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Archiv vom Juli 2017

Filmkritik: "Valerian – Die Stadt der tausend Planeten"

Geschrieben am Montag 24 Juli 2017 um 22:58 von Roland Freist

Der Film der tausend Planeten

Während die beiden Comic-Giganten Marvel und DC Comics seit Jahren einen Blockbuster nach dem anderen raushauen, war es um die europäischen Comics bislang verhältnismäßig still geblieben. Es mangelt vor allem an Realfilmen. Gut, es gab die Asterix-Verfilmungen mit Gérard Depardieu als Obelix, die man aber insgesamt eher als missglückt betrachten muss. Es gab den Tim-und-Struppi-Film von Spielberg, dem jedoch das Herz fehlte. Nun hat sich Luc Besson mit "Valerian – Die Stadt der tausend Planeten" darangemacht, mit großem Budget und hohem Aufwand einen der zahlreichen Action-Comics aus dem französischen Sprachraum zu verfilmen. Dort erschienen die Science-Fiction-Stories um die beiden Agenten Valerian und Laureline ab 1967 in der Zeitschrift Pilote. Ab 1973 wurde die Serie für den deutschen Markt durch das legendäre Zack-Magazin übernommen und aus ungeklärten Gründen in "Valerian und Veronique" umbenannt.

Der Film beginnt mit der Geschichte der Stadt der tausend Planeten. Ihr Herz bildet die ISS, die im Laufe der Jahrhunderte immer weitere Anbauten bekam und neue Besatzungsmitglieder aufnahm, darunter zunehmend Angehörige fremder Zivilisationen, mit denen die Menschheit in Kontakt trat. So wuchs sie zu einer riesigen Kugel heran, die irgendwann für den Erdorbit zu groß wurde und seither wie ein Raumschiff das All durchquert. Als der Film beginnt, leben mehr als 5000 Spezies auf der Station, die zu einer Großstadt namens Alpha herangewachsen ist.

Dort sind Major Valerian (Dane DeHaan) und Sergeant Laureline (Cara Delevingne) vom Raum-Zeit-Service stationiert. Der Film stellt sie vor mit einer schönen, actionreichen Verfolgungsjagd durch einen Basar in einer anderen Dimension, bei der sie ein gürteltierähnliches Alien sicherstellen, das die Fähigkeit besitzt, jeden beliebigen Gegenstand zu vervielfältigen. Es stammt von einem Planeten, der uns bereits in einer Eingangsszene des Films vorgestellt wurde, mit paradiesischer Natur und bevölkert von zartgliedrigen, friedfertigen Wesen, die vermutlich nicht ganz zufällig an die Na’vi, die blauen Hippies aus James Camerons "Avatar" erinnern.

Mit dem Alien im Gepäck reisen Valerian und Laureline zurück nach Alpha, wo sie den Oberkommandierenden Arun Filitt (Clive Owen) beschützen sollen, der jedoch trotzdem von geheimnisvollen Angreifern entführt und in einen entlegenen, angeblich radioaktiv verseuchten Bereich tief im Bauch von Alpha gebracht wird.

Spätestens ab diesem Punkt weiß man als Zuschauer, wie sich die Handlung voraussichtlich weiterentwickeln wird. Und tatsächlich hält die Story von "Valerian" im weiteren Verlauf keine großen Überraschungen bereit. Wesentlich interessanter sind denn auch die CGI-Effekte des Films. Besson hatte im Vorfeld erzählt, er habe den Comic – den Lieblingscomic seiner Jugend – schon seit Jahren verfilmen wollen. Doch erst jetzt sei die erforderliche Technik verfügbar. Und die nutzt er weidlich aus. Mit einer unglaublichen Liebe zum Detail beschreibt er etwa die Tausenden von Handelsständen im großen Basar und anschließend das Innere von Alpha, wo Wasserwesen neben kleinen Computer-Konstrukteuren mit flinken Händen und großen, ungeschlachten Höhlenbewohnern leben. Die Phantasie, die hinter all diesen Wesen und Welten steckt, die Faszination, die von den verschiedenen Körpern, Farben, Bewegungsarten ausgeht, ist das wichtigste Argument, das für diesen Film spricht.

Denn leider hat er auch etliche Schwächen. Neben der einfallslosen Story sind das vor allem die beiden Hauptfiguren, von denen man einfach zu wenig erfährt. Dane DeHaan ist ein gutaussehender Kerl und mag auch ein passabler Darsteller sein, doch hier wirkt er einfach nur glatt. Cara Delevingne dagegen, die Frau mit den eindrucksvollen Augenbrauen, in Deutschland vor allem durch die Zalando-Werbung bekannt, ist zwar keine sonderlich gute Schauspielerin – ihre Bewegungen wirken teilweise zu angestrengt und gekünstelt –, doch sie hat sich ganz offensichtlich Gedanken über ihre Figur gemacht, wie sie in einer bestimmten Situation reagieren, was sie tun würde. Ihre Laureline wirkt daher wesentlich lebendiger und zugänglicher als Valerian.

Neben diesen beiden treten noch eine Reihe weiterer bekannter Namen auf. So spielt Jazzmusiker Herbie Hancock den Verteidigungsminister von Alpha, Ethan Hawke gibt einen Zuhälter und Popstar Rihanna mimt eine Gestaltwandlerin, die sich als Schauspielerin versucht, was eine ganz eigene Ironie ergibt.

"Valerian" nimmt viele Anleihen bei "Avatar" und Bessons eigenem Film "Das fünfte Element". Technisch ist er brillant und daher einen Kinobesuch wert, doch das allein reicht für einen guten Film leider nicht aus.

"Valerian" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Montag 24 Juli 2017 23:44

Filmkritik: "Wonder Woman"

Geschrieben am Montag 03 Juli 2017 um 22:28 von Roland Freist

Wie Ludendorff wirklich starb

Neben den beiden großen Heroen des DC-Comic-Universums, Superman und Batman, war Wonder Woman eigentlich immer nur eine Nebenrolle. In den USA erreichte die Figur vor allem durch eine Fernsehserie in den 70er Jahren eine größere Bekanntheit, in Deutschland lief die Serie in den 90er Jahren bei RTL. Darüber hinaus soll Wonder Woman bereits in der letzten DC-Comicverfilmung "Batman vs. Superman" aufgetaucht sein, die ich leider nicht gesehen habe. Doch das ist auch nicht notwendig, um diesen neuen Film verstehen zu können.

Die Geschichte ähnelt ein wenig der von Superman. Allerdings wächst Wonder Woman, mit bürgerlichem Namen Diana, nicht auf Krypton auf, sondern auf der Insel Themyscira, die aussieht, als sei sie irgendwo in der Ägäis gelegen. Dort leben die Amazonen, ein Stamm von unsterblichen, kriegerischen Frauen. Diana ist die Tochter von Königin Hyppolita (Connie Nielsen) und dem Gott Zeus und damit eine Halbgöttin mit übermenschlichen Kräften. Gespielt wird sie wie schon in "Batman vs. Superman" von der israelischen Schauspielerin Gal Gadot, die in ihren zwei Jahren bei der Armee als Sporttrainerin gearbeitet hat, was man ihr auch durchaus ansieht.

Eines Tages stürzt nahe der Insel ein einmotoriges Flugzeug ins Meer, gesteuert von dem britischen Geheimagenten Steve Trevor (Chris Pine). Er wird verfolgt von einem deutschen Kriegsschiff und wir erfahren, dass wir uns nun in den Jahren des ersten Weltkriegs befinden. In einer kraftvollen und hervorragend inszenierten Schlachtszene am Strand von Themyscira besiegen die nur mit Pfeil und Bogen bewaffneten Amazonen die deutschen Soldaten. Regisseurin Patty Jenkins übernimmt an dieser Stelle den Bilderstil von Zack Snyders martialischem Sparta-Epos "300" – kein Wunder, denn Snyder taucht in den Credits sowohl bei den Drehbuchautoren wie auch in der Liste der Produzenten auf.

Trevor überredet Diana, ihm nach Europa zu folgen. Sie hofft, dort den Kriegsgott Ares stellen zu können, der nach der Überlieferung verantwortlich für die Kriege der Menschen ist. Von London aus starten sie mit drei Freelance-Soldaten zu den Schlachtfeldern des ersten Weltkriegs in Belgien. Dort arbeitet die Chemikerin Dr. Maru (Elena Anaya) im Auftrag von General Ludendorff (Danny Huston) an einer neuen Form von Senfgas, die auch Gasmasken durchdringen kann. Ludendorff hofft, den Krieg auf diese Weise noch gewinnen zu können, während sich die Politiker in Berlin bereits auf einen Waffenstillstand vorbereiten. Diana hält zunächst ihn für die Verkörperung von Ares, muss dann allerdings erkennen, dass ihr der wahre Endkampf erst noch bevorsteht.

"Wonder Woman" ist in mehrerer Hinsicht ein bemerkenswerter Film. Nicht nur, weil er emotional starke Kampfszenen liefert wie die bereits erwähnte Strandszene oder den Vormarsch von Diana gegen die Schützengräben der deutschen Truppen. Er bezieht auch eindeutig Stellung gegen den Krieg, zeigt die Wirkung und die Folgen von Giftgasangriffen, ermordete Zivilpersonen und zerstörte Dörfer. Diana, die mit der einigermaßen romantischen Vorstellung vom Krieg als einem Duell zwischen ihr und Ares aufwuchs, wird schnell eines Schlechteren belehrt und beginnt, sich für die Schicksale der Betroffenen zu interessieren und daraus ihre Motivation zu schöpfen. Seine schwächsten Momente hat der Film am Schluss, als es zum unvermeidlichen Kampf der Titanen kommt. Die ganze intelligente Inszenierung und die Subtilität, welche die ersten anderthalb Stunden auszeichneten, werden dann für einen eher drögen Blitzkrieg (im wörtlichen Sinne) aufgegeben.

Immerhin entwickelt die Geschichte zwischendrin noch einigen an Humor. So spielt Regisseuring Jenkins etwa nach der Ankunft von Trevor und Diana in London genüsslich mit den Konflikten, die sich aus dem Aufeinandertreffen von Amazonen- und realer Welt ergeben und verteilt nebenher noch einige Seitenhiebe auf die Männerbünde in Politik und Gesellschaft der damaligen Zeit.

"Wonder Woman" ist einer der besten Superhelden-Filme im klassischen Stil des ersten "Superman" oder auch der "Avengers". Hier geht es nicht um Moral, Depressionen und Selbstzweifel, sondern um den Kampf von Gut gegen Böse, wobei das absolut Böse der Krieg selbst ist. Wie gesagt, ein guter Film.

"Wonder Woman" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Mittwoch 02 August 2017 11:38

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