« 25 Jahre Pixar | Zurück zur Startseite dieses Blogs | Filmkritik: "The Fighter" »

Filmkritk: "Winter's Bone"

Schnee in grauen Wäldern

"Winter’s Bone" erzählt von einem Mädchen, das nach seinem Vater sucht. Aber anders als man es erwarten würde, ist es für sie zweitrangig, ob er lebt oder tot ist. Wichtig ist nur, dass sie ihn überhaupt findet, denn nur so kann die Familie überleben.

Ree Dolly (Jennifer Lawrence) ist 17 Jahr alt und lebt mit ihrer Mutter und ihren beiden jüngeren Geschwistern in den Wäldern der Ozark Mountains im südlichen Teil des mittleren Westens. Ihre Mutter ist depressiv und hat seit Jahren kein Wort mehr gesprochen, ihre Geschwister sind noch klein. Ree trägt die Verantwortung für ihre Familie und bekommt nur ab und zu etwas Unterstützung von den Nachbarn. Eines Tages schaut der Sheriff vorbei und erklärt Ree, dass ihr Vater Jessup gesucht werde. In vier Tagen ist sein Prozess, und er ist auf Bewährung frei. Falls er zum Prozess nicht erscheint, verfällt die gestellte Kaution. Ree erfährt, dass ihr Vater das Haus und das Stück Wald, die der Familie gehören, verpfändet hat, um dem Gefängnis zu entgehen. Taucht er also nicht wieder auf, verlieren sie ihr Zuhause. Ree verspricht, sie werde ihren Vater finden. Sie macht sich auf den Weg und beginnt, Fragen zu stellen.

In den folgenden Szenen lernt man Rees sonstige Familie und die Nachbarn kennen. Sie alle wohnen in ärmlichen Holzhütten im Wald. Rund um die Häuser sieht es aus, als wäre die Sperrmüllsammlung nicht gekommen. Bei manchen rosten ausgeschlachtete Autowracks vor sich hin. Die Menschen sind arm, sie tragen fleckige und löchrige Klamotten, die Männer sehen aus wie Kriminelle. Die meisten sind es wohl auch. Wenn etwas nicht in ihrem Sinne läuft, drohen sie mit Prügeln. Ihre Frauen sind harte, misstrauische Gestalten und stehen ihren Männern in Sachen Gewaltbereitschaft kaum nach. Es riecht nach Inzest und Wahnsinn.

"Winter’s Bone" erzäht eine einfache Geschichte von Verrat und Rache. Wichtiger ist jedoch das Milieu, das der Film schildert. Regisseurin Debra Granik hat das eindrucksvoll in Szene gesetzt, die bedrohliche Ausstrahlung der Hauptfiguren, die Härte und Kälte von Menschen und Landschaft. Die Protagonisten sind Hinterwäldler, in ihrer Gesellschaft hat das Gesetz in Gestalt des Sheriffs keinen großen Einfluss, sie lösen ihre Konflikte lieber untereinander. Mit Fremden reden sie nicht, mit dem Gesetzeshüter erst recht nicht. Die Menschen leben von ihrem Wald, schießen Wild oder Eichhörnchen, und heizen mit dem Holz ihre Häuser. Alle sind – genau wie Rees Vater – mehr oder weniger in die Produktion von Crystal Meth verstrickt, einem Aufputschmittel, das als weißes Pulver wie Kokain geschnupft wird und mit einfachen Mitteln herzustellen ist. Reich oder auch nur wohlhabend hat sie das offensichtlich nicht gemacht. Ansonsten scheint es wenig oder gar keine Arbeit zu geben. In einer Szene will sich Ree aus Verzweiflung für die Army verpflichten. Das Wartezimmer im Rekrutierungsbüro ist voll besetzt.

Gedreht wurde der Film vermutlich im Frühjahr, an einer Stelle sieht man auf einem Waldweg noch ein paar Schneereste, die Bäume haben kein Laub. Das Licht ist fahl und grau, es ist dunkel wie in einem 3D-Film. Die Landschaft wirkt eintönig und abweisend. Nur selten nimmt man bewusst ein paar Farben wahr, etwa bei einer Geburtstagsfeier, als eine Gruppe sich in einem Haus versammelt hat, miteinander Musik macht und warmes, gelbes Licht auf ihre Gesichter fällt.

"Winter’s Bone" zeigt, wie sich Ree in dieser harten und unbarmherzigen Umgebung letztlich durchsetzt. Doch das gelingt ihr nur, weil sie die Regeln ihrer Gesellschaft beachtet. Ändern wird sich hier draußen nichts.

"Winter's Bone" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Donnerstag 31 März 2011 um 21:50 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 16:22

*
blog comments powered by Disqus

« 25 Jahre Pixar | Zurück nach oben | Filmkritik: "The Fighter" »

Impressum/Kontakt