Beispiel von Calvin Candie die Bestialität der weißen Sklavenhalter. Für Candie ist ein Schwarzer nichts als eine Ware, die man zu brutalen Kämpfen oder zur Prostitution zwingt und die man bereits im Falle kleinster Vergehen mit grausamen Strafen belegt. Witze sind hier tatsächlich fehl am Platz. Dennoch überrascht es, mit welch heiligem Zorn Tarantino dieses Thema angeht. "Django Unchained" ist ohne Zweifel sein bislang emotionalster Film.

Genau wie der erste ist auch der zweite Teil des Films von einer starken Brutalität geprägt. Bei jedem Treffer spritzt das Blut, als sei eine Lavalampe explodiert. Gleichzeitig gibt es aber auch die Szenen, in denen Schwarze gequält, gefoltert oder ermordet werden. Und die sind teilweise so unmenschlich, dass auch Tarantino nicht mehr hinschauen mag.

Unter den Darstellern ragt vor allem Christoph Waltz hervor. Sein Dr. Schultz mit der umständlichen Ausdrucksweise ist keine einfache Rolle, doch er meistert sie souverän. Es wirkt ein wenig so, als habe ihm Tarantino den Text auf den Leib geschrieben, so gut passt dieser eloquente deutsche Kopfgeldjäger zu ihm. Über drei Viertel des Films beherrscht er das Geschehen auf der Leinwand, Django wird erst im Schlussviertel zur Hauptperson. Jamie Foxx gibt einen guten, schwarzen Rächer ab, aber da er deutlich weniger Text hat als Waltz, muss er die meiste Zeit hinter ihm zurückstecken. Ganz ausgezeichnet ist mal wieder Leonardo DiCaprio, der überzeugend den oberflächlich verbindlichen, tatsächlich jedoch sadistischen und gefühllosen Sklavenhalter verkörpert.

Der Film ist mit 165 Minuten sehr lang geraten, zum einen, da er gleich zwei Stories erzählen will, zum anderen wegen einiger sehr ausführlicher Szenen im zweiten Teil. Dennoch ist er in meinen Augen besser als "Inglourious Basterds", mit dem ihn einiges verbindet: Die Atmosphäre ist stimmiger, und der Rhythmus ist präziser. Und mehr noch als in IB setzt Tarantino seine filmischen Mittel ein, um die Brutalität und Ungerechtigkeit eines menschenverachtenden Systems anzuprangern. "Django Unchained" ist ein Pamphlet gegen die Sklavenhaltung in Gestalt eines Westerns. Tarantino nutzt die Bilder und Klischees des Genres, zitiert in zahlreichen Einstellungen Sergio Leone und seine wortkargen Helden, um die Sklaverei über den Haufen zu schießen wie eine Bande bezahlter Revolverhelden.

"Django Unchained" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Sonntag 20 Januar 2013 um 19:55 von Roland Freist

Bearbeitet: Samstag 26 Januar 2013 10:56

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