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Filmkritk: "Crazy Heart"

Country und Whisky

"This year’s 'The Wrestler'", sagte ein amerikanischer Filmkritiker über "Crazy Heart". Und das stimmt auch. Beide Filme zeigen einen abgewrackten ehemaligen Star, im Fall von "Crazy Heart" den Country-Sänger "Bad" Blake, der, alt und grau geworden, in kleinen Bars und Bowling-Hallen im Süden der USA auftritt. Seit Jahren hat er keinen Song mehr geschrieben, obwohl ihn seine selbstkomponierten Sachen einst groß gemacht hatten. Heute hat er einen Schmerbauch, ist Alkoholiker und raucht Kette. Die einzige Person, zu der er regelmäßig Kontakt hat, ist sein Agent (James Keane), mit dem er wütende und frustrierte Telefongespräche führt.

Jeff Bridges spielt diesen Bad Blake einfach großartig. Das ist keine Karikatur, die man da auf der Leinwand sieht, sondern ein echter Mensch, der voller Zynismus mitansieht, wie er immer weiter absinkt, und sich dennoch einen Rest Stolz bewahrt. Selten auch ist Alkoholismus so präzise dargestellt worden, nicht als comedytaugliches Torkeln und Lallen, sondern als eine Abfolge mehr oder minder großer Ausfälle, die dem Betroffenen irgendwann zur Gewohnheit werden. Völlig zu Recht hat Bridges für diese Darstellung den Oscar als bester Hauptdarsteller bekommen.

Bei einem Konzerttermin in Santa Fe wird Blake von einer Lokaljournalistin um ein Interview gebeten. Sie heißt Jean Craddock und wird gespielt von Maggie Gyllenhaal, die hier ebenfalls so gut und auch so sexy ist, wie noch in keinem ihrer Filme zuvor. Sie und Bad Blake beginnen eine Beziehung, da sie zusätzlich noch einen Sohn hat, wird daraus sogar eine kleine Familie. Dabei ist ihr von Anfang an klar, auf was sie sich mit Bad Blake eingelassen hat.

Neben seinem Manager ist die einzige Person, die sich sonst noch ab und zu um Blake kümmert, der junge, erfolgreiche Country-Sänger Tommy Sweet (Colin Farrell), mit dem er früher auf Tour gegangen ist, und der ihn jetzt als Vorgruppe für ein großes Konzert bucht. Ansonsten gibt es da nur noch den Barkeeper Wayne (Robert Duvall), der um die Alkoholsucht seines alten Freundes weiß und illusionslos damit umgeht.

Es sind einfach die kleinen Details, die an diesem Film stimmen: Blake, der immer mit offener Hose Auto fährt, weil sonst der Gürtel den Bauch zu sehr einquetschen würde. Der Würgeanfall während eines Konzerts, nachdem er sich den ganzen Tag mal wieder nur von Whisky und Zigaretten ernährt hatte. Oder auch die Dialoge zwischen Gyllenhaal und Bridges, die intelligent und klischeefrei sind. Auch die Konzertausschnitte sind gelungen: Jeff Bridges und Colin Farrell singen selbst, was sich vor allem bei Bridges gar nicht mal schlecht anhört. Für den Song "The Weary Kind", dessen Text auch der Filmtitel entnommen ist, gab es dann sogar noch einen zweiten Oscar für die beste Filmmusik.

Die Story mag sich sehr depressiv anhören, aber das ist der Film nicht. Denn im Unterschied zu Mickey Rourkes Wrestler hat Bad Blake immer noch genug Kraft, um seiner Geschichte eine andere Richtung zu geben.

"Crazy Heart" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

"The Weary Kind", gesungen von Ryan Bingham

Geschrieben am Mittwoch 10 März 2010 um 16:22 von Roland Freist

Bearbeitet: Freitag 29 November 2013 17:18

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