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Filmkritik: "In ihren Augen"

Das Geheimnis in ihren Augen

"In ihren Augen" (spanischer Titel: "El secreto des sus ojos", Das Geheimnis in ihren Augen) ist ein Krimi und eine Liebesgeschichte und ein bisschen auch ein Politthriller. Aber in erster Linie handelt der Film von Argentinien, von der Leidenschaft der Menschen, vom zerfallenen Glanz seiner Bahnhöfe und Stadien und von den französisch inspirierten Prachtbauten in Buenos Aires, von Großgrundbesitzern und kleinen Beamten, von der Begeisterung für den Fußball, aber auch von den Jahren der Militärdiktatur. Er steckt voller Geschichten und Charaktere und zeichnet ein umfassendes Bild des Lebens in den Städten des Landes.

Es beginnt mit einem Mord im Jahre 1974. Ein junges Mädchen ist brutal vergewaltigt und ermordet worden, der Justizermittler Benjamín Esposito (Ricardo Darín) übernimmt den Fall. Schon bald präsentiert man ihm die angeblichen Mörder. Sie wurden von der Polizei zusammengeschlagen, und Esposito glaubt nicht an ihre Schuld. Im Laufe seiner eigenen Ermittlungen stößt er auf den Verlobten des Mädchens. Sein Name ist Ricardo Morales (Pablo Rago), und er hat dieses Mädchen mit einer Leidenschaft geliebt, wie es Esposito noch nie zuvor gesehen hat. Ob er denn dem Mörder den Tod wünsche, fragt der Ermittler. Nein, bekommt er zur Antwort, das geht zu schnell. Der Täter soll den Rest seines Lebens für die Tat büßen. Einige Jahre später findet Esposito den Mörder. Doch während der Militärdiktatur wird er wieder freigelassen und verschwindet. Esposito will weiter ermitteln, wird jedoch mit dem Tode bedroht und muss in die Provinz fliehen. An seiner Stelle wird sein Partner erschossen. Es gibt offenbar einige mächtige und skrupellose Personen, die den Fall abschließen wollen.

Das alles wird in Rückblenden aus dem Jahr 2000 geschildert. Esposito ist mittlerweile pensioniert und will einen Roman über die damaligen Ereignisse schreiben. Er bespricht sich mit Irene Hastings (Soledad Villamil), die 1974 eine kleine Justizangestellte war und sich in den Jahren darauf zur Richterin und seiner Vorgesetzten hochgearbeitet hat. Es wird klar, dass die beiden bereits damals verliebt ineinander waren, eine Liebe, die jedoch nie ausgesprochen wurde. Man sieht es in ihren Augen, wie sie ihn ansieht, dass sie nur darauf wartet, dass er den ersten Schritt tut. Doch er ist nur ein kleiner Beamter, während sie aus einer reichen und mächtigen Familie aus der Provinz stammt, außerdem ist sie bereits verlobt. Im Rückblick erkennt er, dass er nie den Mut hatte, mit ihr zu reden. In den ganzen Jahren hatten sie sich immer nur umkreist, jedoch nie berührt.

Regisseur Juan José Campanella erzählt diese Geschichte spannend, intelligent und mit Witz. Als die Romanze zwischen Esposito und Hastings an einer Stelle zu kitschig zu werden droht, löst er die Situation mit einem wunderbaren Kunstgriff auf und bringt alle Beteiligten wieder auf den Teppich zurück. Dass der Film so gut funktioniert, ist aber auch ein großes Verdienst des Kameramanns Félix Monti, der für diese Geschichte immer wieder interessante und originelle Bilder findet. Auf die spektakuläre Szene im Fußballstadium etwa hatte ich bereits in einem früheren Beitrag hingewiesen.

Die Kriminalstory von "In ihren Augen" jedoch hat einige Schwächen. Die Spuren, die schließlich zum Mörder führen, wirken einige Male arg konstruiert und unlogisch. Schwerer wiegt jedoch, dass die deutsche Synchronisation ein absolutes Ärgernis ist. Ich gehöre wahrlich nicht zu den Ichschaumirfilmeimmernurimoriginalan-Kinogängern, doch in diesem Fall kann ich jedem nur empfehlen, sich den Film, wenn möglich, im spanischen Original mit Untertiteln anzusehen. Denn die deutschen Dialoge sind hölzern und klingen gestelzt, hinzu kommt, dass die Synchronsprecher den Darstellern viel von ihrer Lebendigkeit nehmen. Doch das kann man dem Film nicht zum Vorwurf machen.

"In ihren Augen" hat im Frühjahr den Oscar für den besten fremdsprachigen Film gewonnen und setzte sich unter anderem gegen "Das weiße Band" von Michael Haneke durch. Die Entscheidung hat viele Zuschauer überrascht, da Film und Regisseur außerhalb von Argentinien weitgehend unbekannt waren. Doch wenn man den Film heute sieht, kann man nur zustimmen, dass es eine gute und richtige Entscheidung war.

"In ihren Augen" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Dienstag 02 November 2010 um 11:51 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 16:30

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