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Filmkritik: "Cosmopolis"

Im Stau

Mit dem Auto zum Friseur zu fahren, ist in Manhattan eine der schlechteren Ideen, vor allem, wenn gleichzeitig der Präsident in der Stadt ist und die Maßnahmen zu seinem Schutz wie konzentrische Kreise von seinem Standort aus den Verkehr lahmlegen. Doch trotz der Warnungen seines Bodyguards (Kevin Durand) besteht Eric Packer (Robert Pattinson) darauf, per Stretchlimo zum Haareschneiden kutschiert zu werden, quer durch die Stadt. Packer ist ein junger Multimillionär, wahrscheinlich sogar Milliardär, der sein Geld an der Wallstreet mit Währungsspekulationen gemacht hat. Doch zuletzt lief es nicht gut. Er hat auf einen Absturz des chinesischen Yuan gesetzt, aber wie es aussieht, hat er sich getäuscht. Jeden Tag verliert er Hunderte Millionen Dollar.

Die Limo kommt nur langsam voran, sie schiebt sich durch den Straßenverkehr wie durch eine Waschstraße. Immer wieder nimmt Packer Leute mit, seinen Experten für Computer-Sicherheit (Jay Baruchel), seine Kunstagentin (Juliette Binoche), mit der er im Auto auch Sex hat, oder eine Beraterin aus seiner Firma. Ein paar Mal lässt er auch anhalten und trifft sich mit seiner Frau Elise (Sarah Godon), die mit öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich schneller ist als er.

Die Limo ist eine abgeschlossene Welt, luxuriös ausgestattet, gegen Außengeräusche gedämpft und gepanzert. Durch die Fenster sieht man die Welt im Schneckentempo vorbeiziehen. Innen sitzt Eric Packer wie auf einem Thron und führt pseudophilosophische und über weite Strecken sinnfreie Gespräche mit seinen Besuchern. Er ist kalt und gefühllos, Robert Pattinsons Vampirblässe prädestiniert ihn quasi für diese Rolle.

Zunächst kaum merklich setzen parallel zueinander mehrere Entwicklungen ein: Außerhalb des Wagens lauert eine diffuse Gefahr auf Eric. Während zunächst nur von einer allgemeinen Bedrohung die Rede ist, wird im Laufe der Fahrt immer deutlicher, dass ein Attentäter auf ihn wartet. Gleichzeitig wird die Limo immer stärker beschädigt, vor allem beim Durchfahren eines Demonstrationszugs. Der zunächst glänzend saubere, weiße Wagen, der noch am Morgen perfekten Schutz zu bieten verspricht, ist am Schluss ein Wrack, mit Graffiti besprüht, mit zerbeulten Kotflügeln und klemmender Tür. In einer der letzten Szenen im Auto uriniert Eric auf den Boden. Der ihn umgebende Panzer ist beschädigt worden, zum Schluss muss er ihn verlassen. Und auch mit Eric geht eine Veränderung vor, er wird unsicherer und zeigt Gefühle. Als er schließlich am späten Abend den Friseurladen erreicht, hat der schon längst geschlossen. Doch der Besitzer lässt ihn trotzdem noch herein, und es ist, als würde Eric nach Hause kommen. Und das ist immer noch nicht das Ende der Geschichte.

"Cosmopolis" ist ein langatmiger und, wegen der absurden Dialoge, auch über weite Strecken ein sehr ermüdender Film. Fast alles, was geschieht, scheint ein Bild für etwas zu sein, nichts passiert einfach so. Es gibt einige sehr groteske Dialoge und Szenen, etwa wenn sein Hausarzt zusteigt und seine Prostata abtastet, während Eric sich mit seiner Beraterin unterhält. Hier und genauso bei einer sehr surrealen Szene, in der eine aufgebrachte Menschenmenge den Wagen demoliert und umzukippen versucht, während die Insassen weiter über die Zukunft philosophieren, ohne dem Protest auch nur die geringste Beachtung zu schenken – in diesen Szenen erkennt man die Handschrift von Regisseur David Cronenberg, sein Interesse an sich verwandelnden und deformierten Körpern. Doch letztlich ist das alles zu abgehoben, als dass es einen tatsächlich interessieren würde.

"Cosmopolis" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 06 Juli 2012 um 22:14 von Roland Freist

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