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Filmkritk: "Alice im Wunderland"

Alice wird erwachsen

Respektlos. Das ist das Attribut, das auf diesen Film am besten zutrifft. Denn angenehm respektlos ist "Alice im Wunderland" gleich auf zwei Ebenen: Zum einen natürlich in Gestalt der Titelfigur, gespielt von der Australierin Mia Wasikowska, die, anstatt erwachsene Gespräche über Ehe und Benimm zu führen, sich lieber in skurrilen Tagträumen verliert. Dazu passt dann gut, dass auch Regisseur Tim Burton recht respektlos ist, und zwar der literarischen Vorlage gegenüber. Auf Basis des Drehbuchs von Linda Woolverton ("Der König der Löwen") wirft er einfach "Alice im Wunderland" und "Alice hinter den Spiegeln" zusammen, lässt wichtige Details daraus weitgehend unter den Tisch fallen (den Bezug auf die Zeit etwa) und macht aus dem Nesthäkchen Alice einen 19jährigen Teenager. Leider geht er zum Schluss etwas zu weit und ergänzt die Geschichte um eine Action-Sequenz, die wie ein Fremdkörper wirkt, zumal sie in einigen Szenen "Der Herr der Ringe" zitiert.

Trotzdem ist Tim Burton genau der richtige Regisseur. Denn obwohl er eigentlich auf kleinere Filme spezialisiert ist, die gern auch mal ins Märchenhafte abgleiten dürfen ("Edgar mit den Scherenhänden", "Charlie und die Schokoladenfabrik" oder "Corpse Bride"), weiß er auch mit einem größeren Budget umzugehen, siehe etwa seine düstere Vision von Gotham City in den ersten beiden "Batman"-Filmen. Gerüchten zufolge hat Disney ihm für "Alice im Wunderland" 250 Millionen Dollar in die Hand gedrückt. Und wenn man sich die verrückten, farbenprächtigen Kostüme des Hutmachers oder der roten Soldaten anschaut, oder auch die Ausstattung, darunter insbesondere das Schloss der Roten Königin, diesen Traum in Purpur, Grau und Blau, dann weiß man, wohin das Geld geflossen ist. Leider wird der Film in München in der deutschen Version derzeit ausschließlich in 3D gezeigt. Die Brillen, die die Zuschauer dabei aufsetzen müssen, machen das Bild jedoch dunkler und wirken wie ein leichter Grauschleier, was bei so einem farbenprächtigen Spektakel den Genuss deutlich trübt. Die zusätzliche dritte Dimension kann das nicht wettmachen.

Die Story des Films ist schnell erzählt. An dem Tag, als Alice mit einem hochnäsigen Jung-Adeligen verlobt werden soll, sieht sie auf dem Weg zur Zeremonie ein Kaninchen mit Weste. Sie folgt ihm in seinen Kaninchenbau und gelangt in eine Welt, die von sprechenden Tieren und seltsamen menschlichen Gestalten bevölkert ist. Regiert wird sie von der bösen Roten Königin (Helena Bonham Carter), die auch schon mal einen Flamingo als Golfschläger verwendet. Den meisten Bewohnern wäre daher ihre Schwester, die gute Weiße Königin (Anne Hathaway), lieber als Herrscherin. Hoffnung gibt ihnen eine Prophezeiung, nach der ein Mädchen namens Alice kommen wird und die stärkste Waffe der Roten Königin, den Drachen Jabberwocky (in der englischen Fassung gesprochen von Christopher Lee), mit einem magischen Schwert besiegen wird. Auf dem Weg zu diesem Kampf bekommt Alice Unterstützung unter anderem durch das weiße Kaninchen (gesprochen von Martin Sheen), den Hutmacher (Johnny Depp) und den Cheshire-Kater (Steven Fry), der unverschämt grinsen und sich in Luft auflösen kann.

Auch wenn Mia Wasikowska eine durchaus überzeugende Alice abgibt, so kommt sie doch nicht an gegen die beiden Schwergewichte Johnny Depp und Helena Bonham Carter. Sie sind die wahren Hauptfiguren des Films. Depps verrücktem, lustigem und gleichzeitig leicht traurigem Hutmacher sieht man einfach gerne zu. Das Gleiche gilt für die Rote Königin von Helena Bonham Carter, die mit ihrer lakonischen Mimik ihre Umgebung jederzeit beherrscht.

"Alice im Wunderland" ist kein Film für Kinder, sondern richtet sich an Erwachsene, die sich für die farbenprächtigen Bildfantasien und den leicht schrägen Humor von Lewis Carroll und Tim Burton begeistern können. Ein Meisterwerk ist zwar nicht daraus geworden, gute Unterhaltung ist der Film jedoch allemal.

"Alice im Wunderland" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 05 März 2010 um 17:11 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 16:41

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