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Filmkritik: "Ender's Game – Das große Spiel"

Tod den Ameisen!

Kinder und Jugendliche sind potenziell bessere Autofahrer als die meisten Erwachsenen. Sie reagieren erheblich schneller, sind aufnahmefähiger und können komplexe Situationen in kürzerer Zeit erfassen. Dennoch dürfen sie noch nicht den Führerschein machen, und das aus gutem Grund. Ihnen fehlt das nötige Verantwortungsbewusstsein, sie haben noch nicht verinnerlicht, dass sie durch leichtsinniges Verhalten andere Menschen in Gefahr bringen und sogar töten können, und ihnen ist noch nicht klar, was das bedeutet.

In "Ender’s Game" setzt sich das Militär über solche Skrupel hinweg. Der Film spielt einige Jahrzehnte in der Zukunft. 50 Jahre zuvor haben die Formics, ameisenähliche Aliens, die Erde angegriffen und beinahe erobert. Nur dem legendenumwobenen Einsatz des Flottenkommandeurs Mazer Rackham (Ben Kingsley) war es zu verdanken, dass die Menschen überlebten – in einem immer wieder gezeigten, kurzen Filmausschnitt sieht man ihn wie einst Russell Casse in "Independence Day" heldenhaft in das gegnerische Mutterschiff aufsteigen, das anschließend von einer gigantischen Explosion zerstört wird. Seither sucht das Militär in Gestalt von Colonel Hyram Graff (Harrison Ford) nach einem Nachfolger für Rackham und konzentriert sich dabei eben auf Kinder und Jugendliche.

Schließlich scheint der Richtige gefunden zu sein. Ein Hänfling mit dem seltsamen Namen Ender Wiggin (Asa Butterfield, "Hugo Cabret") zeigt bei den Auswahltests eine außergewöhnliche strategische Begabung. Nach seiner Aufnahme in die Militärakademie besteht er denn auch eine Prüfung nach der anderen und lässt die übrigen Schüler hinter sich. Zunächst in einer Schule in den Rocky Mountains, später auf einer Raumstation über der Erde setzt er sich Mal um Mal gegen ältere und stärkere Mitschüler durch. Zu Hilfe kommen ihm dabei seine Fähigkeit, sich in sie hineinversetzen zu können sowie seine eiskalte Entschlossenheit, wenn er einen Weg gefunden hat, um einen Kampf für sich zu entscheiden. Colonel Graff ist begeistert und schlägt die Warnungen seiner Assistentin Major Gwen Anderson (Viola Davis), dass Ender durch die Ausbildung dauerhaft Schaden nehmen könnte, in den Wind.

Schließlich wird Ender auf eine Raumstation in der Nähe des Heimatplaneten der Formics versetzt, wo er mit seinem Team in Kampfsimulationen wochenlang auf den Krieg gegen die Aliens vorbereitet wird. Doch beim letzten Test kommt es zur Katastrophe.

Der Film ist, das muss man leider so sagen, über weite Strecken langweilig. Zwar ist Ender Wiggin eine Figur, mit der sich vermutlich viele gehänselte und getretene Jungen in seinem Alter identifizieren können. Doch sein Aufstieg in der Hierarchie, so befriedigend er für auf Rache sinnende Jugendliche auch sein mag, folgt immer dem gleichen Muster: Ender kommt in eine neue Gruppe, ist dort der jüngste, kleinste und schwächste, steigt dann dank seines strategischen Geschicks und der ständigen Ermunterungen durch Colonel Graff auf zu ihrem Anführer und wechselt aufs nächste Level, wo er zunächst wieder der jüngste, kleinste und schwächste ist. Es gibt keine Rückschläge, kein Hinterfragen dieser Entwicklung. Nur einmal, nachdem er einen Fiesling aus Versehen fast getötet hätte, nimmt er eine Auszeit. Doch ein Bootsausflug mit seiner Schwester (Abigail Breslin, "Little Miss Sunshine") bringt ihn schnell wieder zur Vernunft. Erst zum Schluss, in den letzten zehn bis fünfzehn Minuten, kippt die Tonart des Films.

Die Romanvorlage zu "Ender’s Game", auf Deutsch "Das große Spiel", von Orson Scott Card gilt als ein Kultbuch und wurde mehrfach ausgezeichnet. Ich habe das Buch nicht gelesen, erfahre jedoch aus der Wikipedia, dass das Hauptmotiv dort die ständige Manipulation von Ender durch das Militär ist. Diese Manipulationen schildert auch der Film, ohne sie jedoch überzeugend als Ursache für Enders Aufstieg und Verhalten darstellen zu können. Auf der Leinwand sieht es so aus, als seien dafür in erster Linie die Anlagen des Jungen verantwortlich, die von den Militärs lediglich ausgenutzt werden.

Der Film war mit einem Budget von 40 Millionen Dollar für Hollywood-Verhältnisse verhältnismäßig günstig. Die Special Effects sind daher größtenteils nur Durchschnitt. Am besten gelungen sind die Kampfübungen auf der Raumstation, in einer großen, gläsernen Kugel, in der die Teams schwerelos schwebend in wechselnden Formationen aufeinander treffen. Jedoch zeichnen sich weder die Aliens noch die Raumschiffe durch sonderliche Originalität aus. Regisseur Gavin Hood ("X-Men Origins: Wolverine") hat ausgezeichnete Schauspieler um sich versammelt, die vermutlich allesamt auf ein höheres Honorar verzichtet haben, um hier mitspielen zu können. Doch mit Ausnahme von Asa Butterfield, der die ganze Zeit aussieht wie Elijah Wood als Hobbit, und seiner von Hailee Steinfeld ("True Grit") gespielten Freundin Petra bleiben sie allesamt blass in ihren Rollen.

Man hätte aus "Ender’s Game" vermutlich mehr machen können. Mit ein paar Kürzungen bei der Handlung und einigen besser ausgearbeiteten Szenen wäre schon viel gewonnen gewesen. So wirkt der Film zuweilen wie arg unter Zeitdruck und oberflächlich, was ihn, wie gesagt, über weite Strecken langweilig macht.

"Ender's Game" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 25 Oktober 2013 um 22:43 von Roland Freist

Bearbeitet: Montag 28 Oktober 2013 10:45

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