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Filmkritik: "Der große Gatsby"

Im Bilderrausch

"Der große Gatsby" gilt als einer der größten amerikanischen Romane des 20. Jahrhunderts, er handelt vom Kampf zwischen altem und neuem Geldadel, es geht um Verbrechen und Moral, um die exzessive Lebenslust vor Ausbruch der Wirtschaftskrise und nicht zuletzt um eine große Liebesgeschichte. F. Scott Fitzgerald beschreibt in dem Buch seine Sicht auf die amerikanische Gesellschaft und stellt dem Leser als typischen Vertreter jener Jahre Jay Gatsby vor, einen Aufsteiger aus einfachen Verhältnissen, der es mit zwielichtigen Geschäften innerhalb weniger Jahre zu einem gigantischen Vermögen gebracht hat. Der Film von Baz Luhrmann ("Moulin Rouge") mit Leonardo DiCaprio als Gatsby hält sich eng an die literarische Vorlage und blendet von Zeit zu Zeit sogar Zitate aus dem Text ein.

Erzähler der Geschichte ist der erfolglose Schriftsteller Nick Carraway (Tobey Maguire), der seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Aktien an der Wall Street verdient. Er will von dem Börsenfieber profitieren, das das gesamte Land erfasst hat. Voller Optimismus hat er ein kleines Haus auf Long Island gemietet, wo die High Society von New York ihre Sommerresidenzen hat. Eine dieser Familien ist die von Tom Buchanan (Joel Edgerton), ehemals der reichste Junggeselle Amerikas, der vor einigen Jahren Nicks Cousine Daisy (Carey Mulligan) geheiratet hat, was Nick von Zeit zu Zeit eine Einladung zum Essen einbringt. Tom ist ein Rüpel, der seine Frau in New York mit Prostituierten betrügt und jeden Menschen in seiner Nähe mit seinem ungehobelten Benehmen vergrätzt, und man fragt sich, wieso sich eine Frau wie Daisy mit so einem Typen eingelassen hat.

Das fragt sich auch Jay Gatsby, der sich vis-à-vis dem Haus der Buchanans auf der anderen Seite der Bucht ein riesiges Anwesen gekauft hat und dort zum Nachbarn von Nick geworden ist. Er feiert jedes Wochenende ausschweifende Parties, zu denen jeder kommt, der in New York hip ist. Es wird getanzt, gesoffen und geliebt als gäbe es kein Morgen. Als Nick eines Tages zu einem dieser Feste eingeladen wird, stellt Gatsby sich ihm vor, und Nick erfährt nach und nach, dass Daisy die Jugendliebe dieses Mannes war. Gatsby entwickelt den Plan, dass Nick seine Cousine zum Tee einladen und er bei dieser Gelegenheit wie zufällig bei seinem Nachbarn auftauchen könnte. Das funktioniert auch, und Jay Gatsby und Daisy verlieben sich erneut.

Das Buch hat mir vor allem wegen seiner Stimmung gefallen. Es bezieht seine Spannung aus dem Kontrast zwischen den exzessiven Feiern und der allgemeinen Gier auf Geld auf der einen Seite und der Melancholie beim Ich-Erzähler Nick auf der anderen. Für mich war das immer die Würze, die diese Geschichte zu etwas Besonderem machte. Im Film ist davon nichts mehr zu spüren. Baz Luhrmann präsentiert stattdessen die Feste im Haus von Gatsby als eine Orgie aus Menschen, Kostümen, Farben und wilden Tänzen, dazu laufen Hiphop-Songs von Jay Z und Kanye West, die mit Klängen des Bryan Ferry Orchestras zu einer Musik im Charleston-Stil der 20er Jahre zusammengemixt wurden. Alles ist völlig überdreht, ein wilder 3D-Rausch voller Rhythmus und Champagner, der an jeder Stelle immer noch eins draufsetzt. Es ist immer noch die von Nick Carraway erzählte Geschichte seiner Zeit mit Jay Gatsby, doch es wirkt, als hätten sich die Bilder selbstständig gemacht, als klafften Bild und Text auseinander. Die Bilder sind brillant, und auch ich muss zugeben, dass dies einer der wenigen Filme ist, bei denen die 3D-Aufbereitung noch einmal eine zusätzliche Ebene schafft. Doch sie passen nicht zur Story. Und selbst im zweiten Teil, when the party is over und sich die Liebesgeschichte entwickelt, begleitet von Lana del Reys trauriger Alt-Stimme, wirkt der Film vor allem in sich selbst verliebt.

Auch die Schauspieler kommen gegen diesen Rauschzustand nicht an. Am ehesten noch DiCaprio, der am Anfang unsicher wirkt, sich allerdings im Fortlauf der Handlung bei seiner Darstellung des Jay Gatsby immer weiter steigert. Carey Mulligan, die in "Drive" sehr gut war, und Tobey Maguire, einer meiner Favoriten in der jüngeren Schauspieler-Generation, gelingt es gerade noch so, dieser alles mitreißenden Bilderflut wenigstens ein Stück weit zu widerstehen und ihren Figuren ein klein wenig Eigenleben zu geben.

Was der Roman an Stimmung bot, ersetzt der Film durch einen Bilderrausch. Es ist ein guter Rausch, einer von der Art, bei der man wild feiert und trotzdem am nächsten Morgen keine Kopfschmerzen hat. Doch im Rückblick lässt er die Erlebnisse der letzten Nacht unecht und künstlich erscheinen.

"Der große Gatsby" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 24 Mai 2013 um 0:21 von Roland Freist

Bearbeitet: Montag 27 Mai 2013 11:06

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