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Filmkritik: "Beasts of the Southern Wild"

Der Film zum Weltuntergang

Die sechsjährige Hushpuppy (Quvenzhané Wallis) und ihr Vater Wink (Dwight Henry) leben in einer Gegend namens The Bathtub, einem weitgehend überfluteten Sumpfgebiet im Süden der USA, das durch einen Damm von der Außenwelt getrennt ist. Genau wie die anderen Familien, die hier ihre Hütten aus Müll, Brettern und Wellblech errichtet haben, sind auch sie bettelarm. Wink fischt Shrimps und Krebse, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, und schlachtet ab und zu ein Huhn. Hushpuppys Mutter ist kurz nach ihrer Geburt verschwunden oder vielleicht auch gestorben – Wink erklärt seiner Tochter, sie sei davongeschwommen. Die allgemeine Armut in der Gegend hat aber auch ihre Vorteile. Jeder kennt jeden, eine staatliche Aufsicht existiert nicht, auch der Schulunterricht für die Kinder wird intern organisiert. Nur für die ärztliche Versorgung müssen die Menschen aufs Festland fahren. Eines Tages ist Wink plötzlich verschwunden. Als er wieder auftaucht, trägt er ein Armband, wie es im Krankenhaus den Patienten gegeben wird, und er benimmt sich seiner Tochter gegenüber unfreundlich und abweisend.

"Beasts of the Southern Wild" wird aus der Sicht von Hushpuppy erzählt, immer wieder wird ihr innerer Monolog eingeblendet. Sie vermisst ihre Mutter, ruft oft nach ihr, und versteht ihren Vater nicht, der zum einen versucht, sie loszuwerden, und gleichzeitig Angst um sie zu haben scheint. Er bringt ihr Tricks und Kniffe bei, mit denen sie ohne seine Hilfe in der Wildnis überleben kann. Sie sieht, dass er viel trinkt, und sie sieht auch, dass er schwer krank ist.

In der Natur gehen zwischenzeitlich Veränderungen vor. Durch die Klimaerwärmung schmilzt das Eis in der Arktis, und Auerochsen, mystische, urtümliche Wesen, die hier aussehen wie überdimensionale Wildschweine mit Hörnern auf der Stirn, erwachen zum Leben und marschieren südwärts. Über der Bathtub geht ein gewaltiges Gewitter nieder, zerstört etliche Hütten und lässt den Wasserspiegel ansteigen. Nur noch eine Handvoll Bewohner bleibt zurück, ist nun aber größtenteils auf schwimmende Behausungen angewiesen. Als Wink und ein paar andere eines Tages eine Lücke in den Damm sprengen, fließt das Wasser zwar ab, doch ihre alte Heimat ist weitgehend zerstört. Die verbliebenen Bewohner werden zwangsweise evakuiert und aufs Festland gebracht. Wink wird operiert, und die Auerochsen kommen immer näher.

Man kann die Ereignisse im Film deuten als das Spiegelbild dessen, was in Hushpuppy vorgeht. Ihre Welt und darin vor allem ihr Vater werden durch dunkle Kräfte von außen bedroht, Kräfte, die sie nicht versteht, und wegen denen sie in ständiger Angst lebt. Oder man stellt sich die gesamte Erde vor wie The Bathtub, mit Menschen, die durch den steigenden Wasserspiegel ihre Heimat verlieren. Und vielleicht ist sogar beides richtig. Seine Wirkung bezieht der Film aber dennoch in erster Linie aus der Geschichte eines kleinen Mädchens, dessen Vater unheilbar krank ist, und der sie deshalb, auch wenn es ihn unendlich schmerzt, so von sich selbst abnabeln will, dass sie gezwungen ist, auf eigenen Füßen zu stehen.

Benh Zeitlin hat mit "Beasts of the Southern Wild" seinen ersten Spielfilm gedreht, praktisch keiner der Schauspieler hatte zuvor schon einmal vor einer Kamera gestanden. Das gilt auch für den Darsteller von Wink, der in diesen Film kam, weil er im realen Leben die Bäckerei gegenüber dem Produktionsstudio führte. Quvenzhané Wallis ist sogar so gut in ihrer Rolle, dass Zeitlin den Film nachträglich ganz auf sie zuschnitt. Von ihrer Darstellung der Hushpuppy sowie der Musik, einem ständig wiederholten, eindringlichen Motiv, bezieht "Beasts of the Southern Wild" seine hypnotische Kraft.

"Beasts of the Southern Wild" hat beim Sundance Festival, dem wichtigsten Treffen der Independent-Filmer, den großen Preis der Jury gewonnen, in Cannes gab’s für Benh Zeitlin die Goldene Kamera. Und das zu recht, denn dies ist einer der besten Filme der Saison.

"Beasts of the Southern Wild" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 21 Dezember 2012 um 16:53 von Roland Freist

Bearbeitet: Montag 14 Januar 2013 17:29

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