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Filmkritik: "The Congress"

Alles so schön bunt hier

Ist das Kino eine Droge oder gar ein Halluzinogen? Produziert Hollywood eine Scheinrealität, so dass die Menschen die triste Wirklichkeit nicht mehr wahrnehmen? Regisseur Ari Folman scheint das mit "The Congress" vermitteln zu wollen. Doch der Film lässt noch eine Menge anderer Interpretationen zu. Und das ist ein Problem.

Die Hauptfigur wird gespielt von Robin Wright, die sich hier selber verkörpert. Ende der 80er Jahre hatte die echte Robin einen ersten größeren Erfolg als "Brautprinzessin", die meisten Zuschauer werden sie jedoch als die Hippie-Freundin von "Forrest Gump" kennen. Ihre Karriere, die so hoffnungsvoll begonnen hatte, versandete in den folgenden Jahren. Sie war zwar ständig präsent, doch der ganz große Durchbruch gelang ihr nie.

In "The Congress" lebt sie in einem Hangar am Ende der Landebahn eines Provinz-Flughafens. Sie bekommt Besuch von ihrem Agenten Al (Harvey Keitel), der ihr die Aussichtslosigkeit schildert, noch einmal eine große Rolle zu bekommen. Und das hört sie kurz darauf auch von Jeff (Danny Huston), dem Chef des Filmstudios Miramount. Denn sie ist über 40, Rollen für Frauen in diesem Alter sind dünn gesät. Ihre Situation ist noch prekärer, da sie einen Sohn hat, Aaron (Kodi Smit-McPhee), der an einer unheilbaren Krankheit leidet und irgendwann sowohl sein Augenlicht wie auch sein Gehör verlieren wird.

Jeff bietet ihr daher eine letzte Rolle an: Sie soll sich scannen lassen. Ihre Gestik, Mimik und ihre Bewegungen werden digitalisiert und lassen sich anschließend in beliebigen Filmen verwenden, ohne dass die echte Robin Wright einen Auftritt hat. Dafür muss sie allerdings unterschreiben, dass sie nie wieder live oder in einem Film auftreten wird. Sie akzeptiert. Schnitt.

20 Jahre später treffen wir sie wieder auf dem Weg zu einem futurologischen Kongress. Miramount hat eine Droge entwickelt, die den Menschen in eine komplett animierte Umgebung versetzt, und will sie der Öffentlichkeit präsentieren. Sämtliche Teilnehmer an der Veranstaltung müssen die Droge vorab nehmen. An dieser Stelle wechselt "The Congress" von einer realen in eine Cartoon-Welt.

Alles wird nun sehr bunt. Die Figuren sehen aus wie die Looney Tunes, die Zeichentrickfiguren von Warner Brothers, zu denen etwa Bugs Bunny und Daffy Duck gehören. Es gibt Anspielungen zuhauf auf andere Filme wie etwa "Dr. Seltsam", populäre Figuren wie John Wayne, Michael Jackson oder Pablo Picasso tauchen als Comicfiguren auf, alles gerät durcheinander. Robin wird eine Droge injiziert, die sie 70 Jahre lang in einen Kälteschlaf versetzt – doch ist das wirklich real? Als sie wieder aufwacht, erklärt ihr eine Figur namens Dylan Truliner (Jon "Mad Men" Hamm), dass sich die Welt stark verändert und kaum noch etwas mit der Zeit zu tun habe, aus der sie stammt.

"The Congress" basiert in Grundzügen auf dem "Futurologischen Kongress" von Stanislaw Lem, einem Roman, von dem er die Idee von der durch Drogen und Chemikalien vernebelten Realität sowie den Kongress in einem Luxushotel übernimmt. Doch die Verfilmung macht das Kino und Hollywood zu seinem Thema und wählt anstatt des Raumpiloten Tichy eine Schauspielerin zu seiner Hauptfigur. Mit ihrer Digitalisierung weist er auf einen Trend im heutigen Kino hin, die Weiterentwicklung zur reinen Animation hingegen, wo sich Künstler und Publikum in einem grellbunten Comic-Universum begegnen, ist wenig glaubwürdig.

Ari Folman wurde 2008 bekannt durch seinen Film "Waltz with Bashir", in dem es um die Invasion des Libanon durch Israel im Jahr 1982 ging. Das war mit Ausnahme der Schlussszene ein Animationsfilm, bei dem man mit der Zeit verstand, dass der Zeichentrick für den Ich-Erzähler die einzige Möglichkeit ist, sich den eigenen, quälenden Erinnerungen zu stellen. Und auch in "The Congress" dienen die animierten Szenen dazu, eine nicht mehr vorstellbare Wirklichkeit zu beschreiben. Doch hier scheint die Animation über weite Strecken zum Selbstzweck geraten zu sein. Eine rote Linie ist nicht mehr erkennbar, die Halluzinationen nehmen überhand. Erst ganz zum Schluss fängt sich der Film wieder.

Die stärksten Szenen stehen am Anfang, was auch den ausgezeichneten Schauspielern zu verdanken ist. Robin Wright, die weder auf alt noch auf jung geschminkt wurde und einfach nur ihr Alter zeigt, ist ausgezeichnet als ehemals hoch gehandelter Star. Wie sie Harvey Keitel zuhört, der ihr die Leviten liest, wie sie innerlich ihren eigenen Gedanken nachhängt und versucht, Haltung zu bewahren, das ist schon sehr gut gespielt. Sie weiß, dass alles, was er ihr erzählt, richtig ist, und es tut weh.

Hinzu kommt Danny Huston, der immer gut ist für die Rolle des hemdsärmeligen Zynikers, und er macht das auch dieses Mal äußerst überzeugend. Schließlich hat auch noch Paul Giamatti ("Sideways") zwei kleine, feine Auftritte als der mitfühlende, behandelnde Arzt von Robins Sohn.

Die Animationsszenen machen mehr als die Hälfte des Films aus und wurden mit hohem Aufwand über Jahre hinweg produziert. Doch leider funktioniert dieser Teil der Geschichte nicht, was unter anderem vielleicht daran liegt, dass man mit den Looney Tunes keine tiefere Bedeutung assoziiert. Das Tragische, das in der Story ohne Zweifel liegt, löst sich in dieser Bugs-Bunny-Umgebung einfach auf. Hinzu kommt eine seltsame Unentschlossenheit. "The Congress" kann sich nicht entscheiden zwischen der Geschichte einer Schauspielerin, die erkennt, dass ihre besten Zeiten vorbei sind und langsam zu resignieren beginnt, und einer satirischen Abrechnung mit dem Filmgeschäft. Zum Schluss bekommt der Film nochmal die Kurve und besinnt sich auf die stärkere Geschichte von beiden, nämlich auf die von Robin Wright. Doch da ist es schon zu spät.

"The Congress" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Donnerstag 12 September 2013 um 21:35 von Roland Freist

Bearbeitet: Mittwoch 23 Juli 2014 10:40

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