« Meryl Streep ist Margaret Thatcher | Zurück zur Startseite dieses Blogs | A Perfect Day »

Filmkritik: "Barney's Version"

Drei Hochzeiten und ein Todesfall

Barney Panofsky – was für ein Name. Und was für eine Figur: Panofsky ist ein kleiner, dicker, im Alter glatzköpfiger Produzent einer Fernsehserie, die so atemberaubend schlecht ist, dass es an Parodie grenzt. Er interessiert sich eigentlich nur für Eishockey und schottischen Malt Whisky, von dem er bei Anfällen von Schwermut schon mal eine ganze Flasche leert, während er gleichzeitig unablässig Zigarren raucht. Er ist zynisch, oftmals verletzend, hat Schwierigkeiten, sich in Gegenwart anderer zusammenzureißen und hat vielleicht einen Mord begangen. Kein Mann, den die Frauen lieben, sollte man meinen. Trotzdem war er drei Mal verheiratet, und zwei seiner Ehefrauen fielen sogar in die Kategorie Traumfrau.

Barney Panofsky also. Als der Film beginnt, begleiten wir ihn durch seinen Tag. Panofsky ist vielleicht Mitte/Ende 50. Er wacht auf in einer reich ausgestatteten Wohnung, offenbar lebt er allein. Er fährt zum Set seiner Serie, macht zynische Bemerkungen über die Qualität der Schauspieler und das Niveau der Sendung, nach der Arbeit geht er in eine Bar und trinkt Whisky. Ein ehemaliger Kommissar kommt vorbei und bringt ihm das Buch, das er über Panofsky geschrieben hat und in dem er ihn verdächtigt, einen Jugendfreund ermordet zu haben. Der Fall wurde nie aufgeklärt, da dieser Freund, genannt Boogie (Scott Speedman), niemals wieder auftauchte, weder lebend noch als Leiche. Und Panofsky erinnert sich an sein Leben, angefangen von den Hippie-Tagen in den 70er Jahren in Rom bis in die Jetztzeit in Montreal.

In dieser Zeit hatte er drei Mal geheiratet. Das erste Mal war es ein Hippie-Mädchen, mit dem er nur deshalb die Ehe einging, weil sie behauptete, von ihm schwanger zu sein. Seine zweite Ehefrau (Minnie Driver) war die schöne Tochter einer sehr reichen und vornehmen Familie, die ihn verachtete. Noch während der Hochzeit verkuckte er sich in die spätere Ehefrau Nummer Drei, Miriam (Rosamund Pike), seine große Liebe. Und wieder mal war er höllisch betrunken.

"Barney‘s Version" erzählt die Geschichte eines Lebens, das vielleicht nicht immer in geordneten Bahnen verläuft, aber andererseits auch nicht völlig ungewöhnlich ist. Panofsky erlebt Höhen und Tiefen, gute und schlechte Zeiten. Er gehört zu den Menschen, die man gerne auf Partys trifft, weil man mit ihnen trinken und Spaß haben kann, deren tägliche Anwesenheit man aber wohl nicht ertragen würde. Er ist kein besonders guter und kein besonders schlechter Mensch. Lediglich der Fall seines Freundes, der nach einem Streit mit ihm verschwand und nie wieder auftauchte, beunruhigt einen: Denn wenn es Mord war, würde man diesen Barney Panofsky in einem anderen Licht sehen. Doch was tatsächlich geschah, wird erst am Ende aufgelöst.

Regisseur Richard J. Lewis erzählt "Barney‘s Version" mit viel grimmigem Humor, ohne allerdings aus dem Film eine Komödie zu machen. Dass die Geschichte funktioniert, ist zu großen Teilen das Verdienst von Paul Giamatti, der für die Rolle einen Golden Globe als bester Hauptdarsteller bekam. Giamatti ist ein großartiger Schauspieler, der solche eher unscheinbaren Charaktere wie Panofsky perfekt verkörpern kann und dabei auch immer einen Schuss Selbstironie beimischt. Unterstützt wird er von Dustin Hoffman, der mit erkennbar viel Spaß Panofskys Vater spielt, einen ehemaligen Polizisten, der ebenfalls nicht immer ein moralisch einwandfreies Leben geführt hat. Und auch Minnie Driver und vor allem Rosamund Pike spielen ausgezeichnet.

Der Tonfall von "Barney‘s Version" erinnert in einigen Passagen an einen Woody-Allen-Film, vor allem bei der Situationskomik und den Dialogen kommen einem die Großstadt-Geschichten aus New York in den Sinn. Doch der Film zielt in eine ganz andere Richtung. Denn hier geht es nicht um die Intellektuellen und ihre Probleme mit sich und der Welt, sondern um einen ganz gewöhnlichen Durchschnittsmenschen.

"Barney's Version" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 15 Juli 2011 um 22:41 von Roland Freist

Bearbeitet: Freitag 29 Juli 2011 13:55

*
blog comments powered by Disqus

« Meryl Streep ist Margaret Thatcher | Zurück nach oben | A Perfect Day »

Impressum/Kontakt