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Filmkritik: "Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll"

Der König von Las Vegas

Das bekannteste Foto von Liberace hat Annie Leibovitz für den Rolling Stone gemacht (hier gibt es eine Kopie). Es zeigt ihn und Scott Thorson vor einer weißen Limousine, sie ist beklebt mit Spiegelsteinen. Liberace ist eingehüllt in einen weißen Pelzmantel, darunter erkennt man eine Rüschenbluse und eine Hose von undefinierbarer Farbe. Und natürlich dürfen die dicken Ringe nicht fehlen, ebensowenig wie die Brosche am Hals. Thorson überragt ihn beinahe um Haupteslänge. Er trägt eine hellblaue Phantasieuniform, die der eines Pagen nachempfunden ist, dazu silbern glänzende Stiefel und ebenfalls mehr als auffällige Ringe. Thorson strahlt wie ein Honigkuchenpferd, während Liberace, mit Zigarette zwischen den Fingern, das milde Lächeln eines Mannes zeigt, der schon alles erlebt hat in seinem Leben. Er sieht aus wie der Herrscher eines märchenhaften Königreichs, unermesslich reich.

Der Originaltitel des Films lautet "Behind the Candelabra", was deutlich besser passt als der hiesige Verleihtitel "Liberace". Denn es geht nicht um die Geschichte von Władziu Valentino Liberace, seinen Aufstieg vom Wunderkind der klassischen Musik zum gefeierten Entertainer und reichsten Klavierspieler der Welt. Stattdessen erzählt er von dem, was sich im Hintergrund ereignete, hinter dem Kandelaber, der auf dem Piano von Liberace stand und eins seiner Markenzeichen war. Es geht um die Beziehung zwischen zwei Männern, zwischen dem damals bereits 56-jährigen Liberace (Michael Douglas) und dem 39 Jahre jüngeren Scott Thorson (Matt Damon). Thorson stammte aus ärmlichen Verhältnissen und wuchs bei Pflegeeltern in Wisconsin auf. Im Film kommt er 1977 über eine Kneipen-Bekanntschaft (Scott Bakula) in Kontakt mit Liberace, der zu dieser Zeit eine gefeierte Show in Las Vegas bestreitet. Dem gefällt der gut aussehende Junge, und er macht ihn zu seinem Privatsekretär und Geliebten.

Thorson wechselt in eine Welt, wie es sie so nicht noch einmal gibt. Liberace ist reich, und er liebt es, shoppen zu gehen. Er gibt sein Geld aus für riesige Häuser, Autos, exzentrische Kostüme, Essen, unglaublich kitschige Einrichtungen und Schmuck, sehr viel Schmuck. Er ist wie ein Kind, ohne Stil und Geschmack, das einfach alles haben will, was es sieht. Er will auch Thorson besitzen und erhebt 24 Stunden am Tag Ansprüche auf ihn. Sein neuer Liebhaber muss die Kleidung tragen, die er vorgibt, den Schmuck, und schließlich muss er auch so aussehen wie er. Ein Schönheitschirurg (Rob Lowe), der auch Liberace selbst regelmäßig verjüngt, bekommt den Auftrag, Thorson wie einen Sohn von ihm zu gestalten.

Auf die Dauer geht das natürlich schief. Thorson versucht auszubrechen, trinkt und nimmt Drogen, was Liberace nicht versteht. Schließlich kommt es nach fünf Jahren zum Bruch und in der Folge zu einem hässlichen Prozess um Geld und Versprechungen.

Eigentlich ist das eine recht kitschige und nicht sonderlich originelle Geschichte. Interessant und sehenswert macht den Film vor allem das schwule und plüschige Milieu, in dem er spielt. Liberace lebt in einer eigenen Welt, einem Pop-Universum, und ist beinahe ausschließlich von Männern umgeben. Er hat sich einen Hofstaat aus Vertrauten zusammengestellt, die ihn gegen die Realität abschirmen. Die einzigen Frauen in seiner Umgebung sind das Hausmädchen und seine Mutter, die er allerdings auch nur sporadisch besucht. Es ist eine Welt, in der Homosexualität etwas Normales ist, in der Liberace keine Angst haben muss, dass er wegen seiner sexuellen Orientierung verletzt und gedemütigt wird. Er will von allen Menschen geliebt werden und hat vor nichts mehr Angst, als dass seine Homosexualität in der Öffentlichkeit bekannt wird. Er befürchtet, dass sich sein Publikum von ihm abwenden könnte. Um das zu verhindern, ist er sogar eine Scheinheirat mit einer Frau eingegangen und verklagt jeden, der es wagt, ihn als schwul zu bezeichnen. Als Thorson versucht, zumindest einen Teil Eigenständigkeit zurückzugewinnen, ist das nicht nur Liebesentzug, sondern auch eine Bedrohung seiner heilen, vollständig von ihm kontrollierten Welt.

Man merkt Michael Douglas deutlich den Spaß an, mal wieder eine große, anspruchsvolle Rolle spielen zu können. Er hat ein umfangreiches Repertoire an tuntiger Gestik und Mimik einstudiert und setzt es mit seiner eigenen, persönlichen Note ein. Sein Liberace sieht keine Sekunde lang aus wie eine Karikatur oder Witzfigur, sondern wirkt wie ein zwar exzentrischer, aber eben auch sehr verletzlicher und kindlicher Charakter.

"Liberace" ist ein klassischer Liebesfilm. Las Vegas, das Ambiente in der Liberace-Villa und die Tatsache, dass es um zwei schwule Männer geht, schaffen eine Verfremdung, die das Grundmotiv zeitweilig vergessen lassen. Doch letztlich gelingt es dem Film, und das ist seine große Leistung, dass man hinter dem Kandelaber die Menschen entdeckt und beginnt sie zu mögen.

"Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Mittwoch 09 Oktober 2013 um 23:03 von Roland Freist

Bearbeitet: Freitag 01 November 2013 22:26

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