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Filmkritik: "The Town"

Vorstadtgangster

Inhaber von Handwerksbetrieben sind oft stolz darauf, ihren Beruf in der x-ten Generation auszuüben. Der Sohn bekommt seine Ausbildung durch den Vater, der wiederum bei seinem Großvater gelernt hat. Alte Traditionen, Tricks, Kniffe und Geheimnisse werden von einer Generation auf die nächste weitergegeben. Zwar unterläuft jeder Beruf im Laufe der Zeit gewissen Änderungen, die die Menschen zwingen, sich in der ein oder anderen Form anzupassen. Doch die Grundregeln bleiben immer gleich.

Ben Affleck zeigt in seinem zweiten Film als Regisseur (der erste war der hochgelobte "Gone Baby Gone") eine Welt, in der eben das geschieht: Ein Handwerk wird von den Vätern auf die Söhne vererbt. Doch es handelt sich nicht um einen der üblichen Ausbildungsberufe, es geht um Bankraub.

Der Titel "The Town" spielt an auf den Schauplatz des Films, das Viertel Charlestown in Boston, wo es angeblich eine besonders hohe Konzentration von berufsmäßigen Bankräubern gibt. Gezeigt wird das Leben einer kleinen Gruppe, die, angeführt von Doug MacRay (gespielt von Ben Affleck selbst), eben diesen Beruf ausübt. Sie gehen dabei mit äußerster Entschlossenheit und Professionalität vor. Gleich am Anfang kann man sie bei einem dieser Überfälle beobachten: Doug und seine Freunde sind maskiert, achten darauf, keine DNS-Spuren zu hinterlassen, zerstören die Festplatten des Überwachungssystems und haben sogar die nicht beeinflussbare Zeitverzögerung beim Öffnen des Tresors in ihren Plan eingebaut. Sie kennen alle Tricks ihres Berufs und bilden sich gleichzeitig weiter – Doug erzählt an einer Stelle, dass er sich regelmäßig "CSI", "CSI: Miami", "CSI: New York" und "Bones" anschaut.

Als Profis achten sie darauf, dass sie niemanden verletzen, geschweige denn töten. Denn so können sie davon ausgehen, dass die Ermittlungen der Polizei bereits nach wenigen Tagen reduziert und sie kaum noch verfolgt werden. War schließlich nur ein Bankraub. Doch dann nimmt James Coughlin (Jeremy Renner, "The Hurt Locker"), ein Mitglied der Gruppe, in einem unüberlegten Moment bei einem Banküberfall eine Frau als Geisel. Zwar wird sie während der Flucht nach wenigen Kilometern unverletzt wieder freigelassen. Doch ein Tabu ist gebrochen, jetzt kümmert sich das FBI um den Fall.

Doug hat der Frau ihren Führerschein abgenommen. So erfährt die Gruppe, dass sie Claire Keesey (Rebecca Hall) heißt und ebenfalls in Charlestown wohnt. Doug will wissen, ob sie ihn auf der Straße erkennen würde, und arrangiert ein zufälliges Treffen in einem Waschsalon. Doch ohne Maske ist er ein Fremder für Claire. Dieser Fremde jedoch gefällt ihr, und die beiden beginnen eine Affäre. Wie man jedoch aus ähnlich gelagerten Filmen wie etwa "Heat" weiß, stehen Liebesbeziehungen der Arbeit von Kriminellen grundsätzlich im Wege. So auch hier. Trotzdem fällt der Schluss des Films anders aus als man es normalerweise erwartet hätte.

"The Town" gibt sich große Mühe, ein Bostoner Milieu und seine Bewohner zu beschreiben. Er wirbt um Verständnis für Menschen, die seit Generationen vom Verbrechen leben. Das gelingt ihm recht gut. Der Zuschauer steht vom ersten bis zum letzten Frame auf Seiten der Gangster, fiebert mit, wenn sie Gefahr laufen, entdeckt zu werden, und ist sogar bei den Schießereien mit der Polizei auf ihrer Seite.

Trotzdem stimmt irgendetwas nicht. Zwar weiß Ben Affleck, was das Publikum von einem Bankräuber-Film erwarten, und das gibt er ihm auch: Gangster, die sich hinter bizarren Karnevalsmasken verstecken, technisch perfekt ausgeführte Raubzüge, wilde Verfolgungsjagden durch verwinkelte Altstadtstraßen, Feuergefechte mit automatischen Waffen, eine romantische Liebesgeschichte … alles da. Doch die einzelnen Teile wollen nicht so recht zusammenpassen. Die Maschinenpistolen wirken in den Händen dieser Vorstadtgangster wie Fremdkörper, Ben Affleck sieht nicht aus wie ein Bankräuber, und der technische und logistische Aufwand bei den Überfällen steht in keinem Verhältnis zu den erbeuteten Geldsummen. Der Film ist insgesamt nicht schlecht, aber es fehlt der glättende Schliff, der alles zusammengefügt hätte.

"The Town" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Donnerstag 23 September 2010 um 15:26 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 16:31

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