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Filmkritik: "Her"

Freundin as a Service

Was unterscheidet den Menschen von einer Maschine, was macht ihn aus? In der Welt der Science-Fiction ist das eine sehr beliebte Frage. Man denke an Filme wie "Blade Runner", wo es darum geht, menschenähnlche Androiden mit künstlicher Intelligenz zu identifizieren, was in der Zukunft nur noch Spezialisten wie Rick Deckard möglich ist. Oder der zweite "Terminator"-Film mit dem inneren Monolog von Sarah Connor, als sie erkennt, dass dieses künstliche Wesen der ideale Vater und Beschützer für ihren John wäre. Aber auch Titel wie "Der 200 Jahre Mann" mit Robin Williams oder Spielbergs "A. I.": Sie alle suchen nach dem Unterschied zwischen Menschen und intelligenten Maschinen – und versuchen sich damit natürlich gleichzeitig an einer Definition des Menschen. Das Ergebnis ist aus Menschensicht übrigens oft recht frustrierend.

"Her", der neue Film von Spike Jonze ("Being John Malkovich"), stellt sich die gleiche Frage, hat allerdings die Maschine auf den aktuellen Stand der Technik gebracht. Sein künstliches Wesen ist kein Androide mehr, sondern nur noch ein neues und revolutionäres, körperloses Betriebssystem, das einfach nur OS heißt. Es liegt vermutlich auf einem Server irgendwo in der Cloud, also im Internet, und spricht mit seinem Besitzer über dessen Smartphone und eine Freisprecheinrichtung inklusive Ohrstöpsel. Gekauft wurde es von einem Mann namens Theodore Twombly (Joaquin Phoenix), der seit der Trennung von seiner Frau (Rooney Mara) einsam und niedergeschlagen durchs Leben geht. Sein Beruf, er ist Auftragsschreiber für Liebesbriefe (der Film spielt ein paar Jahre in der Zukunft), ist ebenfalls nicht dazu angetan, ihn aufzuheitern. Auch seine beiden einzigen Freunde, das Ehepaar Amy (Amy Adams) und Charles (Matt Letscher), können ihn nicht aufmuntern.

Das alles ändert sich, als Samantha in sein Leben tritt. Samantha ist der Name, den sich sein OS selber gegeben hat, nachdem es einen Ratgeber für die Namensgebung von Babys gelesen hat, "in zwei Hundertstelsekunden", wie es betont. Samantha ist nicht einfach nur eine künstliche Intelligenz, sondern eine komplette künstliche Persönlichkeit. Sie ist fröhlich, optimistisch, zupackend, witzig, intelligent und einfühlsam, kurz, eine Traumfrau. Und es gelingt ihr, Theodore aus seinen Grübeleien herauszuholen und ihn zu ermutigen, wieder am Leben teilzunehmen. Sie lernt ständig dazu, seine E-Mails liest sie ohnehin, sie registriert bei ihren gemeinsamen Gesprächen aber auch sämtliche Informationen, die er über sich preisgibt, alle seine Gefühle und Bedürfnisse.

Schon bald verlieben sich die beiden ineinander. Sie haben sogar Sex miteinander, was man sich vorstellen muss wie eine moderne Form des Telefonsex. Theodore stellt Samantha sogar seinen Freunden vor, die sie nach einer kurzen Eingewöhnungsphase neugierig akzeptieren. In einer Szene kommt es zu einem Picknick mit zwei Arbeitskollegen, wobei die drei Menschen Ohrstöpsel tragen und Samantha die ganze Runde unterhält.

Das hört sich jetzt alles recht spannend an, ist es aber im Film tatsächlich nicht. Denn wenn man einmal davon absieht, dass es sich bei Samantha um kein körperliches Wesen handelt, bleibt nur eine konventionelle Liebesgeschichte mit etlichen kitschigen Elementen übrig. Auch der weitere Fortgang der Story ist recht vorhersehbar: Nach der Sturm-und-Drang-Zeit beginnt die Beziehung zwischen Theodore und Samantha zunehmend schwieriger zu werden, Gewöhnung schleicht sich ein. Sie lernt weiter dazu und beginnt, sich für Themengebiete und Personen außerhalb des Horizonts von Theodore zu interessieren. Sie entgleitet ihm, und er beginnt zu klammern, es ist immer die alte Geschichte. Erst zum Schluss wird es wieder interessant, dann nämlich, als Samantha sich wieder mehr als Computer-Programm präsentiert und weniger als Abbild eines Menschen.

"Her" ist ein sehr poetischer und romantischer Film über zwei, nun ja, Menschen, die sich ineinander verlieben, schließlich aber feststellen müssen, dass sie nicht dauerhaft zueinander passen und sich schließlich trennen. Als nüchterner Betrachter kann man sich natürlich überlegen, ob der menschliche Part in einem solchen Fall vom Hersteller des OS nicht sein Geld zurückfordern könnte. Oder ob man Samantha nicht durch ein Update wieder zurückholen könnte. Das mag zynisch klingen, aber schließlich ist sie ja kein menschliches Wesen, sondern lediglich eine Sammlung von Codezeilen, die an irgendeinem Ort, wo der Strom billig ist, auf einem Server in einem Rechenzentrum installiert sind.

Die Filme von Spike Jonze zeichnen sich dadurch aus, dass seine Geschichten bis zum Ende durchdacht sind. Das gilt auch in diesem Fall, den Oscar fürs beste Drehbuch hat er völlig zu Recht bekommen. Denn "Her" formuliert nicht nur die Frage nach dem Verhältnis zwischen natürlicher und künstlicher Intelligenz, er hält auch eine recht komplexe Antwort bereit.

"Her" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 28 März 2014 um 22:35 von Roland Freist

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