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Filmkritik: "Grand Budapest Hotel"

Irgendwo in Osteuropa

Noch nie gab es bei einem Wes-Anderson-Film so viel zu lachen. Auch in der Vergangenheit waren seine Werke schon komisch, aber mehr in dem Sinne, dass man mit einem breiten Grinsen im Kino saß und sich über die skurrilen Figuren und ihre Dialoge, die bizarre Handlung und die ständige, feine Gratwanderung zwischen Witz und Pathos freute. In "Grand Budapest Hotel" dagegen hat der Regisseur viel Slapstick eingebaut und geht zudem bei der Handlung ein vergleichsweise hohes Tempo. Und das funktioniert erstaunlicherweise prächtig.

Die Geschichte beginnt Mitte der 80er Jahre in einem alten, ehemals luxuriösen Hotel in einem osteuropäischen Land namens Zubrowka. Nebenbei bemerkt: Selten zuvor wurde der typisch sozialistische Mix aus grellbuntem, billigem Plastik-Interieur und schöner, alter Kurhotel-Architektur so perfekt getroffen. Unter den wenigen Gästen befindet sich ein Schriftsteller (Jude Law), der mit einem der anderen Gäste (F. Murray Abraham) ins Gespräch kommt, einem Mann, den ihm der Concierge als Besitzer des Hotels gezeigt hatte, der jedoch immer nur ein kleines Einzelzimmer ohne fließendes Wasser bucht.

Bei einem gemeinsamen Abendessen erzählt ihm der Hotelbesitzer, sein Name ist Zéro Moustafa, seine Geschichte. Er fing in den 30er Jahren als Lobby Boy im Hotel an, das damals eine der feinsten Adressen Europas war. Schon bald nahm ihn der Concierge unter seine Fittiche. M. Gustave (Ralph Fiennes) war eine Berühmtheit in seinem Beruf, nicht zuletzt deswegen, weil er reihenweise blonde, ältere Frauen verführte, die im Hotel zu Gast waren. Eine davon (Tilda Swinton) hatte es ihm besonders angetan. Als sie starb, machte er sich zusammen mit Zéro auf den Weg zur Trauerfeier und erfuhr bei der Testamentseröffnung, dass sie ihm ein wertvolles Gemälde vermacht hatte. Damit jedoch zog er den Neid ihrer Verwandtschaft auf sich. In der Folge entwickelte sich eine verwickelte Kriminalgeschichte, in deren Verlauf mehrere Menschen ermordet wurden, Gustave zeitweise ins Gefängnis musste, dort jedoch wieder fliehen konnte und schließlich nach einer wilden Verfolgungsjagd mit Skiern und Schlitten gemeinsam mit Zéro den Mörder schließlich zur Strecke brachte.

Wes Anderson inszeniert diese Geschehnisse mit viel schwarzem Humor und dem für ihn typischen Sinn für die kleinen Details. Auch sonst sind alle seine bevorzugten Stilmittel wieder da, die leuchtenden Farbflächen, die zentrierten Blickwinkel auf Gebäude, Türen, Wege, die seitwärts gleitenden Kamerabewegungen. Es ist ein typischer Anderson-Film, und doch ganz anders als seine Vorgänger, mit viel mehr Dynamik und einem weitgehenden Verzicht auf ruhige, meditative Momente. Die kindliche Freude an den kleinen, nebenbei erzählten Anekdoten, die die früheren Titel auszeichnete, wird zurückgedrängt durch eine spürbare Begeisterung beim Erzählen einer mit absurden Ereignissen vollgepfropften Geschichte. Man könnte das bedauern, wenn denn dieser neue Film nicht so toll wäre.

Zu der hohen Qualität trägt auch das erstklassige Schauspieler-Ensemble bei, das sich hier versammelt hat. Neben den bereits Genannten treten auch noch Mathieu Amalric ("Ein Quantum Trost"), Adrien Brody, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Harvey Keitel, Edward Norton, Tom Wilkinson, Owen Wilson, Saoirse Ronan ("Wer ist Hanna?"), Jason Schwartzman und natürlich Andersons Stamm-Schauspieler Bill Murray auf. Kaum jemand von ihnen ist jedoch länger als ein paar Minuten zu sehen. Die beiden Hauptdarsteller jedoch, Ralph Fiennes und Tony Revolori, der den jungen Zéro spielt, tragen mit ihrer reduzierten Gestik stark zur Wirkung des Films bei.

Wes Anderson war bislang ein Nischen-Regisseur, der kleine, feine Filme für Kenner und Fans machte. Doch jetzt spielt er jetzt in der Oberliga mit. Ich bin mir noch nicht sicher, ob mir das wirklich gefällt – ich habe verschrobene Werke wie "Die Tiefseetaucher" oder "Moonrise Kingdom" sehr gemocht. Zwar hat auch "Grand Budapest Hotel" kein Blockbuster-Budget, doch Stil und Machart zeigen das Maß an Selbstbewusstsein, das einen Regisseur auch für große Hollywood-Produktionen interessant macht. Es ist jedoch zu hoffen, dass Anderson eigensinnig genug ist, um den Verlockungen der großen Studios zu widerstehen.

"Grand Budapest Hotel" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Donnerstag 06 März 2014 um 22:09 von Roland Freist

Bearbeitet: Donnerstag 06 März 2014 22:43

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