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Filmkritik: "Dark Shadows"

Dunkle Schatten aus den 70ern

Vampire haben im Allgemeinen ein sehr langes Leben. Solang man sie nicht pfählt oder der Sonne aussetzt, können sie auch ohne Sauerstoff und Blut jahrhundertelang leben. Diese schlimme Erfahrung muss auch Barnabas Collins (Johnny Depp) machen: Der Sohn eines reichen Fischereiunternehmers hat sich in das falsche Mädchen verguckt und dafür die Liebe des Hausmädchens Angelique (Eva Green) verschmäht. Dummerweise ist die jedoch eine Hexe, die ihn voller Wut erst in einen Vampir verwandelt und anschließend in einem mit Ketten umwickelten Sarg in der Erde vergräbt.

Rund 200 Jahre später, man schreibt mittlerweile das Jahr 1972, wird dieser Sarg bei Bauarbeiten zufällig gefunden und geöffnet. Barnabas, quicklebendig, aber verständlicherweise ziemlich durstig, saugt erst einmal die Bauarbeiter leer und macht sich anschließend auf zum Anwesen seiner Familie, das allerdings in den vergangenen Jahrzehnten ziemlich heruntergekommen ist. Hier leben noch die letzten Angehörigen der Collins-Familie, Elizabeth Collins Stoddard (Michelle Pfeiffer) mit ihrer Tochter Carol (Chloë Grace Moretz), ihrem nichtsnutzigen Bruder Roger (Jonny Lee Miller) und dessen Sohn David (Gulliver McGrath), der Geister sehen kann. Außerdem bevölkern die Psychiaterin Dr. Julia Hoffman (Helena Bonham Carter), der Hausmeister Willie Loomis (Jackie Earle Haley) und das Kindermädchen Victoria Winters (Bella Heathcote), die ebenfalls Geistererscheinungen hat, das weiträumige, düstere Haus. Als sich Barnabas daran macht, Haus und Familienbetrieb wieder auf Vordermann zu bringen, muss er feststellen, dass nicht nur Vampire ein langes Leben haben. Auch die Hexe Angelique ist immer noch putzmunter und führt mittlerweile den größten Fischereibetrieb des Ortes. Und die neue Konkurrenz durch ihre ehemalige große Liebe kann sie überhaupt nicht brauchen.

"Dark Shadows" basiert auf einer gleichnamigen Fernsehserie aus den späten 60er Jahren, die in Form einer Daily Soap (!) ausgestrahlt wurde und es in fünf Jahren auf stolze 1225 Folgen brachte. Tim Burton, der Regisseur des Films, und Johnny Depp haben sich beide als große Fans der Serie geoutet.

Vielleicht ist das auch das Hauptproblem dieses Films. Es bleibt unklar, ob Burton eine Reminiszenz an die Serie oder eine Parodie drehen wollte. Als Reminiszenz funktioniert "Dark Shadows" nicht: Die Serie war offensichtlich Trash. Wenn man das auf zwei Stunden komprimiert, wird daraus einfach nur verdichteter Trash. Das könnte immer noch lustig sein, wenn der Film als überdrehte Comedy angelegt wäre. Das aber ist "Dark Shadows" leider überhaupt nicht, stattdessen ist er über weite Strecken bemerkenswert langatmig.

Und auch die Parodie kommt beim Zuschauer nicht an. Im Fernsehen zeichnete sich "Dark Shadows" wohl durch sehr gewagte Sprünge in der Handlung aus, Figuren tauchten aus dem Nichts auf und verschwanden ohne Erklärung von einer Folge zur nächsten, immer wieder gab es lose Stränge, die oft nicht weiterverfolgt wurden. Typisch Daily Soap eben. Fans einer Serie können sich darüber amüsieren, im Kino macht es einfach nur schlechte Laune.

Das ist schade, denn es gibt auch viele wirklich witzige Szenen. Zum einen die Konfrontation des Vampirs mit den Auswüchsen der frühen 70er Jahre, mit kiffenden Hippies im VW Bulli, Lavalampen und Alice Cooper, der, in eine Zwangsjacke gekleidet, auch einen Live-Auftritt hat. Außerdem werden als Musikuntermalung unter anderem Procol Harum, T. Rex, Barry White, Black Sabbath und die Carpenters eingespielt. Hätte Burton das noch ein wenig mehr auf die Spitze getrieben, dann hätte aus "Dark Shadows" ein schöner, lustiger, leicht nostalgischer Bilderbogen der 70er werden können, ein Film, der die TV-Serie nur als Aufhänger benutzt, um einen Blick auf eine vor allem in modischer Hinsicht sehr bizarre Zeit zu werfen. Aber diese Chance wurde vertan.

Zum anderen sieht man auch einige schöne Szenen, die mit den bekannten Vampir-Klischees spielen. Eine feine Idee war es etwa, Barnabas zu zeigen, wie er sich vor dem Badezimmerspiegel die Fangzähne putzt, wobei im Spiegel natürlich nur die Zahnbürste und etwas Schaum zu sehen sind. Aber auch diese Richtung wurde nicht konsequent verfolgt.

In "Dark Shadows" gibt es die für Tim Burton typischen, dunklen, grauen Szenerien mit den grellen Farbtupfern, es gibt ein ausgezeichnetes Schauspieler-Ensemble, das jedoch nicht gefordert wird, und der Film kann auch einige Lacher auf seiner Plus-Seite verbuchen. Insgesamt jedoch ist er eher belanglos.

"Dark Shadows" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 11 Mai 2012 um 22:28 von Roland Freist

Bearbeitet: Samstag 12 Januar 2013 16:25

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