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Filmkritk: "Der Ghostwriter"

Geister der Vergangenheit

Einen ruhigen, unaufgeregten, und gerade deshalb umso spannenderen Politthriller hat Roman Polanski da gemacht. Es geht um den ehemaligen britischen Premierminister Adam Lang, gespielt von Pierce Brosnan, der seine Memoiren veröffentlichen will. Sein Verlag heuert einen Ghostwriter an (Ewan McGregor), der den Politiker und seine Frau (Olivia Williams) auf Martha’s Vineyard aufsucht, wo die beiden ein Strandhaus besitzen. Dort soll er die Interviews führen und das Manuskript seines Vorgängers überarbeiten. Dieser erste Ghostwriter war ein paar Tage zuvor tot am Strand angespült worden, angeblich war er bei einer Überfahrt mit der Fähre über Bord gefallen und ertrunken.

Sobald der Ghostwriter auf der Insel ankommt, überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Der Ex-Premier, in dem man unschwer Tony Blair wiedererkennt, wird von ehemaligen Kabinettskollegen beschuldigt, Foltereinsätze bei Gefangenen angeordnet zu haben. Möglicherweise droht ihm sogar eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Da Lang nun plötzlich wieder im Mittelpunkt des Medieninteresses steht, unablässig mit Anwälten und Beratern konferiert, während vor dem Strandhaus-Gelände wütende Demonstranten die Zufahrt blockieren, geht es mit den Memoiren nicht recht voran. Der Ghostwriter beginnt daher, den Tod seines Vorgängers zu untersuchen und stößt recht bald auf einige seltsame Umstände.

Der Film ist in verwaschenen Grau- und Brauntönen fotografiert und vermutlich im Frühjahr gedreht worden. Da Polanski aus bekannten Gründen nicht in die USA einreisen wollte, wurde ein Großteil der Außenaufnahmen auf Sylt gemacht. Die breiten, menschenleeren Strände, die Dünen mit dem spärlichen Strandhafer-Bewuchs und die immer wieder einsetzenden Regenschauer tragen viel zu der kalten und frösteligen Atmosphäre bei.

Die Geschichte entwickelt sich langsam und wie von selbst. Ganz ruhig baut sich die Spannung auf, bis das Geheimnis zum Schluss gelüftet wird. An einigen Stellen greift Polanski auf Stilmittel zurück, an denen auch Hitchcock seine Freude gehabt hätte, etwa wenn der Ghostwriter anhand der im Navigationsgerät immer noch gespeicherten Route die letzte Fahrt seines Vorgängers nachvollzieht und dadurch den entscheidenden Hinweis bekommt.

Zu kritisieren gibt es am "Ghostwriter" wenig. Allerdings hätte man sich anstatt von Pierce Brosnan jemand anderen für die Rolle gewünscht. Nicht weil Brosnan ein schlechter Schauspieler wäre, sondern weil er für einen britischen Premierminister einfach zu gut aussieht. Geheimagent ja, Politiker nope. Olivia Williams reizt dagegen sofort zu Vergleichen mit Cherie Blair, und auch Ewan McGregor macht seine Sache als neugieriger Auftragsschreiber gut.

"Der Ghostwriter" steht in der langen und ruhmreichen Tradition englischer Polit- und Agententhriller. Polanski zeigt, und das ist eine angenehme Abwechslung, dass eine spannende, gut umgesetzte Geschichte auch ohne viel Action, Verfolgungsszenen und Oneliner-Jokes auskommt.

"Der Ghostwriter" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 26 Februar 2010 um 17:00 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 16:42

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