« Erste Bilder von "Better Call Saul" | Zurück zur Startseite dieses Blogs | Lego Ghostbusters Movie »

Filmkritik: "Lucy"

Lucy in the Sky with Diamonds

In den 70er und 80er Jahren stieß man in vielen Zeitschriften auf Anzeigen, die behaupteten, der Mensch nutze nur zehn Prozent seines Gehirns. Um das eigene geistige Potenzial besser auszuschöpfen, sollte man ein Buch bestellen, dessen Tipps und Anleitungen nicht nur den Intelligenz-Quotienten nach oben treiben würden, sondern quasi als angenehmen Nebeneffekt auch mehr Erfolg in Beruf und Privatleben bringen würden. Die Anzeigen stammten von der Scientology-Sekte, die damals noch weitgehend unbekannt war.

Die Aussage von dem nur zehnprozentigen Nutzungsgrad beziehungsweise dem zu 90 Prozent ungenutzten Potenzial des menschlichen Gehirns ist übrigens falsch. Wir mir mehrere von Google gelieferte Quellen übereinstimmend versichern, nutzt der Mensch immer sein gesamtes Gehirn, nur eben je nach Aufgabe (Lesen, Laufen, Rechnen, Gegenstände oder Gesichter erkennen …) unterschiedliche Regionen in unterschiedlicher Intensität.

Aber die These besitzt natürlich einen hohen Aufmerksamkeitsfaktor. Das hat auch Luc Besson erkannt und sie zum Ausgangspunkt seines neuen Films gemacht, bei dem es sich tatsächlich um eine Art Gedankenspiel handelt: Was würde geschehen, wenn jemand in der Lage wäre, auf die vollen 100 Prozent zuzugreifen? Wozu wäre er dann fähig?

Durchexerziert wird dieses Gedankenexperiment am Beispiel einer jungen Frau namens Lucy (Scarlett Johansson). Ihr Ex-Freund überredet sie mit mehr oder weniger sanfter Gewalt, für ihn einen Koffer in ein Gebäude in Taipeh zu bringen und an einen Mr. Jang (Min-sik Choi) zu übergeben. Wie nicht anders zu erwarten, ist dieser Mr. Jang ein Gangster. Der Koffer enthält die erste Lieferung einer neuen synthetischen Droge, die in ihrer natürlichen Form das Wachstum menschlicher Embryonen anregt. Da Lucy schon einmal da ist, zwingen Jang und seine Männer sie und noch drei andere Kandidaten, jeweils ein Drogenpäckchen eingelagert in ihrem Bauch nach Europa zu schmuggeln. Doch aufgrund der rüden Behandlung durch einen von Jangs Schlägern platzt Lucys Portion auf und die Droge gerät in ihren Blutkreislauf. Und plötzlich beginnen die Werte auf der Prozentskala ihrer Hirnnutzung steil nach oben zu gehen.

Die Erzählung dieser Geschichte wird immer wieder durch Schnitte hin zu einer Rede von Professor Norman (Morgan Freeman) an einer Pariser Universität unterbrochen, in der er die Entwicklung des Lebens aus den ersten organischen Zellen schildert und darüber spekuliert, was ein vollständig aktiviertes Gehirn alles leisten könnte. Seine Hypothesen werden anhand von rasant geschnittenen Trickfilm- und Dokumentarszenen erläutert, was die ansonsten sehr lineare Handlung deutlich auflockert. Zum Schluss kann Norman dann wirklich noch einen Eindruck davon gewinnen, zu was ein menschliches Gehirn alles in der Lage ist, denn Lucy kommt zu ihm nach Paris. Dicht auf der Spur sind ihr die Gangster, die ihre Droge wieder zurückhaben wollen.

Die Story von "Lucy" ist komplett hanebüchen, pseudowissenschaftlich und gegen Schluss geradezu lächerlich. Man kann an diesem Film dennoch anderthalb Stunden lang Spaß haben, muss dazu aber in der Lage sein, sämtliche Logik zu unterdrücken und den Quatsch mit den zehn Prozent einfach mal so zu akzeptieren. Wenn einem das gelingt, stellt sich sogar eine gewisse Spannung ein, da man schließlich wissen will, zu was ein hundertprozentig ausgelastetes Gehirn in der Lage ist. Außerdem muss man Luc Besson eines lassen: Seine Filme sehen einfach verdammt gut aus. In "Léon – Der Profi" gelang es ihm, ein New Yorker Apartmenthaus so wirken zu lassen als stünde es in Paris, in "Das fünfte Element" wurde eine völlig unglaubwürdige Story aufgefangen durch die surrealistische Schönheit der Figuren und ihrer Kleidung. Dazu kommen ein äußerst alberner Humor – man denke nur die geistig stark eingeschränkten Aliens in "Das fünfte Element" – sowie ein Gespür dafür, wie man Actionszenen richtig in Szene setzt. So gibt es in "Lucy" eine zwar völlig überflüssige, aber zumindest schön anzuschauende, rasante Jagd durch den Pariser Verkehr.

Dies ist kein Film, an den man sich am Ende des Jahres noch erinnern wird. Es ist reines Popcorn-Kino, das behauptet, einen wissenschaftlichen Anspruch zu haben, der sich jedoch bei näherer Betrachtung als hohl herausstellt. Das ist ärgerlich, zumal ähnlich gelagerte Titel wie "Der Rasenmähermann" ohne einen angeblichen wissenschaftlichen Überbau auskommen. Lediglich die professionell gestalteten Action-Szenen, die perfekt gesetzten Schnitte und die schönen Bilder lassen einen zum Schluss in halbwegs versöhnlicher Stimmung aus dem Kino gehen. Insgesamt muss man jedoch feststellen, dass die Macher noch nicht einmal zehn Prozent ihres Gehirns genutzt haben.

"Lucy" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 15 August 2014 um 22:28 von Roland Freist

Bearbeitet: Freitag 15 August 2014 23:06

*
blog comments powered by Disqus

« Erste Bilder von "Better Call Saul" | Zurück nach oben | Lego Ghostbusters Movie »

Impressum/Kontakt